24. August 98
Ich zog mich ganz in Ruhe um, während Ron und Hermine wahrscheinlich schon eine halbe Ewigkeit auf mich warteten. Aber es war mir egal. Immerhin zwang sie mich dazu, also könnte sie auch warten. Mein schwarzes Shirt und die blaue Jeans saßen beide zu locker, aber auch das war mir egal. Vielleicht sollte ich mir noch ein paar neue besorgen.
„Jetzt mach mal.", rief Ron aus dem Wohnzimmer, als ich bereits die Treppe runterkam. „Wenn du noch länger brauchst, bekommt Hermine einen Anfall."
„Ich? Du hast doch Hunger.", verteidigte sie sich.
„Bin Ja fertig. Lass uns gehen."
Beide sahen mich etwas besorgt an, aber ich ging nur zum Kamin, warf das Pulver hinein und ließ mich von den grünen Flammen verschlingen.Die Winkelgasse war tatsächlich nicht mehr so voll, obwohl nächste Woche die Schule wieder beginnen würde. Vielleicht hatten alle ihre Sachen aber auch schon. Nur ich war mal wieder so spät dran, dass ich alles auf den letzten Drücker besorgte. Hermine lag mir schon wochenlang in den Ohren, dass ich mir endlich die Materialien besorgen sollte und an den Unterricht denken musste. Ich hatte nur immer wieder gesagt, dass ich absage und sie war still.
„Okay, wo musst du zuerst hin?", fragte Hermine, wobei sie bestimmt schon den gesamten Ausflug geplant hatte. Sie hatte bestimmt eine ganze Liste mit Sachen die ich brauchen würde. Und so wie ich sie kannte, hatte sie auch einen Zeitplan in welches Geschäft wir wann gehen sollten.
„Keine Ahnung.", gab ich knapp zurück und sie seufzte. Ich wusste, dass weder Ron, noch Hermine meine schlechte Laune verdient hatten, aber abstellen konnte ich sie auch nicht. Der Albtraum hatte mich mal wieder stundenlang wachgehalten, weshalb ich extrem müde war und ständig an meine Eltern denken musste. Ich würde gerne wissen, was sie zu dem Jobangebot sagen würden.
„Lass uns zuerst zu Flourish & Blotts gehen. Da können wir die Bücher bestellen und zur Seite legen lassen. Nachher können wir sie abholen. Dann kannst du dir die Maße für die Umhänge nehmen lassen. Die müssen dir bestimmt nachgeschickt werden, weil du so spät bist. Dann der Kleinkram. Federn, Pergament und sowas alles."
Und sie hatte wirklich einen kompletten Plan. Also gingen wir wortlos an den wenigen Menschen vorbei, die mich noch immer so ansahen, als könnte ich Kranke heilen und betraten den Laden. Überall große Regale, die überfüllt waren mit Büchern. Aber kein einziger Zauberer. Es wunderte mich ein wenig, aber eigentlich war es besser so. Besser als viele Menschen, die mich anstarrten und mir nervige Fragen stellten.
Hermine ging mit den Listen zu der kleinen Hexe am Tresen und bestellte unsere Bücher. Meine, die ich zum Unterrichten brauchte und ihre, für die Ausbildung zur Heilerin. Dann sah sich sich noch ein wenig um, während ich mich an eines der Geländer lehnte und ein Loch in die Wand starrte.
„Hey.", sagte Ron leise und stieß mir seinen Ellenbogen gegen den Oberarm. Mit einem kaum merklichen Nicken, deutete er auf die Tür, wo gerade ein blonder junger Mann stand und darauf wartete, dass der Auror vor ihm weiter ging. Er sah extrem genervt aus, aber schon viel besser, als bei den Verhandlungen. Immerhin hatte er seine Anzüge wieder und frisch gewaschenes Haar. „Was meinst du, was er hier macht?"
„Ich dachte, es wäre dir egal, was aus ihm wird.", sagte ich und drehte mich um. Auf eine Konfrontation hatte ich jetzt noch weniger Lust.
„Ist es auch. Ich mein ja nur mal.", meckerte Ron und ging mir nach. Unkonzentriert fuhr ich mit den Augen über die verschiedenen Buchrücken und las ein Titel nach dem anderen. Aber sobald mein Auge ein neues Buch ansah, vergas ich ihn schon wieder.
Als ich mich umsah, und bemerkte, dass Draco sich gerade mit der Hexe unterhielt, nutzte ich die Chance und verschwand mit Ron aus dem Laden. Hermine kam wenige Augenblicke später raus und sah uns merkwürdig an.
„Was?", fragte Ron sofort.
„Nichts, es war nur merkwürdig ihn zu sehen. Ehm, Harry. Er hat gesagt, ich soll dir danke ausrichten."
„Malfoy?"
Sie nickte und sah zwischen uns hin und her. Aber wie kam Malfoy bitte dazu sich für irgendwas zu bedanken. Und warum sprach er freiwillig mit Hermine deshalb.
„Okay?"
„Du kannst auch rein gehen und selbst mit ihm sprechen.", schlug sie ruhig vor. „Er klang irgendwie...anders."
„Lieber nicht.", sagte ich und ging auf Madame Malkins Laden zu.
Nach der Überschwänglichen Begrüßung der Hexe und weiteren zwanzig Minuten des Messens, waren auch die neuen Umhänge bestellt. Und zwei Stunden später auch endlich die restlichen Sachen besorgt.
„Gehen wir was essen?", fragte Ron, während wir über die unebene Straße gingen. Es war nun schon etwas voller und die Menschen drehten sich nicht mehr alle nach mir um. Vermutlich, weil ich unter den anderen nicht mehr so auffiel, aber es war besser so.
„Harry?"
Zu früh gefreut. Aber als ich mich umdrehte, musste ich sofort grinsen.
„Hey, Neville.", sagte ich fröhlich und umarmte den großen Mann vor mir. „Wo hast du so gesteckt?"
„Hey, Ehm.", begann er, während Ron und Hermine ihn in den Arm nahmen. „Ich war in Frankreich und habe ein Kurs der französischen Kräuterkunde gemacht. War wirklich interessant. Wusstest du, dass die Merandla nur in Frankreich auf einem kleinen, bestimmten Feld wächst? Deshalb ist sie auch so teuer."
Kaum zu glauben, dass jemand so begeistert von Pflanzen sein konnte, wie er. Ungeduldig sah er sich um, dann auf eine teuer aussehende Armbanduhr und dann wieder zu uns. Hinter ihm passierten verschiedene Zauberer die Straßen, wobei tatsächlich manche stehen geblieben waren und uns beobachteten. Vielleicht waren sie auf meinen Namen aufmerksam geworden...
„Nein, wusste ich nicht.", gab ich zurück, aber Hermine nickte. War ja klar. „Ehm, wir wollten gerade essen gehen. Willst du mitkommen?"
„Oh, Ehm. Ich kann gerade nicht. Luna wartet schon auf mich. Aber vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Oder wir schreiben.", sagte er fröhlich und strahlte richtig. Luna und er. Wenn man darüber nachdachte, passten die beiden wirklich gut zusammen.
„Ja klar. Bis dann."
„Bye, Neville."
Und schon war er verschwunden. Die starrenden Menschen bewegten sich langsam weiter, als sie sahen, dass ich zurück starrte. Manchen war es wohl sichtlich peinlich und andere glotzten einfach weiter, als wäre ich ein Ausstellungsstück im Museum.
Hermine zog mich vorsichtig weiter in die Richtung eines Cafés, wo wir uns schließlich setzten und etwas aßen.„Also Harry, was meinst du wer nächstes Jahr zur Meisterschaft fliegt?", fragte Ron wie aus dem nichts.
„Keine Ahnung?"
„Ich habe auch keinen blassen Schimmer. Hab gedacht, vielleicht hast du irgendeine Ahnung."
„Kannst du bitte fertig kauen, bevor du sprichst.", sagte Hermine müde und rührte in ihrem Tee. Wir beide waren längst fertig, während Ron noch immer am Essen war. Ich müsste mal mit ihm in ein All you can eat Restaurant gehen. Vielleicht zum Geburtstag nächstes Jahr. Ron murmelte etwas unverständliches und senkte seinen Blick auf den Teller.
Auch wenn der Nachmittag doch noch ganz schön war, und ich dankbar war, dass die beiden mir mit allem halfen, konnte ich mich dazu bringen eine bessere Stimmung zu verbreiten. Dafür war ich noch immer zu müde und der Kaffee half nicht wirklich.
„Entschuldigt mich.", sagte ich leise und bekam sofort wieder Hermines besorgten Blick ab. „Ich gehe nur schnell auf die Toilette.", fügte ich hinzu, damit sie sich wieder beruhigte.
Also stand ich auf und ging einmal quer durch den quietsch-gelben Raum. Überall hingen Bilder von Blumenwiesen, die im Wind hin und her wehte. Auf den Tischen schwebten ebenfalls kleine Sträuße und alle waren nach Blumen benannt. Wir saßen an der Magnolie, aber auf dem Weg streifte mein Blick zufällig auf den Tisch, der mit schnörkeliger Handschrift den Namen „Lilie" trug. Schnell wandte ich meinen Blick wieder ab und ging auf den Kellner zu.
„Oh, Mister Potter, stimmt etwas nicht?", fragte der Kellner sofort und zog sich seine Schürze richtig.
„Nein, alles gut. Ich wollte nur schon bezahlen.", sagte ich so freundlich es ging und legte ihm das Geld auf den Tresen, bevor ich zur Toilette verschwand.
Für einen Moment starrte ich mein Spiegelbild an, das zugegebenermaßen echt beschissen aussah. Dunkle Augenringe, blasse Haut und den Bart hätte ich auch mal wieder rasieren können. Nur die Haare sahen so aus wie immer. Unordentlich wie ein Chaos. Und genauso ging es mir mit meinem Leben.
Ich seufzte einmal laut auf und wusch mir die Hände, ohne auf Toilette gewesen zu sein. Gerade als ich sie an einem der zusammengerollten Handtücher abtrocknete, ging die Tür auf und zu meinem Leid starrte ich in die grauen Augen, die ich eigentlich vermeiden wollte.
„Potter."
„Malfoy."
Kurz standen wir einfach nur da, bevor er weitersprach. „Hat Granger es dir ausgerichtet?"
Seine Stimme glich ihm wie früher. Hochnäsig und herablassend. Genau wie sein Auftreten.
„Ja. Bitte?", gab ich ruhig zurück. Wollte er wirklich, dass ich ihm das ausgerichtete Danke abkaufte. Wenn er nicht mal den Schneid hatte, es selbst zu sagen. Ich legte das Handtuch in den Korb neben dem Waschbecken und wollte aus dieser merkwürdigen Situation flüchten, als er wieder begann zu sprechen.
„Potter?"
„Was?", fragte ich vielleicht ein wenig zu patzig. Vielleicht erinnerte sich ein Teil von mir, dass er mich immer nur beleidigt hatte, wenn wir sprachen. Vielleicht sprach auch einfach nur die Müdigkeit.
„Warum hast du es getan?"
„Was?"
„Für mich ausgesagt.", presste er zwischen den Lippen hervor, als müsste er sich überwinden, diese Worte auszusprechen.
„Weil es das Richtige war.", gab ich knapp zurück. Es stimmte. Für mich war es das Richtige für ihn auszusagen. Zu wissen, dass er nicht zwölf Jahre lang in Azkaban sitzen würde. Dass es ihm nicht wie Sirius gehen würde. Und der Schmerz war zurück.
„Der kleine Held Harry Potter. Du wirst deinen Heldenkomplex wohl nie überwinden."
„Freu dich einfach über deine Freiheit und lass mich in Ruhe."
Mit diesen Worten stürmte ich an ihm vorbei, zurück in den Gastraum. Das Café war etwas voller als zuvor, und je näher ich an unseren Tisch kam, desto voller wurde es. Hermine sah mich leicht panisch an und sprang schon fast auf. Sie zog Ron mit sich und kaum berührte sich mich, spürte ich meinen Magen verkrampfen und das Café löste sich in Luft auf. Dieses ziehende Gefühl ließ wenige Augenblicke später nach, als sich um uns herum das Wohnzimmer bildete, in dem ich jeden Abend saß, bis mir die Augen zu fielen.
„Was war das denn?", fragte ich ein wenig zu laut.
„Das ganze Café war voller Reporter. Irgendwer hat denen gesteckt, dass du da bist und als Draco dann auch noch da waren, wollten sie natürlich alle die Story. Ich habe gedacht, dass du das lieber nicht möchtest.", erklärte Hermine aufgeregt. Dann nahm sie ihre Tasche und räumte alle Einkäufe auf den Couchtisch, der schon wenige Sekunden später überfüllt mit Schulzeug war.
„Danke."; sagte ich nach einiger Zeit doch und ging ich die Küche. „Ich mache uns einen Tee."
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This last Piece of me
FanfictionDer Krieg ist vorbei und die Welt der Zauberer scheint zum ersten Mal aufatmen zu können. Aber was dann? Harry erlebt im Sommer 98ˋ einige unerwartete Dinge, wie zum Beispiel das Jobangebot der Schulleiterin, oder der Freispruch seines ehemaligen E...