Mittwoch, 10. Juni 98
Wie fast jeden Morgen wachte ich erschöpft auf. Wahrscheinlich hätte ich noch länger geschlafen, wenn ich nicht am Abend vergessen hätte die Vorhänge zuzuziehen, weshalb mir die strahlende Juni-Sonne mein Gesicht verbrannte. Mit einem gequälten Stöhnen drehte ich mich auf die andere Seite. Aber ich wusste sowieso, dass ich nicht mehr einschlafen würde. Das tat ich nie.
Keine Ahnung wie lange ich schon wach im Bett lag und das Bild von meinen Eltern anstarrte, als es schließlich klopfte.
„Ja?", sagte ich mit rauer, verschlafener Stimme und setzte mich auf. Ich schlang die Arme um meine angezogenen Knie und sah dabei zu, wie sich braune Locken durch den Türspalt schoben.
„Hey.", sagte Hermine leise. „Ich war mir nicht sicher, ob du schon wach bist. Jedenfalls kam eben eine Nachricht vom Ministerium. Das Urteil wird um 10 Uhr verlesen."
Das Urteil. Es hatte fast eine ganze Woche gedauert. War das gut, oder schlecht? Zumindest hatten sie ihn nicht sofort für schuldig ernannt.
„Soll ich da wirklich hingehen?", fragte ich nach einem Augenblick, während sie sich vor meinen Füßen auf das Bett setzte. Die braunen Augen musterten mich fast unerträglich.
„Warum denn nicht?"
„Keine Ahnung. Was ist, wenn sie sich doch dazu entscheiden, dass er und Narzissa nach Azkaban kommen?"
„Du hast doch dein Bestes versucht. Der Rest liegt bei den Geschworenen. Sie werden schon die richtige Entscheidung getroffen haben."
Ich sagte erstmal nichts. Ich wusste sowieso nicht was ich noch sagen sollte. Warum interessierte es mich so sehr? Weil du kein Arschloch bist schaltete sich mein Gehirn dazu, als würde es mit sich selbst diskutieren.
„Sollen wir mitkommen? Ins Ministerium?", fragte Hermine vorsichtig, aber ich schüttelte nur den Kopf. Wir waren eigentlich mit den Weasleys verabredet. Da müssten wir nicht unbedingt alle fehlen. Es reichte, wenn nur ich hinging.Wie auch drei Tage zuvor, apparierte ich in die Eingangshalle des Ministeriums, fuhr mit dem Aufzug in den zehnten Stock und lief durch den dunklen Flur in denselben Gerichtssaal. Nur eben alleine. Auch diesmal nahm niemand Notiz von mir, bis ich den Saal betrat.
Mit jedem Meter fiel es mir schwerer die Schritte zu gehen. Und tatsächlich wurde ich von Sekunde zu Sekunde langsamer.
Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Inklusive die des blonden Jungen auf der Anklagebank. Schweigend ging ich auf meinen Platz und starrte auf einen leeren Stuhl gegenüber. Dass es tatsächlich noch einen leeren Platz gab. Wahrscheinlich war dies die aufregendste Verhandlung seit Jahren. Vielleicht sogar seit Jahrzehnten.Es dauerte noch einige Minuten bis der Richter wieder angekündigt wurde und alle aufstanden.
Mein Herz klopfte stark und die schwitzigen Hände wischte ich mir diesmal ungerührt an der Hose ab.
Mister Clayton richtete das Wort an Draco und seine Mutter.
„Sind Sie bereit zur Urteilsverkündung?"
„Ja.", sagten beide wie aus einem Mund. Die Gesichter waren ernst und schienen keine Emotionen zu zeigen, jedoch kannte ich Draco und sah die Angst und Nervosität.
„Dann bitte ich einen der Geschworenen das Urteil zu verlesen."
Sofort stand eine kleine dunkelhaarige Hexe mit schwarzem Umhang auf und hielt ein Stück Pergament vor sich. Sie sah sich noch ein paar Mal im Saal um, bevor sie tief Luft holte und las.
„Wir, die Geschworenen im Falle von Narzissa und Draco Lucius Malfoy, halten es nicht für notwendig die Angeklagten nach Azkaban zu verweisen. Wir befinden sie für nicht schuldig.", ertönte die piepsige Stimme.
In mir entspannte sich jeder Muskel, obwohl mir nicht mal aufgefallen war, dass ich sie angespannt hatte. Genauso, wie ich die Luft angehalten hatte und jetzt ein wenig nach Sauerstoff rang. Ich atmete tief ein und sah, wie sich auch die Gesichter der beiden angeklagten entspannten. Oder besser gesagt, nicht mehr angeklagten.
„Danke Ihnen." begann der Richter scheinbar widerwillig. "Nun denn. Dann verlese ich ihnen nun ihr Urteil. Narzissa und Draco Lucius Malfoy sind als nicht schuldig befunden worden. Sie werden keine Haftstrafe in Azkaban absitzen müssen. Jedoch werden sie 18 Monate vom Ministerium überwacht. Falls es ein Zeichen der schwarzen Magie gibt, wird das Urteil aufgehoben und beide werden die Haftstrafe von 12 Jahren in Azkaban voll absitzen."
Mister Clayton unterstütze die Aussage mit einem kräftigen Hammerschlag und verschwand augenblicklich in der Tür hinter seinem Platz. Offensichtlich hatte er mit einem anderen Ergebnis gerechnet. Draco und seiner Mutter wurden die Fesseln abgenommen und von einer Wache in einen Nebensaal geführt, während sich der Raum schnell leerte.Es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder bewegen konnte. Ich stand auf, ging durch die schwarze Tür, die ich hoffentlich nie wieder sehen würde und verschwand alleine in einem der Aufzüge. Die goldenen Gitter verschlossen den Weg nach draußen und der Boden begann sich zu bewegen.
Nachdenklich sah ich auf meine Hände. Und irgendwie schien ich jetzt erst zu realisieren, dass Draco wirklich nicht nach Azkaban musste. Dass meine Aussage wohl doch mehr Einfluss auf die Zauberer hatte, als ich dachte. Klar, Held hin oder her. Einen Todesser freizusprechen....Im Augenwinkel sah ich, dass die Gitter sich zur Seite schoben und trat aus dem Aufzug.
„Harry Potter. Wir haben haben gehört, dass Sie für den Jungen Malfoy ausgesagt haben. Warum?"
„Mister Potter. Hier rüber!"
„Wieso haben Sie für Ihren Erzfeind ausgesagt?"
„Warum haben Sie sich für einen Todesser eingesetzt?"
Von allen Seiten kamen Fragen und unzählige Kameras waren auf mich gerichtet. Überall blitzte es und ich wusste nicht wo ich hinsehen sollte. Es waren viel zu viele Mensch um mich herum, die alle kreuz und quer sprachen. Ständige sah ich nichts mehr von den vielen Blitzen der Kameras. Es dauerte nicht lange, bis die Wut und der Wunsch alleine gelassen zu werden, in mir aufbrodelten.
„Mister Potter. Geben sie ein exklusives Interview an den Tagespropheten?"
Die Fragen strömten auf mich ein, bis es mir irgendwann reichte. Ich richtete mich auf, sah einem Reporter tief in die dunklen Augen und sagte: "Ich werde nichts dazu sagen."
Dann kämpfte ich mich durch die Menge und trat so schnell ich konnte, in einen der Kamine. Die grünen Flammen zogen sich an mir hinauf, während ich so leise, aber so deutlich es ging mein Ziel sprach. Und glücklicherweise landete ich wenige Sekunden später unsanft auf dem Dielenboden meines Wohnzimmers.
„Harry?", noch während Hermine meinen Namen rief, tauchte sie im Türrahmen auf.
„Ich dachte ihr seid unterwegs? Mit Molly und Arthur?", sagte ich verwirrt und stand auf. Grob klopfte ich mir den Ruß von der Kleidung.
„Arthur ist krank. Wir haben es verschoben. Aber erzähl uns erstmal wie es war. Wie... ist es ausgefallen?"
Sie klang wirklich besorgt. Ron erschien hinter ihr und bevor ich lossprach, setzten sie sich mit mir auf die Couch. Ich erzählte ihnen grob was der Richter gesagt hatte. Hermine sah etwas erleichtert aus, aber Ron schien noch nicht so ganz zu wissen, was er davon halten sollte. Irgendwie verständlich.
"Und wurde noch irgendwas gesagt, wie es weitergeht mit ihnen? Also Bewährungsauflagen oder so?", fragte Hermine nach einer kurzen Pause.
"Müssen sie doch eigentlich, oder? Man kann ja nicht fast für etwas verurteilt werden, wofür man zwölf Jahre lang sitzt und dann einfach so davon kommen." , bemerkte Ron harsch.
"Naja, sie dürfen zu niemandem Kontakt aufnehmen. Und mit dunkler Magie in Berührung kommen. Was sonst noch sein sollte, weiß ich nicht."
"Aber jeder Zauberer der auf Bewährung ist, bekommt einen Auroren zur Seite gestellt, der auf die Einhaltung der Auflagen achtet. Vielleicht sind doch noch ein paar weitere Bedingungen mit dem Freispruch verknüpft, aber die werden sicherlich nicht Öffentlich gemacht.", erklärte Hermine ruhig und sah zwischen uns hin und her.
"Schon möglich."
"Aber ich frage mich schon, wie er eine Zukunft aufbauen will... Ich meine, niemand wird ihn mehr anstellen wollen. Oder eine Ausbildung machen lassen, oder?
"Mal im Ernst, uns kann das doch wohl egal sein.", antwortete Ron patzig und sah seiner Freundin in die Augen. "Sorry. Aber ich meine, er hat uns nur im Weg gestanden und uns immer wieder beleidigt. Da hat er es nicht verdient, dass wir uns Gedanken über seine Zukunft machen. er ist frei, jedenfalls so halb und fertig. Wahrscheinlich sehen wir ihn eh nicht wieder."
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This last Piece of me
FanfictionDer Krieg ist vorbei und die Welt der Zauberer scheint zum ersten Mal aufatmen zu können. Aber was dann? Harry erlebt im Sommer 98ˋ einige unerwartete Dinge, wie zum Beispiel das Jobangebot der Schulleiterin, oder der Freispruch seines ehemaligen E...