Kapitel SIEBEN

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1. September 98'

Neville war die Aufregung bereits beim Frühstück zu Kopf gestiegen. Nachdem er einmal in seinen Toast gebissen hatte, rannte er schon fast aus der großen Halle. Und ich sah ihn erst wieder, als wir uns, wie verabredet, bei der Abenddämmerung auf dem Hof trafen.
Er starrte gerade auf den See, als ich neben ihn trat.
„Alles klar bei dir?", fragte ich ruhig, um ihn nicht zu erschrecken. Er erschrak trotzdem.
„Eh, Ja klar. Warum nicht?"
Seine Stimme klang eindeutig gebrochen und strotzte nur so vor Nervosität.
„Nur so. Nervös?"
„Nein. Was? Nein. Nicht nervös. Bisschen aufgeregt vielleicht. Aber nicht nervös?"
„Offensichtlich.", grinste ich und er seufzte.
„Na gut. Bist du denn nicht nervös?", fragte er schließlich und sah mich von der Seite an. Er wirkte etwas blass, was aber auch am schwachen Licht der restlichen Sonne liegen konnte. Aber der Gesichtsausdruck sagte eindeutig „bring mich hier weg und nie wieder zurück!".
„Doch. Aber was soll ich schon machen?"
Ich war wirklich nervös. Wenn ich daran dachte vor einer Klasse zu stehen, die auch noch im selben Alter war wie ich, raste mein Herz und wurde gleichzeitig schwer. So wie jetzt. Ich spürte es plötzlich viel deutlicher gegen die Brust schlagen und schlagartig wurden meine Handflächen feucht.
„Keine Ahnung.", murmelte Neville und starrte auf seine Schuhe. Für einen Moment war es still, sodass ich mich erschrak, als er plötzlich aufsah. „Weißt du, Harry. Das ist doch Schwachsinn. Wir haben im Krieg gekämpft. Dagegen ist das hier doch nichts..."
„Ja...", gab ich schmunzelnd zurück. Er hatte recht, aber trotzdem war es irgendwie was anderes. Zumal der Krieg vorbei war und da keine Gefahr mehr drohte... „wir machen das schon.", sagte ich so überzeugend es ging und lächelte leicht.

Wir sollten bereits in der großen Halle sein, bevor dir Schüler in ankamen. Hagrid, der unaufhörlich über irgendwelche Tiere sprach auf der einen und Neville, der nur starr auf sein Glas starrte, auf der anderen Seite. Bereits, als die ersten Schüler eintrafen, hatte ich schon wieder alles vergessen, was Hagrid mir über irgendeinen Drachen von Charlie erzählt hatte. Oder alles über die Katze, die besonders war. Aber warum sie so besonders war, wusste ich nicht mehr.
Langsam füllte sich die Halle mit Schülern aus den verschiedenen Häusern. Erst saßen sie vereinzelt an den langen Tischen, bis sich die Lücken immer mehr füllten. Einige Gesichter kamen mir bekannt vor, aber einige auch nicht. Aber von meinen Freunden war wohl niemand zurückgekehrt. Oder ich sah sie einfach nicht, weil sie am anderen Ende der großen Halle saßen und ich dank meiner Augen nicht mal halb soweit sehen konnte. Ich wusste jetzt schon, dass ich einige Zeit brauchen würde, um mir alle Namen zu merken und dann noch zu den Gesichtern zuordnen zu können. Schlagartig wurde mir bewusst, wie viele Schüler ich unterrichten würde. Nämlich alle. Alle, die gerade in dieser Halle saßen, würden vor mir sitzen und darauf warten, dass ich ihnen etwas beibrachte. Obwohl ich nie gelernt hatte, was ein Lehrer macht. Wie er arbeitete, oder wie man die verdammten Tests erstellte. Mein Herz raste, während ich meinen trockenen Hals mit einem ganzen Glas Wasser beruhigen wollte. Funktionierte nicht.
Aber zu meiner, und auch Nevilles Erleichterung übernahm die Schulleiterin das Wort, begrüßte alle Schüler zum neuen Schuljahr und wies dann darauf hin, dass nun die Zeremonie stattfinden würde.
Es war interessant zu sehen, wie die elfjährigen Kinder durch die große Tür kamen und sich erstaunt umsahen. Ich konnte exakt nachempfinden was sie gerade fühlen mussten, obwohl ich in den letzten Jahren so oft über diesen Boden gegangen war. Und obwohl ich die Decke schon tausende Male gesehen hatte, konnte ich fühlen, wie die Erstklässler verzaubert wurden und aufgeregt hinauf starrten.
Die Zeremonie an sich war ziemlich unspektakulär, bis McGonagall wieder das Wort an die Schüler richtete.
„Wie Sie bereits aus dem Tagespropheten erfahren haben dürften, hat sich in unserem Kollegium etwas geändert. Zum einen wird Mr. Longbottom das Fach Kräuterkunde für Madame Sprout übernehmen. Und Mr. Potter wird zukünftig Verteidigung gegen die dunklen Künste übernehmen."
Noch bevor sie es wirklich ausgesprochen hatte, begann ein mehr oder weniger leises Gemurmel und ein Großteil der Hexen und Zauberer starrten mich an. Als wäre ich es nicht gewohnt....

Als das Fest zu Ende ging, zeigten die Vertrauensschüler den Weg zu den Schlafsälen, während McGonagall nochmal mit mir sprechen wollte. Alle anderen Lehrer verließen bereits die große Halle, als sie mich zur Seite zog und wartete, bis alle außer Hörweite waren.
„Also Mr. Potter..." ich war es zwar gewohnt, dass sie mich siezte, aber trotzdem war es komisch. „Ich habe die Vertrauensschüler angewiesen, dass sie die Erstklässler im Gemeinschaftsraum versammelt halten, bevor sie in die Schlafsäle gehen. Ich empfinde es für wichtig, dass die Kinder wissen an wen sie sich wenden können, falls sie einen Professor brauchen. Gerade jetzt. Alles ist neu und aufregend. Da kann das nicht schaden."
„Also möchten Sie, dass ich mich ihnen nochmal vorstelle jetzt?", fragte ich, obwohl ich genau wusste, dass sie es so wollte. Deshalb machte ich mich direkt auf den Weg in den Gemeinschaftsraum, wobei ich versuchte mir zu überlegen, was ich sagen könnte. Hey, Ich bin Harry, aber das wisst ihr bestimmt... oder ich bin Mr. Potter. Wenn was ist, mein Zimmer ist neben eurem.
Noch bevor ich die große Halle verlassen hatte, beschloss ich das Ganze spontan zu entscheiden, weil eh nichts Anständiges bei rauskommen würde. Egal wie lange ich darüber nachdenken würde.

„Ich nehme mal an, dass ich dich jetzt Professor Potter nennen darf.", ertönte eine vertraute Stimme, als ich gerade die erste Stufe hinauf gehen wollte. Ruckartig drehte ich mich um und sah ihn mit verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt. Er hatte das Wort „Professor" so ausgespuckt, wie es nur ein Malfoy konnte. Sein Blick war wie immer herablassend und hochnäsig. Einfach typisch er.
„Scheint so.", gab ich ruhig zurück und versuchte meine Überraschung nicht zu zeigen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass er zurück ans Schloss kommen würde. Und das auch noch, nachdem die ganze Zauberergemeinschaft wusste, dass ich ein Lehrer sein würde. Sein Lehrer. In mir verkrampfte sich alles, aber mein Wille, keinen Muskel zu verziehen, war stärker.
Einen Moment stand er einfach nur da, musterte mich von oben nach unten und wieder zurück, bis mich die grauen Augen eiskalt trafen. Aber ich drehte mich um und verschwand die Treppe hinauf. Augenblicklich bereute ich die Entscheidung noch tausendmal mehr. Wie schnell konnte ich McGonagall davon überzeugen, dass ich der Falsche war?

Das heiße Wasser tropfte auf meinen Rücken und hinterließ rote Flecken auf meiner Haut. Vielleicht war es ein bisschen heiß, aber vielleicht war es mir egal. Meine Haare klebten an der Stirn und ich hatte das Gefühl, dass die Tropfen, die durch mein Gesicht liefen, meine Haut wegätzten. Aber auch das war mich fast egal. Der Tag war anstrengend gewesen. Nicht diese Anstrengung, wenn Wood drei extra Trainingseinheiten in einen Nachmittag gelegt hatte. Eher so ein wir haben doch nur zwölf Stunden Unterricht gehabt, jetzt können wir noch vier Stunden lernen und einen Aufsatz schreiben anstrengend. Und das, obwohl die Schüler eigentlich ganz cool reagiert hatten. Sie freuten sich. Die meisten jedenfalls. Glücklicherweise hatte ich weder Schüler aus meinem ehemaligen Jahrgang, noch welche aus Ginnys Jahrgang. Zumindest keine, die ich gut kannte. Nur so vom Sehen her, aber das war in Ordnung. Damit würde ich umgehen können. Vermutlich. Und ich hatte bereits einen Einblick in die morgige Stunde. Denn zum Glück hatte ich in meiner aller ersten Unterrichtsstunde die Erstklässler. Gryffindor und Hufflepuff zusammen. Und diese Tatsache bewegte mich dazu aus der Dusche zu steigen und wenigstens etwas beruhigt schlafen zu gehen. Oder mich zumindest ins Bett zu legen und es zu versuchen.

This last Piece of meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt