Wenn ein Erfinder zum Feind wird

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Hammer auf Eisen.

«Möchtest du dich etwa ewig verkriechen?»

Hammer auf Eisen.

«Du machst das jetzt schon seit drei Monaten.»

Noch ein Hammerschlag.

«Tagein, tagaus verkriechst du dich in der Schmiede.»

KLÄNG!

«Manchmal verlässt du das Nest und verkaufst deine Werke.»

Wieder Eisengeklirre.

«Und dann versteckst du dich wieder hinter deiner Maske und sprichst kein Wort.»

Weiterhin wurde er ignoriert.

«Denkst du wirklich, deine Mutter hätte das gewollt, Junge?

Er hörte auf.

Dann ein leises Seufzen. «Was willst du von mir, Níf?»

«Dass du etwas anderes tust, als Trübsal zu blasen, Kleiner.»

«Wie könnte ich nicht, wenn das einzige Gesicht, in das ich schaue, das meiner Mutter ist... Ist sie schon aufgewacht?»

Nun seufzte auch der Mann, der sein Gesicht nie zeigte. «Nein, Hicks. Immer noch nicht. Tut mir leid.»

Schweigen.»

«Nimm die Maske ab. Keine Widerrede.»

Nach kurzem Zögern gehorchte Hicks. Das massive Eis des Drachennestes bildete einen exzellenten Spiegel. Etwas zu exzellent für seinen Geschmack. Er wollte sich nicht sehen.

«Was siehst du im Eis, Junge?»

«Einen Versager», antwortete Hicks ohne Zögern.

«Wieso?», hakte Níf nach, dessen Stimme aus unbekannter Quelle kam.

«Sie hat mich gewarnt... Meine Mutter hat mich gewarnt und jetzt ist sie meinetwegen in diesem Zustand des Dauerschlafs...»

«Die Vergangenheit ist nichts, an dem wir etwas ändern können. Glaube mir, ich habe es versucht.» Ein seltenes Lachen entrang sich der Kehle des Halb-Unbekannten. «Aber eines ist in Stein gemeißelt: Deine Mutter wird überleben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie aufwacht.»

«Gut.»

«Gut? Komm schon, Hicks. Ich bin sicher, du hast selbst höhere Ansprüche an dich, als nur auf das Erwachen deiner Mutter zu warten.»

«Ist mir egal...»

Níf seufzte erneut. «Kleiner, deine Mutter und ich kennen uns schon lange. Sie wird mir den Kopf abreißen, wenn ich dich nicht dazu gebracht habe, etwas anderes zu tun als hier zu sitzen.»

«Was soll ich denn tun?»

«Was würde deine Mutter denn tun?»

«Ich... ich schätze...» Hicks seufzte ebenfalls. «Sie würde helfen. Den Drachen helfen.»

«Und warum tust du es nicht, wenn es ihr nicht möglich ist?»

«Ich... weiß nicht... Ich-»

«habe Angst?», vervollständigte der Mann, der sich nie zeigte.»

Hicks nickte nur und schwieg.

Níf sprach sanft und verständnisvoll: «Angst ist etwas, das alles Menschliche verbindet. Angst, sich an etwas zu binden.» Ohnezahn. «Angst vor Verlust», führte der ältere Mann weiter fort und Hicks dachte an den Leichnam seiner Schwester Maeri. «Angst vor Versagen.» Das Bild seiner schlafenden Mutter. «Aber die Angst selbst ist nichts, wovor man sich fürchten muss.»

Der junge Drachenreiter dachte an den Anblick des Roten Todes. Und an seine Stimme, die ihn in seinen schlimmsten Alpträumen nicht loslassen wollte.

«Wovor du wirklich Angst haben solltest, bist du selbst, wenn du dich davon zu sehr vereinnahmen lässt. Wenn du nicht darauf achtest, was du verloren hast, sondern was du noch verlieren könntest. Stelle dir diesen Hicks vor, der alles verloren hat und dann rufe dir ins Gedächtnis, was du auf jeden Fall beschützen musst, damit du nicht wie er wirst. Was hast du noch?»

«Ohnezahn, meine Mutter und mich selbst.»

«Und die Drachen, Junge», erinnerte ihn Níf. «Erinnere dich stets an jene, die dir ein neues Leben gaben. Gib dich nicht der Angst hin, all das zu verlieren. Kanalisiere und nutze sie, um zu verhindern, was nicht geschehen soll. Stell dich ihr und schöpfe Kraft. Schöpfe, um deinen Geist zu nähren und das Vertrauen in dich selbst zu stärken.»

Hicks sah sich das erste Mal seit Langem wieder wirklich im spiegelnden Eis an.

Sein Gesicht war gar nicht so furchtbar, wie es immer in seinen Träumen aussah. Sicher, er hatte auf der einen Kopfhälfte weniger Haare, aber seine Haut hatte sich über die letzten Monate deutlich beruhigt. Sie war nicht mehr in diesem aggressiven verbrannten Rotton, sondern höchstens ein wenig rosig. Und während seine einzelne Gesichtshälfte einst wie eine Ansammlung Krater aussah, hatten sich die Unebenheiten auf eine geschwungene E-Form zurückgebildet.

Ihm wurde bewusst: Er hatte noch so viel mehr zu verlieren. Er musste sich der Welt stellen.

Sein Blick fiel auf den Gegenstand, der sich auf dem Amboss vor ihm befand. Es war ein Eisenschwert, aber wie all die anderen Waffen, die er in den letzten Monaten hergestellt hatte, war es aus einem besonderen Material, dessen ungewöhnliche Rezeptur Níf ihm beigebracht hatte. Er nannte es „Gronckel-Eisen". Leichter, stärker, beständiger.

Hicks nahm das vor heißem Drachenfeuer noch immer rot glühende Schwert und tauchte es in Eiswasser. Er ließ es zischen, das Wasser brodelte, und als er es wieder herauszog, bot sich ihm eine silbern schimmernde Klinge, die jedoch noch stumpf war und ein wenig Schärfe benötigte.

«Dein bestes Werk bisher, Kleiner», sprach Níf anerkennend. «Was wirst du jetzt damit tun? Auch dieses verkaufen?»

Hicks sah sich um. Hinter ihm waren mehrere Waffenständer, Regale, Schränke und Kisten voll mit Dingen, die er über die letzten Monate mangels anderer Beschäftigung geschaffen hatte. Vor einigen Wochen war er auf ein paar Inseln unterwegs – natürlich nur mit Maske – und hatte einige seiner Kreationen verkauft. Darunter waren ein Speer, eine Doppelaxt, zwei recht gewöhnliche Einhandäxte und einige Schwerter.

Dann griff er in eines der Regale und holte einen Kanister hervor, den er am Knauf des Schwertes befestigte. Dieser enthielt die Spucke eines Riesenhaften Alptraums. Der Plan war, die Klinge auf Knopfdruck mit der Spucke bedecken zu können und damit ein Schwert aus Feuer zu erschaffen.

«Nein», sagte er nun. «Es ist Zeit, all diese Arbeit einem Zweck zuzuführen.» Er setzte sich an einen Schleifstein und begann das Schwert zu schärfen. «Also... wo kann ich Drachen helfen.»

«Berk.»

Das Schleifen stoppte kurz.

Dann fuhr Hicks damit wieder fort.

«Was immer nötig ist», sprach er entschlossen.
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«Häuptling! Ein Schiff der Berserker nähert sich!», meldete ein Berkianer.

Sigurd brummte skeptisch. «Ein einziges Schiff?» Er erhob sich von seinem hölzernen Thron in der Großen Halle und lief langsam auf den Ausgang zu. «Von Dagur hätte ich bei seinem letzten gescheiterten Versuch mehr erwartet.

Der junge Häuptling hatte sich nach inzwischen mehr als einem Dreivierteljahr in seinem neuen Amt verändert. Er trug ein schlichtes, rotes Stoffhemd und blaue Hosen, doch als Zeichen seines Status besaß er nun einen prächtigen weißen Umhang aus seltenem Eisbärenfell. An seiner Hüfte hingen noch immer die beiden Einhandäxte, mit denen er sich den Sieg über Haudrauf erkämpft hatte. Sein schulterlanges Haar trug er in einem kurzen Zopf und sein Bart war auf ein geringes Maß gestutzt.

Der Wintereinbruch würde in anderthalb Monaten gekommen sein und damit würde auch das Eis einsetzen. Vorräte hatten sie genug... gerade so.

Sigurd trug daran keine Schuld. Die Berserker, die gelegentlich gegen Gold auch mal als Hilfe dienten, wandten sich vor zwei Monaten auf Befehl ihres neuen Häuptlings Dagur auf einmal gegen Berk und griffen ihren alten Verbündeten an. Das hätte niemand vorhersehen können. Der junge berkianische Häuptling reagierte sogar ausgesprochen schnell.

Die Berserker hatten mitten in der Nacht angegriffen. Nach dem warnenden Hornstoß war Sigurd der erste, der aus seiner Hütte sprang und sich dem Feind stellte. Bis Verstärkung eintraf, wurde er dabei gesehen, wie er mitten auf der Straße fünf bis an die Zähne bewaffnete Berserker zurückschlug – und das nur mit zwei Äxten und seinem treuen Wolf Schnee an seiner Seite – ohne jegliche Rüstung und ohne einen Kratzer davonzutragen.

Diese Tat sprach sich rasch herum. Bald darauf nannte man ihn den „Wolf von Berk".

Die Berserker drängten sie erfolgreich zurück und es gelang ihnen nicht, Berks Schätze zu erbeuten. Dafür gelangten sie jedoch an eine Menge Vorräte, die sich Berks Bewohner bis heute hart zurückerarbeitet hatten.

Nächtliche Überfälle von Alvins Verbannten, die den neuen Häuptling Berks und seine Verteidigungen testeten, sowie mehrere Drachenangriffe machten es ihnen auch nicht leichter.

Aber Sigurd hatte sich innerhalb kürzester Zeit einen Namen als entschlossener und starker Anführer gemacht. Die Leute von Berk glaubten an ihn.

Er seufzte. Die letzten Monate waren nicht leicht. Und jetzt schickte Dagur schon wieder Schiffe... pardon, ein Schiff. Was auch immer das bezwecken sollte, außer ihm Nerven zu kosten...

Inzwischen war er unten am Hafen angekommen, wo bereits halb Berk zu warten schien. Grobian war sein Stellvertreter, doch als Dorfschmied hatte er bei all dem Tumult der letzten Monate mehr als genug zu tun.

Einer seiner Berater war jedoch anwesend.

«Was denkst du, was das soll?», fragte Sigurd, ohne zur Seite zu schauen.

Der rotbärtige Mann neben ihm war allen Wikingern im Umkreis von zwei Wochen Schiffsreise mehr als bekannt. «Könnte eine Falle sein. Sie könnten uns Frieden und ein Fest vorschlagen, bis sie in der Nacht mit mehr Schiffen zuschlagen, wenn alle nach dem Fest zu erschöpft sind. Eine widerliche Möglichkeit, zu der Oswald nie gegriffen hätte, aber ich weiß nicht, wie sein Sohn einzuschätzen ist», antwortete Haudrauf brummend.

Nach dem Kampf der beiden hatte Sigurd den ehemaligen Häuptling für eine ganze Weile einsperren lassen. Er war labil und unberechenbar und war aufgrund des Verlusts seiner beiden Kinder noch immer völlig am Boden zerstört. Der massive Alkoholkonsum betäubte den Schmerz, doch in seinem Amt als Häuptling schadete er damit nicht nur aktiv sich selbst, sondern aufgrund seines Mangels an Urteilsvermögen auch noch dem ganzen Dorf. Sigurd hatte sich mit Grobian ausgesprochen und sie hielten es beide für das Beste, den armen Mann für einige Zeit von jeglichem Alkohol fernzuhalten.

Es war eine schwere, furchtbare Zeit für den Mann, der erst seine Frau und dann seine beiden Kinder verloren hatte, doch die Zeit allein brachte ihm auch Klarheit.

Nach vielen Wochen im Kerker holte man ihn jedoch wieder raus und Sigurd setzte den ehemaligen Häuptling als Berater ein. Das heißt nicht, dass die beiden ein gutes Verhältnis zueinander hatten, aber Haudrauf hatte Erfahrung und Sigurd war der Häuptling. Beide wollten Berk helfen, also kamen sie miteinander klar.

Seither hatte Haudrauf keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt.

«Sohn?» Eine Stimme von der Seite schreckte Sigurd auf und er sah verwirrt zur Seite. Seine Mutter Ingun stand neben ihm und blickte ihn besorgt an. «Alles in Ordnung? Du hast erst beim dritten Mal reagiert. In Gedanken versunken?»

Sigurd lächelte sanft. «Ich schätze schon...» Seine Miene wurde ernster. «Ich mache mir Sorgen, ob wir alle durch den Winter kriegen.»

Ein nachdenkliches Brummen ging von ihr aus. «Wir müssen irgendwie an mehr Vorräte rankommen, und das schnell. Sag mal, wo ist eigentlich dein Wolf?»

«Auf der Jagd», antwortete er knapp.

Für mehr Gespräche war keine Zeit, denn das einsame Schiff der Berserker lief in den Hafen ein. Taue wurden ausgeworfen, die von einigen Berkianern an den Docks festgemacht wurden, bevor eine Planke vom Schiff gestoßen wurde und ein einzelner Berserker das Gefährt verließ.

«Willkommen auf Berk, auch wenn ich diese Worte eher widerwillig ausspreche», rief Sigurd mürrisch und erhielt zustimmendes Gebrumme. «Was haben du und deine Besatzung hier zu suchen? Sprich schnell und mit Bedacht!»

Der Berserker schritt langsam auf den Häuptling der Berkianer zu. Auf manch einen wirkte das fast bedrohlich. Einige legten eine Hand bereits an die Waffen, jedoch ohne sie zu ziehen. Sigurd hob eine Hand, um seine Leute zurückzuhalten.

Dann ging der Berserker vor ihm auf ein Knie und beugte das Haupt. «Mein Häuptling Dagur sucht Frieden und ein Bündnis.

Kurz herrschte förmlich ohrenbetäubende Stille.

Dann begann Sigurd zu lachen. Haudrauf schaute ebenfalls belustigt drein. Nach und nach stimmten mehr in das Lachen ihres Häuptlings ein. Der Berserker hingegen blieb unten auf seinem Knie.

«Ein Bündnis, sagt er!» Aus Sigurds Lachen wurde schnell eine verärgerte Grimasse. «Erst bricht Dagur alle Verträge der letzten Dekaden, die unter seinem Vater geschlossen wurden, überfällt uns, und dann besitzt er die Frechheit, nicht nur nach Frieden, sondern nach einem Bündnis zu fragen? Falls er es nicht bemerkt haben sollte, die Berserker haben ihre Vertrauenswürdigkeit verwirkt. Du kannst deinem Häuptling also sagen, dass-»

Der Berserker unterbrach ihn: «Deshalb schickt Dagur Geschenke. Und ein Angebot.»

Sigurd und Haudrauf sahen sich gegenseitig stirnrunzelnd an. Und als der Berserker aufblickte, um die Reaktion des jungen Häuptlings wahrnehmen zu können, nickte dieser leicht.

Er hatte es vorher nicht so recht wahrgenommen, aber an der Seite des Botschafters waren nicht nur ein simples Schwert, sondern auch zwei Einhandäxte befestigt, die silbern schimmerten. Als er diese hervorholte und Sigurd präsentierte, erhielt er ein kurzes, verächtliches Schnauben.

«Äxte aus Silber?» Der junge Häuptling war nicht beeindruckt. «Was soll ich damit? Einschmelzen lassen?»

Leises Gelächter.

Die Reaktion des Berserkers fiel jedoch ernsthaft aus. «Ihr könntet es versuchen, doch unser eigener Schmied hat dieses Metall untersucht. Es ist definitiv nicht Silber und es schmilzt auch nicht wie Silber. Die Hitze unserer Esse genügte nicht.»

Sigurd nahm eine dieser Äxte entgegen und studierte sie. Die Schneide war zur Perfektion geschärft und die Waffe war exzellent ausbalanciert. Noch dazu war sie extrem leicht. Es kam ihm vor, als wöge sie gar nichts. Er schwang sie probeweise und erschrak beinahe, wie problemlos sie durch die Luft pfiff.

«Es ist kein Silber», bestätigte er nun misstrauisch. «Dafür ist es zu leicht. Aber ist es als Waffe zu gebrauchen?»

Der Berserker zog sein Schwert. Eine Aktion, die viele Berkianer hochschrecken ließ. Doch statt die Waffe gegen Sigurd zu richten, rammte er die Klinge in die Planken des Hafens und machte einen Schritt zurück. Dann deutete er auf das Schwert. «Überzeugt Euch selbst.»

«Wie, ich soll gegen das Schwert schlagen?» Sigurd war verwirrt.

Doch der Berserker nickte nur. «So fest Ihr könnt. Schneide gegen Schneide.»

Es herrschte Totenstille, während der berkianische Häuptling überlegte, doch schlussendlich zuckte er mit den Schultern. Er holte aus, um die Stärke der Klinge zu testen.

Der erste Schlag war noch zögerlich, doch der Aufprall der beiden Waffen sorgte für einen befriedigenden, satt klirrenden Klang.

Sigurd war positiv überrascht und schlug ein zweites Mal zu, dieses Mal jedoch kräftiger und mit mehr Vertrauen in diese schwach wirkende Waffe.

Dieses Mal war zu hören, wie das Schwert merklich knackte. Verblüfft beugte sich der junge Häuptling herunter zu der Schwertklinge und untersuchte sie. Tatsächlich war ein Splitter herausgebrochen und die Klinge wies bereits einen dünnen Riss im Eisen auf.

Dann begutachtete er erstaunt die Axt. Nur mit viel Mühe konnte er die kleinste Beeinträchtigung einer scharfen Klinge erkennen, die er je gesehen hatte.

Wenn die Axt so geringen Schaden davontrug und so viel zufügte...

Er holte ein drittes Mal aus und steckte seine gesamte Kraft in diesen Schlag. Und als die Klingen ein letztes Mal aufeinandertrafen-

Da brach das Schwert mit einem lauten Klirren entzwei.

Während das Volk von Berk den Mund quasi nicht zubekam, ließ Sigurd geistesabwesend seinen Blick an der Axt auf und ab wandern. Er hatte es gespürt. Das Schwert, das er zerstört hatte, bestand aus solidem, gut geschmiedetem Eisen. Eine Manipulation war unwahrscheinlich.

Und doch wollte er sich ein letztes Mal überzeugen. Er entdeckte einen Holzpfahl neben sich und schlug die Axt wuchtig hinein.

Die Klinge ging tiefer als es jede berkianische Axt je könnte. Ein Raunen ging durch die Hafenluft von Berk.

Sigurd wandte sich mit ernster Miene an den Botschafter der Berserker. «Wir reden in der meinem Haus weiter.»
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«...und jetzt kommt's! Die Kopfgeldjägerin schaffte es tatsächlich, die Schwester unseres Häuptlings aufzuspüren und die Verantwortlichen für ihre Entführung zu töten.»

«Und wie viele genau sollen das gewesen sein?», fragte Sigurd belustigt. Der Mann erzählte eine unglaubliche Geschichte, aber das meiste ordnete er eindeutig Übertreibungen zu. Sie saßen gemeinsam in seinem spärlich möblierten Häuptlingshaus. Er hatte sich dagegen entschieden, das alte von Haudrauf zu übernehmen, sondern ließ sich ein eigenes inmitten des Dorfes bauen, wo er mitten unter seinen Leuten war. Dort saß er allein mit dem Botschafter der Berserker, während langsam die Nacht hereinbrach.

«Mindestens hundertfünfzig!»

«Ach komm, das ist jetzt wirklich Spinnerei.» Der junge Häuptling verdrehte ein wenig die Augen.

«Die Schwester unseres Häuptlings hat es selbst berichtet. Aber sie hat selbstverständlich nicht alle im Alleingang besiegt. Sie hat die Gefangenen befreit, die ihr auch noch geholfen haben.»

«Selbstverständlich... aber hör mal», sprach Sigurd seufzend. «So nett das alles auch klingt, aber mir liegt dafür aktuell kein handfester Beweis vor und all das kommt aus dem Munde eines Mitglieds von einem Stamm, der gerade nicht unbedingt für... freundschaftliches Verhalten und Aufrichtigkeit steht.»

Der Berserker lehnte sich bedacht und mit ernster Miene zurück. «Glaubt mir, das ist nicht nur mir bewusst, sondern auch Dagur. Und deshalb würde ich gern auf das Angebot zurückkommen, von dem ich Euch am Hafen erzählt habe.»

Der junge Häuptling nickte. «Ich erinnere mich. Sprecht.»

Er begann zu erzählen. «Heidrun, die Schwester unseres Häuptlings, wurde auf einer ganz bestimmten Insel festgehalten, die uns bisher noch nicht bekannt war. Sie ist etwa zwei Wochen per Schiff von hier entfernt und anscheinend war sie jahrzehntelang der Stützpunkt der Operationen von Seeräubern und Sklavenhändlern.»

«Und was hat das mit uns zu tun?»

Der Botschafter beugte sich vor. «Denkt nur mal nach. Eine jahrzehntelang unentdeckte Insel voll mit Leuten, die ihren Reichtum nicht verdient haben. Was für Schätze dort liegen müssen...»

«Ich sehe weder, wo wir da ins Spiel kommen, noch wo der Beweis für all das ist.»

Ein Seufzen ging von dem Berserker aus. «Dagur bereut, was er getan hat. So viele Stämme zu überfallen, hat uns mal kurz gutgetan, aber inzwischen sind ihm und auch allen anderen klar, dass das auf lange Sicht nicht gut ausgehen wird. Für keinen von uns. Also starten die Berserker eine Expedition zu dieser Insel.»

Sigurds Augenbraue hob sich. «Wozu? Um euren eigenen Wohlstand zu mehren, ohne den anderen Wikingerstämmen zu schaden?»

«Nein», antwortete der Botschafter und schüttelte den Kopf. «Nichts davon wird an die Berserker gehen. Wir senden gerade Nachricht an alle Wikingerstämme. Alles von diesem Raubzug wird unter den Stämmen aufgeteilt, wovon die Berserker ausgeschlossen werden, als Zeichen, dass wir es mit dem Frieden ernst meinen.»

Interesse war deutlich im Gesicht des jungen Häuptlings zu erkennen, doch er war noch skeptisch. «Und warum sendet ihr Botschafter zu den Stämmen? Ihr könntet es doch allein durchziehen und die Beute dann einfach verteilen, wenn ihr es ehrlich meint, oder nicht?»

Sein Gegenüber lächelte schief. «Würdet Ihr uns denn glauben, wenn wir einfach in Eurem Hafen mit einem Haufen Gold auftauchen und sagen, wir hätten es nicht von anderen Stämmen erbeutet?»

«Wahrscheinlich nicht, nein», entgegnete Sigurd schmunzelnd. «Wahrscheinlich hätten wir angenommen, ihr wollt uns einlullen.»

«Und niemand hätte es Euch verübeln können», fügte der Berserker lachend an, bevor seine Miene bittend wurde. «Nein, der Grund für unsere Nachrichten und Botschafter ist, dass wir Euch bitten, mit uns zu kommen.»

Sigurds Miene verfinsterte sich vor Skepsis. «Ihr wisst hoffentlich, wie verdächtig das klingt, alle Stammesoberhäupter einzuladen, mit euch nach Schätzen zu suchen, auf einer Insel, von der bis vor Kurzem noch niemand etwas wusste?»

«Es ist nicht zwingend notwendig, dass Ihr höchstpersönlich mitkommt», verteidigte sich der Berserker. «Wenn Ihr es wünscht, nur ein kleines Schiff mit wenigen Kriegern. Hauptsache, es ist jemand dabei, dem ihr bedingungslos vertraut, dass er Euch alles bezeugen kann.» Dann seufzte er. «Alle Wikingerstämme haben unsere Kriegserklärungen zu spüren bekommen. Wir wollen, dass so viele wie möglich auch unser Friedensangebot und unsere Ernsthaftigkeit dahinter bemerken. Deshalb brauchen wir viele vertrauenswürdige Männer und Frauen unterschiedlicher Stämme.»

«Ich verstehe...», murmelte Sigurd nachdenklich. «Jedoch bitte ich um ein wenig Bedenkzeit. Unsere Vorräte sind knapp und eigentlich brauche ich jeden einzelnen, um sie vor Wintereinbruch so weit wie möglich noch aufzustocken.»

Der Botschafter beugte kurz das Haupt. «Ich verstehe. Aber die Entscheidung muss schnell fallen, ansonsten-»

«Still!», zischte Sigurd auf einmal und legte einen Zeigefinger über seinen Mund. «Hörst du das auch, Berserker?»

Stirnrunzelnd hörte der Mann genau hin. Er wollte gerade sagen, dass er nichts vernahm, als aus der Ferne auf einmal Drachengebrüll ertönte.

Zum selben Zeitpunkt wurde die Tür zu Sigurds Haus aufgestoßen. Herein sprang sein treuer Wolf Schnee, der einmal kurz bellte. Gleichzeitig wurde in regelmäßigen Abständen ins Horn gestoßen.

«Komm mit, Berserker», grollte Sigurd und zog seine beiden neuen Äxte. «Hilf mir, meine Leute zu verteidigen.» Dann pfiff er Schnee das Kommando zu, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen.
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Der nächtliche Drachenangriff war in vollem Gange, als sich in weiter Ferne ein Nachtschatten näherte. Und auf diesem Nachtschatten saß ein Reiter in komplett schwarzer Montur, inklusive Helm, und einer kleinen Tasche an seiner Seite.

Nach seinem Kampf mit dem Roten Tod hatte er den gewissen Wunsch, nicht mehr verbrannt zu werden. Also hatte er die feuerfesten Schuppen seines Drachen gesammelt, die Ohnezahn eben hin und wieder verlor, und sie zu einer Rüstung zusammengestellt. Da diese Schuppen eine natürliche Härte besaßen, trug er darunter nur noch ein wenig leichtes Leder.

«Auf geht's, mein Freund», murmelte Hicks und erinnerte den Nachtschatten noch einmal: «Und keine Schüsse. Sie sollen nicht mal merken, dass wir hier sind.»

Also flogen sie mitten in den Drachenangriff hinein. Hoch oben in den Himmel ragten dicke Pfähle, auf deren Spitzen große Feuerschalen angebracht waren, um die Drachen selbst im Dunkeln sehen zu können.

«Zuerst müssen wir sie blenden, Kumpel», rief er über den heulenden Wind und das Gebrüll der Drachen und Wikinger hinweg. Dann griff er nach der kleinen Tasche an seiner Seite und holte zwei faustgroße Kugeln heraus. Er stellte das Pedal von der Prothese seines Drachen um und während sie auf einen der Feuerschalenpfähle zuflogen, murmelte er: «Dann wollen wir doch mal sehen, was die Bastelei gebracht hat.»

Dann warf er die erste Kugel gegen den Pfahl. Als sie in Kontakt mit der hölzernen Oberfläche trat, zerbarst sie und setzte den Atem des Großen Überwilden frei, der augenblicklich zu Eis wurde und den Pfahl an der getroffenen Stelle beinahe umschloss.

Der Ruf eines verwirrten Wikingers war deutlich zu hören: «Was zum-»

Doch bevor er seinen Satz vervollständigen konnte, huschten Hicks und Ohnezahn erneut vorbei wie Schatten und die zweite Kugel war geworfen.

Dieses Mal war jedoch nicht Atem eines eisigen Alphadrachen enthalten, sondern ein Gemisch aus Zippergas und Alptraumspucke, das bei Kontakt explodierte. Das vom Eis durchfressene Holz wurde durch die Explosion geradezu zerschmettert.

Die Feuerschale fiel.

«IN DECKUNG!»

«Was ist denn jetzt los?!»

Ein Haus wurde geradezu zerschmettert. Während die Wikinger zerstreut wurden und sich erst wieder aufraffen mussten, konnten angreifende Drachen sich auf das konzentrieren, hinter dem sie die ganze Zeit schon her waren:

Berks Vorräte.

«Die Drachen bekommen, wofür sie hier sind», stellte Hicks nickend fest, als sein Kopf auf einmal herumschnellte. «Da stecken einige in Schwierigkeiten, Kumpel», warnte er nun, stellte das Steuer der Prothese um und kramte wieder in der Tasche, bis er noch etwas gefunden hatte.

Dieses Mal hielt er zwei kurze Stäbe aus Gronckel-Eisen in der Hand, die mit einer kurzen Kette aus dem gleichen Material verbunden waren. Ideal, um bewusstlos zu schlagen.

Sie rauschten nur knapp über dem Boden hinweg, als sie sich einem Wikinger näherten, der einen Hammer hoch über seinem Kopf hielt, um damit einem Nadder den Schädel einzuschlagen. Gerade als er zuschlagen wollte, erhielt er im Flug ein Stück Gronckel-Eisen gegen den Helm.

Ohne den Helm wäre sein Schädel ausgegangen wie ein Hühnerei, doch Hicks war nicht hier, um zu töten, im Gegenteil.

Möglichst niemand sollte heute sterben.

So ging er lediglich zu Boden und sah nicht mehr, wie sich zwei schwarze Gestalten unglaublich schnell entfernten, sondern nur ein paar hübsche Sternchen.

Unterdessen geriet eine Frau mit zwei kleinen Kindern in Hicks' Blickfeld, die gerade vor einem Riesenhaften Alptraum panisch flüchteten. Ein kurzer, schneller Flug nebenher und einen Schlag später drehte sich die Frau verwirrt um, als sie auf einmal den Drachen hinter sich kurzzeitig benommen zusammenbrechen hörte.

Kurz etwas perplex sah sie sich um, doch der Schreck saß tief, als der Alptraum einfach wieder aufstand. Doch er fiel nicht wie erwartet über sie her, sondern sah sich kurz verunsichert um und flog dann benommen von dannen.

Ein ähnliches Szenario spielte sich einige Flugsekunden weiter ab, als ein Wikinger langsam, aber sicher den Kampf gegen einen Gronckel verlor. Soeben verlor er durch einen Lavabrocken seine Axt, die ihm aus der Hand geschossen wurde. Vor Panik stolperte er nur nach hinten und hielt sich bereits den Arm über die Augen.

Seine Rettung nahte, als Hicks seine Schlagwaffe bereit hielt, doch wurde der Wikinger nicht durch Hicks gerettet.

Der junge Drachenreiter drehte erschrocken ab, als etwas großes, Weißes aus dem Nichts angeschossen kam und den Gronckel zur Seite rammte, sodass der Drache vor Schreck abdrehte und den am Boden liegenden Mann in Ruhe ließ.

Ein kurzer Blick nach hinten verriet Hicks, wer ihm soeben seine Arbeit abgenommen hatte, und er traute seinen Augen kaum.

Es war Schnee, der treue Jagdwolf seiner Schwester.

Und überraschenderweise stellte der intelligente Wolf Blickkontakt zu ihm und seinem Nachtschatten her.

Und dann sah Hicks hinter dem Tier noch eine weitere Überraschung.

«Gut gemacht, Großer», lobte Sigurd und lief schnellen Schrittes weiter, während er Kommandos brüllte. Bellend folgte Schnee wieder dem jungen Häuptling.

Hicks sah den beiden mit gemischten Gefühlen hinterher, doch er hatte keine Zeit. «Es gibt noch ein paar, die unsere Hilfe brauchen, Kleiner», redete er auf Ohnezahn ein. «Auf zur Arena!»

Der kurze Weg dahin war genug, dass er sich einmal umsehen konnte. Aufgrund der einen fehlenden Feuerschale war es dunkler als bei jedem anderen Drachenangriff zuvor. Dadurch konnten weniger Drachen vom Himmel geschossen werden als sonst und die Drachen selbst hatten mehr Zeit, sich auf ihre Ziele zu konzentrieren. Außerdem hatte er bereits einige Leben gerettet, sogar von Menschen. Es fühlte sich zumindest nicht schlecht an.

Nun waren sie bei der Arena, die von zwei Kriegern konsequent bewacht wurde, einer auf jeder Seite des Tors. Er tätschelte seinem geschuppten Freund den Kopf, als er seine Prothese aus der Schwanzsteuerung zog und sich vorsichtig und zum Absprung bereit auf den Sattel hockte.

Einer der Wachen schien irgendetwas komisch vorzukommen, als hätte er vor sich etwas gesehen und kniff kurz die Augen zusammen, doch da passierte es schon. Ohnezahn hatte einen der beiden Wikinger angesteuert, während Hicks absprang, um den zweiten mit seiner Schlagwaffe bewusstlos zu schlagen.

So lagen beide kaum einen Augenblick später flach auf dem Boden, der eine von einem schwarzen Drachen umgerempelt und noch die steinerne Schräge nach unten rollend, bis er sich seinen Kopf am eisernen Tor stieß, und der andere durch einen kleinen, eisernen Stab gegen seinen Helm.

Die beiden Gefährten dachten nicht einmal daran, anzuhalten. Hicks wusste, dass er nicht den Hebel umlegen konnte, sonst hätte man später gewusst, dass ein Mensch diese Drachen befreit hatte. Und Ohnezahn durfte auch kein Plasma speien. Das hätte jemand hören können. Stattdessen bediente er sich einer weiteren Eisbombe aus der Tasche und warf sie gegen das eiserne Gatter.

Das Eis durchfraß das kalte Metall augenblicklich und man konnte es bereits gefährlich knacken hören, als Ohnezahn sich mit einem beherzten Sprung dagegen rammte.

Das durch die kleine Bombe fragil gewordene Eisen gab nach, wenn auch nur nach dem zweiten Anlauf, und der Nachtschatten sprang durch das große, ins Metall gesprengte Loch.

Als er drinnen war, begutachtete Hicks die Tore zu den Drachenbuchten, die nur von einem sehr dicken und sehr schweren Stück Holz verschlossen wurden, das man auch nicht einfach mal so anheben oder durchtrennen konnte.

Er warf eine weitere Bombe mit Zippergas und Alptrauspucke, die neben einer darauffolgenden Explosion auch noch das Holz entzündete. Hicks wusste, das Holz würde langsam verbrennen und zu deutlich instabilerer Kohle werden, welche der eingesperrte Drache auch ganz einfach von innen durch simples Dagegenstemmen zerstören konnte. Und sobald der Drache frei wäre, könnte er auch die anderen befreien.

Hicks nickte zufrieden, strich Ohnezahn kurz über den Kopf und die beiden verließen die Arena wieder. Ihre Arbeit hier war getan, doch im Dorf selbst konnten sie noch helfen.
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«Haltet sie von den Vorräten fern!», brüllte Sigurd. «Um jeden Preis!»

Um ihn herum tobte das Chaos. Der Fall der Feuerschale hatte eine Zeit lang alle Kapazitäten zur Feuerlöschung gebraucht. Und während verzweifelt diese Masse an Feuer zu ersticken versucht wurde, hatten die Drachen bereits jedes dritte Haus angezündet.

Inzwischen war die Bekämpfung der Drachen in den Hintergrund gerückt und es wurde fast ausschließlich Schadensbegrenzung betrieben. Dazu gehörte eben, die Drachen wegzulocken an Stellen, die leichter zu verteidigen waren und an denen das Feuer keinen Schaden anrichten konnten. Vor allem offene Flächen bei den Yakweiden, wobei die Yaks selbstverständlich längst in Sicherheit gebracht wurden.

Ein riesiges Problem war jedoch, dass die Flugbahnen der Drachen nur noch in einem Teil des Dorfes wirklich nachvollziehbar waren, denn insgesamt hatten sie zwei Feuerschalen, wovon die eine zerstört wurde.

Der einzige wirkliche Erfolg bisher war, dass sie die Bestien erfolgreich von ihren Lagerhäusern fernhalten konnten. Davon besaßen sie drei. Eins am Hafen, das jedoch von den Katapulten gut geschützt wurde. Ein weiteres im noch erhellten Gebiet, bei dem Drachen früh gesehen werden konnten. Also auch gut geschützt.

Und ein letztes im verdunkelten Bereich der gefallenen Feuerschale. Aber zum Glück war dort inzwischen alles ruhig, denn von dort wurden alle Drachen weggelockt.

Oder doch nicht.

Eine Explosion aus dem verdunkelten Gebiet ertönte und Sigurd riss seinen Kopf herum. Von einer ganz bestimmten Stelle stieg Rauch auf. Das Lagerhaus.

«Nein», hauchte er und wurde dann zornig lauter: «NEIN!»

Er brach sofort in einen Sprint aus und sein treuer Jagdwolf Schnee folgte ihm nicht nur, sondern rannte ihm voraus.

Mit hilflosem Schrecken musste er ansehen, wie viele Drachen von den gelagerten Nahrungsmitteln angelockt wurden, die sie unter größtem Aufwand vorher extra aus dem Gebiet vertrieben hatten.

Ihm wurde klar, dass er zu spät sein würde.

Und so war es dann auch. Als er ankam, sah er zuerst, wie Schnee an einem der drei dort liegenden Wikinger schnupperte. Sichtbar war jedoch, dass alle drei noch atmeten.

Aber das war auch die einzige gute Nachricht. Der junge Häuptling ging langsam in das Lagerhaus und sah sich mit wachsendem Zorn um.

Weg. Alles war weg. Fort. Gestohlen.

Ein Drittel von Berks Vorräten, geraubt vor seiner Nase.

Er trat wutentbrannt wieder nach draußen und rüttelte einen der drei Wikinger wach. «Wie ist das passiert?», zischte er mit funkelnden Augen.

Der arme Mann wachte erst auf und wurde vom wutverzerrten Gesicht seines Häuptlings begrüßt, das ihm sofort die Benommenheit aus dem Verstand trieb. «Ich- ich weiß es nicht, mein Häuptling! Es war so dunkel... ich habe nur etwas vorbeihuschen sehen, dann kriege ich was auf den Kopf und alles war schwarz!»

Mit geballten Fäusten stand Sigurd wieder auf und sah sich um. Die Drachen zogen ab. Der Angriff war vorbei.

Aber zu einem furchtbaren Preis. Denn mit so wenigen Vorräten würden sie eine Hungersnot leiden und es würden noch zwei Drachenangriffe kommen, bis der Winter einbrechen würde.

So viele Vorräte konnten sie in der kurzen Zeit nie im Leben sammeln. Viele würden sterben.

Inzwischen waren auch die restlichen Berkianer herbeigekommen, denn es gab keine Drachen mehr zu bekämpfen und auch sie wollten sehen, was das für eine Explosion war.

Eines hatten sie alle gemeinsam: Jeder einzelne von ihnen war besorgt.

Auch der Berserker war da, und das mit der gesamten Mannschaft seines Schiffes, die alle Berks Verteidigung unterstützt hatten.

«Botschafter», rief Sigurd mit einer finsteren Miene. «Es scheint, als müsste ich dein Angebot annehmen. Wir brauchen Vorräte, koste es, was es wolle.»

Verblüfft verneigte der Berserker sich kurz, während Getuschel unter den Berkianern laut wurde.

«Ich weiß, was ihr alle denkt», rief der junge Häuptling erneut in die Menge. «Die Berserker haben uns verraten und jahrzehntealte Verträge gebrochen. Wieso sollten wir ihnen trauen?» Von den Berkianern kam unsicheres, aber zustimmendes Gemurmel. «Die unbefriedigende Antwort ist: Weil wir keine Wahl haben. Wenn wir nichts tun und hier bleiben, werden viele einen elenden Tod sterben und verhungern. Die Berserker sagen, sie hätten eine Möglichkeit gefunden, wie wir an Gold und somit auch an Vorräte kommen. Entweder sie lügen und alle, die mitgehen, sterben, oder sie lügen nicht und wir werden alle leben.»

Er sah in viele Gesichter, die über seine Worte nachzudenken schienen. Es war gut, dass seine Stimme einen solchen Einfluss hatte.

«Haudrauf, ich will, dass du dir zwei Schiffe mit je zwei Dutzend Freiwilligen suchst und mit den Berserkern segelst. Meine Pflichten sind hier auf Berk. Ich sorge dafür, dass das Dorf noch steht, wenn ihr zurückkehrt.»

«Und ich werde auch mitkommen», rief eine Stimme aus der Menge, die sich schnell als Astrid, seine eigene Schwester, herausstellte. Sie lächelte und zwinkerte ihm zu. «Niemand soll sagen, der Häuptling von Berk würde nichts riskieren.»

Sigurd lächelte zurück und nickte. Natürlich machte er sich Sorgen um seine Schwester. Aber sie hatte recht. Er durfte nicht als jemand dastehen, der einfach andere alles für sich machen ließ und selbst nichts auf's Spiel setzte. «Dann soll es so sein. Alle, die Haudrauf und Astrid begleiten wollen: Ihr werdet am Mittag abreisen. Packt eure Sachen und verabschiedet euch von euren Familien. Und dann betet zu den Göttern.»
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Hicks sah zurück zu dem rauchenden Dorf, gegen das zu kämpfen er soeben geholfen hatte. Und dessen Vorräte er geraubt hatte.

Er wusste nicht, wie viele Vorräte Berk noch hatte und ob er womöglich eine Hungersnot ausgelöst hatte, aber er wusste auch, dass er nicht einfach zusehen konnte, wie sich Menschen und Drachen abschlachteten und dann auch noch der furchterregende Rote Tod weitere Drachen aß, die nicht genug Essen brachten.

So starben zumindest weniger. Nicht, dass es irgendjemandem auffallen würde. Alles, was beide Seiten des Krieges kannten, war der Tod. Und dem gegenüber waren sie so abgestumpft, dass er quasi zum Alltag gehörte. Es würde ihnen gar nicht auffallen, dass er mal nicht allgegenwärtig war.

Doch für ihn, den Außenstehenden, der beide Seiten des Krieges und seine Auswirkungen gesehen und am eigenen Leib erfahren hatte, war klar, dass der Tod nicht allgegenwärtig erscheinen durfte.

Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem seine Schwester starb. Und an den, als sich seine Mutter für ihn in tödliche Gefahr begab.

Der Schmerz über den Verlust von beiden saß noch immer tief, auch wenn er bei seiner Mutter wahrscheinlich nur vorübergehend war. Und dennoch war klar: Niemand sollte durchmachen, was Hicks erlebt hatte.

Und deshalb musste er derjenige sein, der sich dem Tod in den Weg stellte.

Unterschwellig wurde ihm langsam klar, was er da vorhin getan hatte: Er griff sein eigenes Volk an. Sein eigenes Dorf. Und er wusste, dass er damit nicht aufhören könnte, denn der Krieg zwischen Menschen und Drachen würde so bald nicht enden. Irgendjemand musste etwas tun.

Er musste der sein, der sie voreinander beschützte.
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Aber ernsthaft, ein kleines Hicks-Kapitel musste auch mal wieder sein. Er kann ja nicht die ganze Zeit untätig sein, in der Ecke schmollen, dass Mama im Koma liegt und Schwesterchen tot ist und mit Drachen knuddeln.

I mean... er könnte, aber wie spannend wäre das schon? :p

Oh und hoppala... die Berserker wollen jetzt an das Gold und das Futter, das auf der Insel der Sklavenhalter ist? Aber leben da jetzt nicht gerade die ehemaligen Gefangenen, die sich davon vielleicht eher ungern trennen würden? :) Ja hupsi?

Wenn das mal nicht noch ordentlich Stress gibt...

Gut, jetzt hab ich aber auch wieder genug Nonsens von mir gegeben und überlasse euch wieder den süßen, süßen Qualen des Wartens :p

LG Haldinaste ;)

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 24, 2021 ⏰

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