02.09.2018

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Viel zu früh klingelte der Wecker und holte mich so in die Realität. Ich hatte gar keine Lust, also so wirklich gar keine. Der offene Koffer auf dem Boden verpasste mir dann auch gleich den ersten Schlag ins Gesicht, heute war ja Abreisetag. Müde quälte ich mich aus dem Bett und versuchte mich im Bad wenigstens etwas präsentabel herzurichten. Ob es mir gelungen ist? Naja, so einigermaßen zumindest. Auch wenn es noch sehr früh am Morgen war, hatte ich dennoch Hoffnung, sie  noch einmal zu sehen. Auf dem Weg zum Restaurant, in dem meine Mutter und ich noch das letzte Frühstück einnehmen sollten, hielt ich ununterbrochen nach ihr  Ausschau. Doch vergebens, sie  war nirgends zu entdecken. 

Eigentlich noch zu müde, um mich um mein inneres Gefühlschaos zu kümmern, setzte ich mich an den Tisch und versuchte wenigstens ein bisschen zu essen. Doch es war mir erstens zu früh und zweitens wollte ich auch gar nichts essen, weil es mir nicht danach war. Ich wollte sie  sehen und so trotzig, wie es auch klingt, genauso habe ich mich auch verhalten. Ich war total abweisend und gab nur einsilbige Antworten. Mich wunderte es wirklich, dass meine Mutter noch nicht durchgedreht war. Ich verhielt mich wirklich blöd, aber so leicht, wie ich das sagen konnte, konnte ich es leider nicht abstellen. 

Nachdem wir dann noch ein letztes Mal unten im Bad waren und uns fertiggemacht hatten, war dann auch der Zeitpunkt gekommen, das Schiff zu verlassen. Allerdings hatten nicht nur wir uns diesen Zeitpunkt rausgesucht, sodass das gesamte Sonnendeck ein reines Gedränge und Getümmel war. So beschloss ich kurzerhand noch eine Instagram Story zu machen und sie  zu markieren, weil ich sie  ja nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Bis meine Mutter und ich das Schiff wirklich verlassen konnten, würde noch etwas Zeit vergehen, dafür sorgten die Menschen vor uns. 

Die Story war erstellt, jetzt hieß es also geduldig warten, bis wir unsere Koffer in Empfang nehmen und dann endlich das Schiff verlassen konnten. Einerseits wollte ich hier auf gar keinen Fall weg, aber die ganzen Menschen um mich herum machten es mir leichter, diesen Ort zu verlassen. Ich wollte ja auch gar nicht an diesem Ort bleiben, eigentlich wollte ich nur bei ihr  sein... Endlich waren wir an der Reihe, schnappten uns unsere Koffer und liefen über eine kleine Brücke vom Sonnendeck an Land. Erleichtert atmete ich auf, weil ich wieder Platz um mich herum hatte und nicht mehr zur Seite geschoben wurde. 

Wehmütig blickte ich ein letztes Mal während dem Laufen aufs Schiff zurück. Hätte mir jemand vor einer Woche gesagt, dass in der kommenden Woche so viel passieren würde, dann hätte ich demjenigen einen Vogel gezeigt. Doch diese einzige Woche stellte mein komplettes Leben auf den Kopf. Ich war ein anderer Mensch und wenn man mir es äußerlich vielleicht nicht ansah, innerlich hatte ich mich jedoch total verändert. Ich schenkte dem Schiff noch einmal ein trauriges Lächeln, dachte noch einmal an ihr  Gesicht und schaute dann wieder nach vorne. Stolz und kummervoll zugleich reckte ich mein Kinn in die Höhe und ließ das Schiff, sie  und auch einen kleinen Teil meines Herzens zurück und machte mich auf den Weg in ein neues Leben. 

Wer bin ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt