Heute stand wieder vormittags ein Ausflug an, das bedeutete, wir mussten wieder sehr früh (für meine Verhältnisse) aufstehen und frühstücken gehen. Mit einem gequältem Gesichtsausdruck stand ich aus dem warmen, kuschligen Bett auf und begab mich in das kalte Bad. Die kalten Fliesen machten es nicht besser. Genervt und missmutig starrte ich mich im Spiegel an, bevor ich mich doch anfing fertigzumachen, damit wir 20 Minuten später im Restaurant saßen.
Nach dem Frühstück gingen wir direkt zum Bus, der uns heute in die Stadt Gent fahren sollte. Wir hörten brav zu, als es darum ging, wann wir wieder wo sein mussten. Eigentlich wollte ich nur noch so schnell es geht aus diesem Bus raus, da mich diese ganzen Menschen hier drin echt aufregten. Ich hatte genug von den ganzen dummen Aussagen und hatte Angst, meine Gehirnzellen zu verlieren.Endlich in der Stadt angekommen, gingen meine Mutter und ich erstmal in die entgegengesetzte Richtung wie alle anderen und hatten so in null Komma nichts unsere Ruhe. Gemütlich schlenderten wir durch die Innenstadt, machten Fotos und schauten uns in den verschiedenen Souvenirläden um. Es gab echt schöne Sachen dort, was dazu führte, dass meine Mutter und ich ziemlich viele Souvenirs für Freunde und Bekannte kauften. Nach etwa einer Stunde machten wir eine kurze Pause an einem kleinen Fluss, der durch die Stadt führte, und unterhielten uns über die Leute an Board. Sofort dachte ich an sie, musste aber meine Gedanken wieder verwerfen, damit es nicht zu auffällig wurde. Gedankenverloren starrte ich aufs Wasser, bis meine Mutter nicht mehr redete und mich auffordernd anstarrte. "Sorry, hast du was gesagt?" Entschuldigend blickte ich meine Mutter an und versuchte auch so zu klingen, auch wenn ich gerade eher genervt war, weil ich eigentlich nur Zeit und Ruhe zum Nachdenken brauchte. Seufzend atmete meine Mutter auf "Ja, ich hatte dich gerade gefragt, ob du dir schon Gedanken über den Geburtstag von Hannah gemacht hast? Ach Schatz... was ist denn bloß los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht..." Ich hätte sehr große Lust zu antworten "Wie bin ich denn? Was ist denn anders an mir?" Aber dazu fehlte mir der Mut. Stattdessen meinte ich ehrlich "Nein, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Hast du dir schon Gedanken gemacht?" und hatte so für weitere drei Minuten meine Ruhe.
Ich weiß ja, dass meine Mutter nichts dafür konnte, dass momentan so ein Gefühlschaos bei mir herrschte, aber ich konnte mich manchmal echt nicht zurückhalten. Eigentlich wollte ich doch nur genügend Zeit für mich, um in Ruhe über meine Gefühle und über meine eventuellen nächsten Schritte nachzudenken. Ich wollte meine Mutter auch nicht anschnauzen, wenn ich innerlich vor Eifersucht nur so brodelte, weil sie sich mit dem Sohn der Familie unterhielt oder Zeit mit jemand anderem verbrachte. Verdammt, ja ich war so eifersüchtig, so sehr, dass ich mich selbst kaum wieder erkannte. Es war einfach nur so unglaublich schwer nach außen hin immer noch die gleiche Person zu spielen und glücklich zu wirken, auch wenn mir eigentlich zum Heulen zumute war. Es belastete mich außerdem sehr, dass ich nicht mit meiner Mutter über meine Gefühle reden konnte - nicht, dass sie nicht die nötige Akzeptanz besaß, nein, ich hatte wie eine innere Blockade. Ich wüsste einfach keinen richtigen Zeitpunkt es anzusprechen. Und selbst wenn sie es wusste, was sollte sie ändern? Deswegen wurden meine Gefühle ja auch nicht erwidert! Ich war mir 100% sicher, dass ich meiner Mutter irgendwann mal davon erzählen würde und dass irgendwann mal relativ bald sein würde. Aber genauso 100%-ig sicher war ich mir, dass es auf gar keinen Fall noch auf dem Schiff passieren würde.
Gent war sehr schön zum Erkunden und bot viele Gelegenheiten für Fotos, aber trotzdem mussten wir uns relativ bald schon wieder auf den Weg machen, damit wir rechtzeitig zum Bus kamen. Als wir an der ausgemachten Stelle ankamen, stand der Bus schon da und wir stiegen ein. Müde vom vielen Laufen lehnte ich mich auf der Rückfahrt zum Schiff an die Scheibe an und machte ein wenig die Augen zu. Pünktlich zum Mittagessen waren wir wieder an Board und stürzten uns auf das Buffet. Während des Essens konnte ich es einfach nicht lassen und schrieb ihr eine Nachricht. Obwohl sie genauso wie wir den ganzen Tag auf dem Schiff war und im gleichen Bereich aß, liefen wir uns nicht so häufig über den Weg. Um meine Sehnsucht nach ihr zu stillen, schrieb ich eben Nachrichten. Umso mehr freute ich mich dann über Antworten, die mich wahrscheinlich wie die größte Idiotin vor dem Handy zum blödesten Grinsen brachten.
Am Nachmittag liefen wir schon wieder aus dem Hafen aus, aber davor ließ ich mich von ihr inspirieren. Wenn meine Gedanken mal wieder komplett abdrifteten, ging ich öfters mal auf ihr Instagram Profil und schaute mir dort die Bilder oder Stories an. Manchmal schaute ich mir die Story auch öfters an, keine Ahnung was ich mir davon erhoffte. Auf jeden Fall fande ich ihre Story so schön, dass ich kurzerhand beschloss, ebenfalls so eine STory zu machen. Deswegen gingen meine Mutter und ich nach einer Pause nach dem Mittagessen nach oben aufs Sonnendeck. Dort stellten wir uns an die Reling und filmten die Umgebung. Nach mehreren Versuchen war ich endlich mit dem Ergebnis zufrieden, was daran lag, dass sie mir auf Instagram folgte und so auch meine Stories anschaute. Stolz postete ich das Video auf Instagram, und hoffte, dass sie es sich schnellstmöglich anschaute. Was genau ich mir selber davon versprach, konnte ich mir selber nicht beantworten. Jedes Mal, wenn ich mir eine Frage zu beantworten versuchte, stellten sich mir drei weitere Fragen. Und bei diesen Fragen konnte mir kein Mensch helfen - außer mir selber.
Nach dem Ablegen zog es meine Mutter und mich wieder in die Lounge, in der wir wieder Karten spielten oder lasen. Ein sehr entspannter Nachmittag also, wenn meine Gedanken nicht wären. Ich hatte sie oben auf dem Sonnendeck Üben gesehen; sie kann sehr gut mit einem Hula Hoop Reifen umgehen und auch in gewisser Weise tanzen. Ich musste mich ziemlich zusammenreißen, nicht zu auffällig zu starren. Ehrlich gesagt wunderte es mich, dass weder sie, noch meine Mutter noch jemand anderes, ein Passagier, etwas gesagt hat. Mittlerweile dürfte es mir eigentlich auf die Stirn geschrieben stehen, aber keine meinte bisher etwas. Das letzte was ich wollte, war, dass sie genervt von mir war. Ich meine, wir hatten eigentlich keinen richtigen Kontakt, aber wenn ich diesen auch noch verlieren würde, wüsste ich nicht, wie ich darauf reagieren würde.
Für das Abendessen zogen meine Mutter und dann ich uns nochmal um und gingen dann frisch gemacht wieder in das Restaurant. Bisher hatte ich einmal den Moment, in dem sie sich an einen Nebentisch von uns setzte und mir sofort warm ums Herz wurde. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie sich zu uns an den Tisch setzen würde.
Nach einem langen und sehr leckeren Abendessen schlenderten wir in die Lounge zurück. Sie stand wieder hinter ihrem Pult und konzentrierte sich auf den Computer. Ich bewunderte ihre langen Haare, die immer perfekt aussahen. Ich dagegen bekam es noch nicht einmal auf die Reihe, dass sie nach zwei Tagen nicht wieder komplett fettig waren. Leider kam sie auch diesen Abend nicht zu uns, dafür hatten wir die Ehre gehirnzellenvernichtenden Gesprächen zuzuhören. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um meine noch vorhandenen Gehirnzellen, da ich diese noch für die Schule bräuchte. Es kamen solche sehr schlauen Sprüche wie „Ja... ja... die Zeit vergeht und wir werden alt dabei!" Etwas angenervt beschlossen meine Mutter und ich relativ früh in unsere Kabine zu gehen. Ich dachte schon die ganze Zeit nach, welche Nachricht ich ihr schreiben könnte, ohne dass es zu auffällig wird oder dass ich auffliege. Und dann hatte ich es gefunden: am ersten Abend hatte ich ihr ja berichtet, dass ich einen Musikwunsch abgegeben hatte und sie wusste auch gleich welchen. Aber danach hatte ich nochmal einen abgegeben und sie wusste es irgendwoher. Also fragte ich sie, woher sie das wusste.
Theoretisch hätte ich jetzt glücklich sein müssen, da mir ein gutes Thema für eine weitere Nachricht eingefallen war. Aber ich war irgendwie richtig traurig. Ich lag schon im Bett, als sich meine Mutter ebenfalls hinlegte und das Licht zum Schlafen ausknipste. Ich wollte auch schlafen, aber ich konnte es beim besten Willen nicht. Diese Situation machte mich so fertig, dass ich anfing zu weinen. Natürlich leise und darauf bedacht, meine Mutter nicht zu wecken. Ich presste mir die Hand vor den Mund, um meine aufkommenden Schluchzer zu unterdrücken. Die Tränen rannen mir über die Wangen und tropften auf von meinem Kinn auf mein Brustkorb. Entschlossen drehte ich mich, nachdem ich mich beruhigt hatte, von meiner Sitz Postion auf die Seite und beschloss, dass ich mich ab morgen nicht mehr so fertig machen ließe...
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Wer bin ich?
Teen FictionMaria. Auf den ersten Blick ein 15-jähriges Mädchen. Das denkt sie auch, bevor sie in den Urlaub fährt und sie kennenlernt. Denn sie wird Marias ganzes Leben verändern...