Verfluchte Wege

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Grau. So nehme ich den Himmel wahr. Leer, langweilig und betrübt. Scheinbar was meine Gefühle gerade ausdrücken und sehen. Ich wollte es nicht wahrhaben, nicht begreifen, dass ich gegenüber Legolas so fühle. Doch jetzt trifft sie mich bis ins Mark. Warum mir diese Erkenntnis nur erst jetzt kam...

Wenn jetzt jemand mein Zimmer betreten würde, würde ich, nach meinen Gefühlen zu urteilen, wie eine leere Hülle, nur physisch anwesend, wirken. Doch tief in mir dreht sich alles. Meine Gedanken rattern und überlegen, was ich tun werde, kann oder sollte. Ich kann nur eins mit Sicherheit sagen. Dass ich Angst habe. Angst, wie es mit Legolas weitergehen wird. Angst, dass ich ihn verliere, entweder auf unserer Reise, oder durch ein Geständnis meinerseits. Mein Problem ist, dass ich noch nie so gefühlt hatte. Zu lieben. Ich wusste, wie schmerzhaft sie sein kann, denn bei dem Tod meiner Mutter durchlebte ich die Hölle, obwohl ich jung und unreif war, noch nicht im Begriff, solche Dinge zu verstehen. Ich habe es früher nicht so gut verstanden, doch ich habe gespürt, dass mir etwas fehlt. Und genauso fühle ich wieder. Ohne ihn... fühle ich mich verloren, ja, irgendwie einsam und vor allem im Moment so... schwach. Auch wenn ich mir körperliche Stärke antrainiert haben mag, ist meine geistige dahin. Ich könnte gerade nichts gegen einen Feind ausrichten. Ich seufze, denn meine Angst lähmt mich, vor Unwissenheit und Selbstzweifel. Ich kann nicht davon ausgehen, ja, das wäre Träumen, wenn ich glaubte, dass Legolas meine Gefühle erwiderte. Ich bin doch nur Liviel, nur Livi, ein einfaches Mädchen aus Lichttal, das außer ihrem Rang keine Besonderheiten hat.

Ich erhebe mich langsam von meinem Bett und gleite zu dem hochkant, langen aufgestellten Spiegel. Dort betrachte ich mein Äußeres genauer. Wie immer, nur in noch zerrissener, was selbst mein Aussehen verändert hat. Meine sonst goldblonden, leicht gewellten langen Haare liegen stumpf und glatt über meinen Schultern und erreichen meine Hüftknochen. Erst jetzt sehe ich, wie ausgemergelt ich bin. Schon immer war meine Figur schlank, doch durch das Reisen muss ich viel an Gewicht verloren haben, sodass man nun die Knochen an meiner Hüfte, sowie einige Rippen hervorstechen sieht. Und auch mein Gesicht hat jeden Ausdruck verloren, die weißen Augen, die vorher strahlten, blicken mich nur ganz schwach aufleuchtend an. Was sollte da ein Mann an mir lieben? Legolas im Gegensatz... Hat solch eine Ausstrahlung, ist selbstbewusst, gewitzt, liebevoll und freundlich. Und natürlich der Prinz von Düsterwald. Ich vermute, dass viele Elbinnen ihm hinterherschwärmen, und zudem erzählte er ja von einem bestimmten Mädchen... Ich werde nie eine Chance bei ihm haben.

Lustlos und nicht wirklich darauf fokussiert mache ich mich langsam frisch und wechsle die Kleidung, mache meine Haare und wasche das Gesicht. Ich habe mal wieder eine Kombination von Kleidung gewählt, welche zum Training geeignet ist, diesmal doch in den Farben meiner Stimmung. Schlicht grau, nur verschiedene Nuancen und dazu schwarze Stiefel. Meine Haare sind hochgebunden, um beim Schießen nicht im Weg zu sein. Denn jetzt wird es langsam Zeit, zum Treffen mit meinem Vater zu kommen und zu lernen- und natürlich zu üben. Innerlich merke ich, dass ich mich dazu gerade nicht in der Lage fühle, aber ich tue, wie mir befohlen wird. Also packe ich die wichtigsten Sachen und begebe mich auf den Weg zurück. Den Teppich anheben, die Bodentür öffnen und die Treppe hinunter. Je näher ich zum Gang mit den Gästezimmern komme, desto schenller und nervöser werde ich, denn ich möchte Legolas gerade wirklich nicht begegnen, in dem Zustand, wie ich bin. Mit unruhigen Händen verschließe ich das Buchregal und husche durch den Gang wie ein Schatten. Glücklicherweise bin ich niemandem begegnet.

Doch als ich unten um eine Ecke laufe, stoße ich plötzlich mit jemandem zusammen und fahre erschrocken zusammen. Peinlich berührt hebe ich meinen Blick nach oben- und sehe Legolas. Nein- oh bei den Valar, bitte- lasst mich im Erdboden versinken. Ich atme tief durch, setzte ein schmales Lächeln auf, nicke und will schnell vorbeigehen, als mich ein Arm stoppt. Verwundert blicke ich wieder zu ihm. Sein Gesicht ist wie meines, er wirkt mitgenommen und müde, aber am meisten besorgt. "Liviel... bist- geht es dir gut?", flüstert er und schaut sich ängstlich um. "Ja, nein, ja- es passt. Keine Sorge.", bringe ich leicht krächzend heraus. Im nächsten Moment bin in einer innigen Umarmung drin. "Oh ich habe dich so vermisst.", meint er leise, dass ich es kaum höre. "Ich darf dich eigentlich nicht sehen. Aber bitte, ich muss dich treffen, später. Bitte, ja?", fleht er. Ich nicke, diesmal mit einem richtigen Lächeln. "Ja... natürlich. Mir geht es genauso... Weißt- weißt du, am Ende des Ganges, wo du untergebracht bist, befindet sich ein Buchregal... kennst du es? Warte dort auf mich.", sage ich leise. Und endlich erreicht sein Strahlen seine Augen wieder und hellt seine Miene auf. Und in meinem Bauch fliegen übergroße Schmetterlinge und reißen an mir. Schließlich nickt er und geht fort, so als hätten wir uns nicht getroffen. Ich muss lächeln, von Herzen, und reibe meine Arme, an denen er mich umarmt hat, um seine Berührung aufrecht zu erhalten. Es hat mich glücklich gemacht, ja, ein wenig geheilt, kann man sagen. Das Loch in meiner Brust ist nun ein ganzes Stück kleiner geworden. Und so gleite ich in Gedanken versunken schmunzelnd in Richtung der Trainingshallen.

Sternenflüsterin - A Legolas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt