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Ein langes, wallendes Kleid war das Ungetüm, in das die beiden Zofen ihr halfen. Ganz in schwarz, wie all ihre Kleider, trägerlos und mit einem weiten, herzförmigen Ausschnitt, der ihr Dekolleté zur Geltung brachte.
"Ihr seht bezaubernd aus.", bemerkte eine der Zofen und legte ihr eine filigrane silberne Kette um den Hals. Rote Steine gaben dem Outfit seine Farbe und erhellten den Alltag der Lady.

Den wenigen Schmuck, der nicht schwarz oder silber war, trug sie definitiv am liebsten.
Da war es egal, ob es zu den meist einfachen Kleidern passte oder nicht.

Die Farben fehlten ihr trotzdem. Es schien bedrückender zu sein, nur von schwarz und grau und dunklen Tönen umgeben zu sein. Nichteinmal Gemälde hingen in den Gängen und alles Licht stammte von fast regungslosen Fackeln, die ewig zu brennen schienen.

"Danke." Sie lächelte ihr Spiegelbild an. "Ob es dem Herrn wohl auch gefällt?"
"Gewiss doch, Mylady." Sie steckte einige Spangen und Nadeln in das tiefschwarze Haar. Alles mit schwarzen Steinen verziert und dadurch unauffällig. Als sollte die Kette die Aufmerksamkeit des Herren auf sich ziehen.

"Ich treffe ihn das erste Mal, nicht wahr?", fragte sie weiter und versuchte so mehr über ihren Gastgeber herauszufinden. Die Dienerinnen beantworteten die Frage jedoch nicht. Wie so oft zuvor, wenn sie etwas wissen wollte.
Auch in der Bibliothek, in der sie sich jeden Tag aufhielt, hatte sie nichts über den Herrn oder das Land herausgefunden. Es war, als wäre alles vorsorglich vernichtet worden und das Personal bedroht.

"Ich weiß.", seufzte sie und ihre Freude löste sich in Luft auf. "Fragt nicht zuviel, Ihr könnt keine Antworten erzwingen." Das hatte sie zu oft gehört, wenn ihre Neugier nicht anders zu befriedigen war. Es gab nichteinmal verschlossene oder verbotene Räume, in die sie sich heimlich hätte schleichen können.
Die Dienerin am ersten Tag hatte ihr auch gesagt, sie könne sich im Palast frei bewegen.

"Das stimmt, Mylady." Die zweite Zofe flocht gerade das Haar der Lady. Auch, wenn sie weitestgehend ohne Regeln gelebt hatte, war diese eine nie ausgeprochen worden. Bis auf einige Anpassungen der Form war ihr Haar nie geschnitten worden. Außerdem war es wesentlich schneller gewachsen und reichte ihr inzwischen bis zu den Knien.
Trotzdem war es nicht schwer, wie erwartet, sondern auch in geflochtenen Zöpfen federleicht.

"Ob... ob der Herr, mir meine Fragen beantworten wird?", fragte sie weiter und ließ sich passend zur Kette einige Armreifen und Ringe anstecken. Mehr rote Steine die an kristallisiertes Blut erinnerten. Rotes Blut war auch eine Farbe, die sie hier vermisste.
Der Gedanke, den Lebenssaft selbst aus ihrem Körper zu entlassen, hatte sie jedoch schnell wieder verworfen. Wie hätte der Herr reagiert, wenn sie ihr Leben aus lauter Dunkelheit beendet hätte...

"Ihr seid fertig, Mylady." Die Zofen traten zurück und senkten die Köpfe, bevor sie von den Schatten verschluckt wurden. Wieder blieben sie ihr eine Antwort schuldig und ließen sie allein mit sich.

So betrachtere sie sich noch kurz im Spiegel, bevor sie zur Tür ging und den Weg in den Speisesaal antrat.

Geschenktes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt