6: Zugchaos

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„Warum nicht?", quengelte ich und hatte Mühe, mit Zerdan Schritt zu halten. „Wir hätten im Hotel frühstücken und den zweitfrühsten Zug erwischen können."

„Ich hätte nicht erwartet, dass dir unser gemeinsamer Ausflug so viel Freude macht."

Perplex hielt ich mitten auf dem Gehweg an und mein Rucksack glitt mir einige Zentimeter von der Schulter. „Ohne Essen bin ich unausstehlich."

„Das glaube ich dir nicht." Ein Lächeln verzog seine Mundwinkel. Er drehte sich rasch von mir weg.

„Ich brauche etwas zu essen, sonst kippe ich um." Außerdem hatten wir erst die Hälfte des Hinweges hinter uns. Das bedeutete, dass die eigentliche Suche und der Rückweg noch vor mir lagen. „Hast du denn keinen Hunger?"

„An der Front gab es Tage, an denen wir keinen Bissen bekommen haben. Ich bin es gewohnt, ein paar Tage zu hungern, wenn es sein muss."

„Es müsste aber nicht so sein", knurrte ich und überholte ihn, rannte schon fast und fischte dabei meine Geldbörse aus meinem Rucksack. „Ich hole mir ein Brötchen!"

Um mich aufzuhalten, hätte er mir nachlaufen und mich einfangen müssen. Scheinbar war er sich bewusst, wie so eine Aktion auf die Umstehenden gewirkt hätte und beließ es dabei, mich mit zusammengezogenen Augenbrauen zu betrachten.

Mit meinem verdienten Frühstück kehrte ich zurück und bot ihm ein Schokocroissant an, doch er lehnte ab. Er müsste hier und jetzt nicht hungern, tat es jedoch. Als würde der bloße Anblick von Essen ihm die Galle in den Hals treiben.

Der Zug setzte sich in Bewegung und Zerdan schloss die Augen. Vielleicht gehörte die Rastlosigkeit genauso zu ihm, wie das Hungern, der wenige Schlaf und die Angst vor Explosionen – wobei ich letztere teilte.

Das Rattern der Räder und die leisen Gespräche der anderen Fahrgäste hatten eine beruhigende Wirkung auf mich. Eventuell waren es auch nur die fehlenden Stunden Schlaf, die mich zu Dösen brachten und meine Aufmerksamkeit für die Gefahr, die herannahte, schwächte. Als ich in ihre blassen und formlosen Gesichter starrte, war Panik die Kraft, die mich durchströmte.

Seinen Namen brauchte ich nicht zu rufen. Zerdans Knie versenkte sich in dem Bauch des blassen Wesens, das seine Klauen nach mir ausgestreckt hatte, und sie fiel zur Seite. Zwei weitere griffen meinen Begleiter an. Im Wagon kreischten die Menschen, sprangen auf und stürmten durch die engen Schiebetüren in das benachbarte Abteil.

„Charlotte!", rief Zerdan. „Lauf!"

Eines dieser Wesen packte seinen Kopf und riss ihn rückwärts in den Gang. Er schlug stöhnend auf und schnappte nach Luft, wirbelte herum und kroch zwischen zwei Sitzreihen.

Eine Waffe wäre gut.

Ich zog meinen Schuh aus und warf ihm der Gestalt an den Kopf. Sie regte sich kaum, fixierte sich nur auf den Mann am Boden und haschte hinter den Sitz. Mein anderer Schuh flog durch den Gang und mitten in sein Gesicht. Keine Reaktion. Ein Fuß schoss aus der Reihe und brach der Gestalt die Nase, doch statt roten Blut quoll etwas Weißes aus der abgeknickten Beule hervor. Sie strauchelte, legte beide Hände an die Nase und mit einem stumpfen Knacken richtete sie diese.

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