Ein bitterer Verdacht

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Er sah so schmal aus. Sein schlanker Körper versank regelrecht in den weißen Bettlaken und seine blasse Haut hob sich kaum davon ab. Die blonden Haare lagen wirr um sein Gesicht und er schlief friedlich.

„Und wie haben Sie ihn vorgefunden, sagten Sie?", erkundigte sich Professor McGonagall bei mir und riss mich damit aus meinem Starren.

Sie hatte mir geholfen, Draco zum Schloss und in den Krankenflügel zu bringen und war ähnlich geschockt gewesen wie ich, ihn in dem leblosen Zustand zu sehen. Vielleicht aber auch, weil er in meinen Armen lag.

„Er war mit magischen Fesseln verschnürt und lag unter der Slytherin-Tribüne", erklärte ich und umfasste Dracos Hand fester. Seine Haut fühlte sich mittlerweile angenehm warm an, wozu sowohl die ganzen Decken beitrugen, mit denen er eingehüllt war, als auch der Zaubertrank, den ihm Madam Pomfrey verabreicht hatte. „Und er war eiskalt. Ich vermute, dass er mindestens einen halben Tag dort gelegen hatte."

Die Professorin schüttelte den Kopf. „Bei den eisigen Temperaturen... Er hätte erfrieren können. Zum Glück haben Sie ihn gefunden, Mister Potter."

Ich nickte abwesend und strich mit dem Daumen über Dracos Handrücken.

„Und wieso haben Sie ihn gesucht? Und dann auch noch genau dort?", hakte Professor McGonagall nach.

Schulterzuckend sah ich sie an. „Wir hatten...einen Streit und ich wollte mit ihm reden. Es kam mir seltsam vor, dass ihn den ganzen Tag keiner mehr gesehen hatte und da bin ich losgegangen, um ihn zu suchen."

Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch, doch als ich nicht weiter redete und sie nur stumm ansah, akzeptierte sie meine Antwort und, dass ich ihr nicht mehr verraten würde. „Nun, ich bin jedenfalls froh darum. Haben Sie eine Vermutung, wer ihm das angetan haben könnte?"

Ich hatte mir Gedanken gemacht, in den letzten paar Stunden, während Draco versorgt wurde. Ja, ich hatte einen Verdacht. Also erzählte ich Professor McGonagall davon.

Sie versicherte mir, sich darum zu kümmern und verließ anschließend den Krankenflügel.

Ich aber blieb. Bis es Draco besser ging und er mich schließlich wegschicken würde.

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Irgendetwas kitzelte mich an der Stirn. Verschlafen grummelnd wollte ich mich herumdrehen, merkte dann aber, dass ich gar nicht in einem Bett lag. Ich saß in zusammengesunkener Haltung auf einem Stuhl und hatte den Kopf auf irgendetwas Weichem liegen.

Und das Kitzeln auf meiner Stirn waren nicht etwa meine verstrubbelten Haare, die sich mal wieder selbstständig machten. Nein. Das waren Fingerspitzen.

Vor allem der letzte Gedanke riss mich aus der übrigen Verschlafenheit und ich richtete mich ruckartig auf. Ich hörte ein überraschtes Keuchen und als sich meine Sicht klärte, sah ich mitten in Dracos Gesicht, das auf einem weißen Kissen lag. Er blickte mich erschrocken an, die Hand noch immer nach mir ausgestreckt.

„Ähm. Guten Morgen", brachte ich heraus und er entspannte sich etwas. Im Gegensatz zu gestern Abend erhellten warme Sonnenstrahlen den Krankenflügel und malten goldene Muster auf Dracos blasse Haut.

Er schmunzelte. „Hey."

Ich beugte mich wieder nach vorne und stützte den Kopf auf meinen Armen auf der Matratze neben Dracos Arm ab. „Wie fühlst du dich?", wollte ich wissen und sah ihm prüfend in die Augen.

Er zuckte mit den Schultern. „Ging mir schon besser. Aber auch schlechter."

„Ich weiß", erwiderte ich ohne nachzudenken, als ein Bild von Draco vor meinem inneren Auge aufblitzte, das ich durch den Blick eines anderen gesehen hatte. „Hast du noch Schmerzen?", fügte ich schnell hinzu, als er mich skeptisch musterte.

Drarry: Raum der ZweisamkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt