23 - Fußball und Eis

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Mabels POV

„Noah vor, noch ein Tor!", feuern Lee und ich lautstark meinen kleinen Bruder an.

Vollkommen verschwitzt und außer Atem hastet der Lockenkopf über das Feld und jagt einem Fußball hinterher.

Fünf Minuten vor Abpfiff steht es eins zu eins. Dass Noah mit diesem Ergebnis unzufrieden ist, verrät mir sein verbissener Gesichtsausdruck.

Er möchte gewinnen - das kann ich sehen.

Tatsächlich bewundere ich meinen Bruder für seinen Ehrgeiz und sein Durchhaltevermögen. Während sich der Rest seiner Mannschaft bereits mit dem Unentschieden angefreundet zu haben scheint, mobilisiert er nochmal seine letzten Kräfte, um einen Angriff auf das gegnerische Tor zu starten.

In Höchstgeschwindigkeit dribbelt Noah zwei Gegenspieler aus, sodass plötzlich nur noch der Torwart vor ihm steht.

„Komm schon, Noah!", schreie ich aufgeregt. „Du schaffst das!" Vor lauter Nervosität greife ich nach Lees Hand und verflechte unsere Finger ineinander. Sobald ich das gemacht habe und Lees Wärme auf mich abfärbt, verlangsamt sich mein rasender Herzschlag.

Auch wenn ich jetzt am liebsten zu dem Jungen neben mir schauen würde, um ihm mein schönstes Lächeln zu schenken, klebt mein Blick weiterhin auf meinem Bruder. Dieser möchte nämlich gerade zum Torabschluss ansetzen, als er wie aus dem Nichts von einem Gegenspieler umgegrätscht wird.

Der schmerzerfüllte Schrei, der daraufhin durch die Luft hallt, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.

„Noah!", schreie ich panisch den Namen meines Bruders. Mit zusammengebissenen Zähnen liegt er auf dem Rasen und fasst sich an die linke Ferse. Wenn mich nicht alles täuscht, kullern sogar zwei Tränen des Schmerzes über seine Wangen.

Intuitiv möchte ich schon auf den Platz stürmen, da eilt glücklicherweise Noahs Trainer zu ihm und schaut sich den hinteren Teil seines Fußes an.

Hoffentlich hat er sich nicht ernsthaft verletzt.

„So ein Idiot!", schimpfe ich über Noahs Gegenspieler, während mein Bruder von seinem Trainer behandelt wird. „Der hat das doch bestimmt extra gemacht!" Sollte Noah seinetwegen eine Verletzung haben, werde ich dem Spieler mit der Rückennummer zwei höchstpersönlich in seinen schlimmsten Albträumen begegnen.

Einen anderen Spieler von hinten umzutreten, gehört sich einfach nicht.

„Beruhige dich, Mabel", versucht mich Lee zu besänftigen, indem er kleine Kreise auf meinen Handrücken malt. „So etwas passiert halt manchmal beim Fußball. Das ist im Sport nun mal so."

„Von wegen", schnaube ich verächtlich. „Für mich ist so ein Verhalten unsportlich und unfair - mehr nicht!"

Auch wenn die Jungs auf dem Feld alle noch sehr jung und unerfahren sind, sollte so eine aggressive Spielweise nicht toleriert werden. Im Ernstfall könnte dadurch nämlich ein anderer Mensch verletzt werden.

Scheinbar hat Noah aber Glück, denn nach nur wenigen Minuten steht er wieder auf den Beinen und schüttelt dem Spieler, von dem er gefoult wurde, die Hand. Eine gelbe Karte oder zumindest einen Freistoß gibt es jedoch nicht.

So kommt es also, dass die letzten Spielminuten ereignislos an mir vorbeiziehen und das Endergebnis bei einem eins zu eins bleibt.

„Wäre Noah nicht so fies gefoult worden, hätte er bestimmt noch ein Tor gemacht", beschwere ich mich bei Lee, als wir darauf warten, dass sich mein Bruder umzieht. „Seine Mannschaft hätte locker gewinnen können. Aber nein, der Schiri musste ja eine Fehlentscheidung treffen und keinen Freistoß geben."

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt