13 - Zu wenig Zeit zu zweit

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Mabels POV

Scheiße! Ich bin so eine Idiotin!

Mit tränenverschleierter Sicht irre ich durch die Wälder, auf dem Weg zu meinem Lieblingsort. Ich brauche jetzt Zeit zum Nachdenken.

Zeit zum Gedankensortieren.

Zeit zum Ohrfeigen.

Warum war ich auch so dämlich und habe Raves Frage mit einem „Nein" beantwortet?

Seit verdammten fünf Jahren sind wir nun schon ein Paar und führen eine glückliche Beziehung. Wir haben uns gemeinsam ergänzt, dem jeweils anderen immer den Rücken freigehalten und einander bedingungslos geliebt.

Rave ist der perfekte Freund - hilfsbereit, humorvoll, empathisch, clever und liebevoll.

Was zum Teufel hat mich also daran gehindert, seinen Ring anzunehmen?

Selbst unsere Eltern behaupten schon seit Jahren, dass wir füreinander bestimmt sind, und wir selbst haben das auch immer gedacht. Umso mehr schockiert es mich, dass ich Rave von mir gestoßen habe.

Voller Verzweiflung lasse ich mich rücklings ins Gras fallen und stoße dabei einen verzweifelten Schrei aus. Immer mehr Tränen kullern über meine Wangen, sodass es mir stetig schwerer fällt, zu atmen.

Da ist dieser schmerzhafte Druck auf meinem Herzen, der mich in die Knie zwängt und sich wie ein Strick um meinen Hals legt.

Was habe ich bloß getan? Mit meiner Entscheidung könnte ich unsere ganze Beziehung ruiniert haben. Fünf wundervolle Jahre einfach für die Tonne.

Am liebsten würde ich zurück zu Rave rennen und seinen Ring annehmen, doch tief in meinem Inneren spüre ich, dass das falsch wäre. Ich bin noch nicht so weit, um mich auf ein Für immer mit ihm einzulassen.

„Scheiße!", fluche ich leise.

Jetzt, wo ich die Geschehnisse der vergangenen Minuten so langsam verarbeiten kann, ärgere ich mich über mich selbst. Ich hätte nicht weglaufen, sondern mit Rave reden sollen. Er hätte sicherlich verstanden, dass ich noch etwas mehr Zeit benötige.

Doch jetzt ist es zu spät. Ich kann nichts mehr ändern und vermutlich auch nichts mehr retten.

Da mich meine Verzweiflung beinahe um den Verstand bringt, ziehe ich mein Handy aus meiner Hosentasche und scrolle durch meine Kontaktliste.

Kurz überlege ich, ob ich Audrey anrufen soll, aber diesen Gedanken verwerfe ich schnell wieder. Nur weil wir uns an Raves Geburtstag so gut verstanden haben, heißt das noch lange nicht, dass alles wieder wie früher ist - denn das ist es nicht.

Audrey und ich führen mittlerweile zwei verschiedene Leben, die parallel zueinander verlaufen und sich leider nicht mehr kreuzen.

Momentan gibt es nur eine Person in meinem Umfeld, mit der ich in dieser Situation reden möchte.

Lee.

Bevor ich es mir doch noch anders überlegen kann, wähle ich die Nummer des Blondschopfes und warte darauf, dass er abnimmt. Wenig später ertönt auch schon ein fragendes „Mabel?" am anderen Ende der Leitung.

„L-Lee", bringe ich unter lauten Schluchzern seinen Namen hervor. „Ka-Kannst du zu-zu der Waldlichtung mit de-den Glühwürmchen ko-ko-kommen?"

„Gib mir zehn Minuten, Mabel, dann bin ich da!" Das ist alles, was Lee sagt, ehe er den Anruf beendet.

Auch wenn ich die Stimme des Braunäugigen nur kurz gehört habe, hat sie mir geholfen, um mich zumindest ein bisschen zu beruhigen. Die Tränen versiegen und auch der Schmerz in meiner Brust wird für einen kurzen Moment erträglicher.

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt