Seit diesem Tag kommt es wieder vor dass mich jemand anspricht, als hätte sie ihre ganzen kleinen Freunde aufgefordert nach mir Ausschau zu halten und den Retter zu spielen.
Also warte ich auf sie,
In der gleichen Fußgängerzone, an der gleichen Stelle.Tage vergehen, Wochen, wahrscheinlich will sie mir nicht mehr begegnen, hat mich erkannt wie ich da auf einer Erhöhung sitze und nur vor mich hin starre. Immer wieder bilde ich mir jetzt ein ihre blauen Haare irgendwo in der Menge gesehen zu haben, aber ich kenne das ja schon. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Auch heute spricht mich wieder jemand an, aber er will nicht den Retter spielen - ein Glück.
"Hast du mal Feuer?"
Seine Augen mustern mich desinteressiert. Er gibt sich nicht mal Mühe, aber ich bin ihm dankbar dafür.
"Klar."
Mit einer geübten Handbewegung ziehe ich das einfache silberne Feuerzeug aus meiner Hosentasche und halte die Flamme unter die Zigarette, die aus seinem Mund ragt. Er zieht kurz daran, nickt mir dankbar zu und geht dann wieder seinen Weg. Ich tappe gedankenverloren mit dem Finger auf der Beule in meiner Hose, unter der sich die Schachtel mit der "Magie" befindet, wie meine Therapeutin sie nennt. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen, das Zeug ist noch von meinem letzten Absturz. Noch dazu wurde es nicht mal wirklich getestet, und ich hatte nie Lust auszuprobieren ob sie überhaupt wirken. Viel schlimmer kann es nicht mehr werden, oder? Irgendwann muss ich sie wohl ausprobieren, ansonsten kann ich das Zeug genauso gut wegwerfen. Rasch ziehe ich die Schachtel aus der Hosentasche und öffne sie. Dreizehn dunkelblaue Filter blicken mir entgegen. Ohne zu Überlegen nehme ich eine davon und stecke sie mir zwischen die Lippen, zünde sie an und nehme einen kleinen Zug. Nicht übel, aber auch nicht gerade angenehm. Der Geruch nach Chemie und etwas Minzartigem hat sich schnell in meiner Lunge verbreitet, aber so unangenehm ist es nicht. Außerdem meinten die Leute beim Arzt, sie wären nicht schädlich, was hatte ich also zu verlieren?
In diesem Moment schnappte eine blasse Hand die Zigarette aus meinem Mund. Reflexartig packte ich das Handgelenk - ich war auf solche Reaktionen gefasst, die Leute hassen es wenn sie sehen dass ich hin und wieder rauche. Seelenruhig nehme ich die Zigarette zurück, schiebe sie zwischen meine Lippen und ziehe die Person am Handgelenk zu mir runter. Ohne groß zu überlegen knurre ich sie mit meiner heiseren, eingerosteten Stimme an.
"Versuch das nie wieder." Es überrascht mich nicht mal, dass es das Mädchen ist. Heute hat sie knallpinke Haare, die richtig in den Augen weh tun.
"Wieso? Damit du dich selbst vergiften kannst?"
Ich knurre erneut und halte ihr die Schachtel vor Augen.
"Das ist ein Medikament, oder dachtest du, Zigaretten haben immer blaue Filter?" Ich lege meinen ganzen Hass in die paar Worte. Zu meiner Zufriedenheit wird sie fast so pink wie ihre Haare.
"Sorry.. ich dachte.."
"Genau. Du dachtest. Aber du weißt nicht. Es ist abgesehen davon extrem unhöflich jemandem eine Zigarette wegzuschnappen, den man nicht einmal kennt."
Ihre Augen funkelten mich wütend an.
"Ashton."
"Wie bitte?"
"Ashton. Deine Name ist Ashton. Du hast mit Luke, Calum, Noah und Michael einen Youtube Account."
Kurz blieb mir die Luft weg, dann hatte ich mich wieder gefasst.
".. Ich hatte."
"Hm?"
"Ich hatte einen Youtube Account mit ihnen. Aber Noah ist tot, und ich mach' nicht mehr mit." Ich wende mich wieder von ihr ab und nehme einen Zug von dem Zeug.
"Wieso? Wieso machst du nicht mehr mit? Ihr könnt doch auch ohne Noah weitermachen!"
Wut flammt in mir auf, aber ich verberge es gerade noch so.
"Siehst du. Das ist es, was Luke auch nicht versteht. Noah ist das Herz unserer Gruppe.Könntest du etwa ohne Herz leben?"