Ich sitze in der Fußgängerzone. Mal wieder. Zwischen meinen Fingern steckt eine Zigarette, eine der letzten die mir noch übrig sind. Danach will ich aufhören. Vielleicht. Ich weiß nicht mal wieso. Naja, Noah wollte es immer. Das ist wohl das letzte, das ich für ihn tun kann, schließlich traue ich mich nicht seinen Grabstein zu besuchen. Warum sitze ich überhaupt hier? Worauf warte ich? Wahrscheinlich auf sie. Ich weiß es nicht, ich will sie nicht sehen. Ich will es nicht. Der Drang, nach der Klinge zu greifen wird wieder stark, durchfährt mich wie der peitschende Herbstwind. Was würde es denn ändern, ob Noah meine Narben küsst, oder nicht? Ich muss diesen Schmerz loswerden. Auch wenn es unsinnig ist. Ich muss.
Im Augenwinkel sehe ich ein Büschel grüner Haare, dann eine Berührung an meiner Schulter.
"Hey."
Sie klingt fast schüchtern, wie ungewohnt.
"Was? Bist du wieder mit irgendwas nicht einverstanden, das ich mache?"
"Hmpf. Sei nicht so unfreundlich."
Ich werfe ihr nur einen genervten Blick zu.
"Was willst du?"
Sie zuckt mit den Schultern, dann setzt sie sich neben mich.
"Keine Ahnung. Vielleicht willst du ja mit jemandem reden?"
Ich schnaube empört. "Wozu habe ich Freunde?"
"Ihr habt seit Wochen kein Video hochgeladen. Und Luke hat gepostet, dass es derzeit Probleme mit dir gibt, deshalb nehme ich an dass du keine Freunde mehr hast." Na gut, da hat sie vielleicht Recht.
"Ich will trotzdem nicht mit jemandem reden, was bringt es mir? Werd' ich dadurch wieder glücklich?"
"Naja.. vielleicht?"
"Versuch's nicht mal, das funktioniert nicht. Es gibt eben Probleme, die lassen sich nicht wegreden und ignorieren. Das hier ist so eins."
"Ach, du meinst wie die Zigarette in deiner Hand?"
"Wag es bloß nicht."
"Na, wenn du dir deine Stimme ruinieren willst."
"Meine Stimme ist schon immer so. Außerdem werd' ich nicht mehr singen, so wie's aussieht, also wen juckt's?"
Sie starrt mich schockiert an.
"Was?! Nicht mehr singen? Nie wieder?! Wieso das denn?"
"Dreimal darfst du raten. Der Grund liegt zweieinhalb Meter unter der Erde." Ich schlucke schwer. Jetzt hab' ichs ausgesprochen. Jep. Das macht's überhaupt nicht besser, nicht im geringsten. Scheinbar bemerkt sie, wie hart mich das selbst getroffen hat.
"Na gut.. auch wenn ich denke, dass Noah das nicht so gewollt hätte."
"Er ist tot. Es ist mir egal was Noah gewollt hätte." Ist es nicht. Überhaupt nicht, und die Worte tun weh, die Lüge tut weh, brennt mir in den Augen und drückt mein Herz zusammen. Aber ich muss sie überzeugen.
"Jetzt geh schon. Was willst du hier überhaupt?"
"Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht."
"So wie ich."