~2~

69 7 7
                                    

Es war der Abend des 30.Oktober 1981, als sich Petunia Dursley dazu entschloss, ihren Mann zu verlassen. 

Sie setze sich gerade zu Vernon auf die Sofakante, damit die aufgeschüttelten Kissen nicht verknitterten, und nahm die Strickarbeit des Vorabends wieder auf.

"Liebling,", fing sie leise an, damit sie nicht über die lauten Stimmen der Fußballsprecher im TV drüber redete. "Cilia möchte morgen mit George und William auf Süßigkeitenjagd gehen und hat mich gefragt, ob wir Lust haben, sie zu begleiten. Dudley ist zwar noch ein wenig jung, aber ich glaube, ihm könnten die Kostüme der anderen Kinder ganz gut gefallen."

Cilia war Petunias engste Freundin. Sie hatte bereits einen Sohn, William, der einige Jahre älter war als Dudley und war nun wieder schwanger mit einer kleinen Tochter. 
Sie hatten sich in der Firma kennen gelernt, in der Petunia als Sekretärin angestellt gewesen war, da war Cilia bereits mit George verheiratet gewesen und Will war noch ganz klein. 

"Petunia, ich arbeite morgen. Das weißt du." Vernon verschränkte die Arme vor der Brust und hielt seine Augen klar an das Fernsehgerät gerichtet, aber Petunia sah die roten Flecken auf seinem Gesicht, die sich immer ausbreiteten, wenn er wütend wurde. 

Eigentlich sagte ihr das bereits, sie solle das Thema fallen lassen und schweigend an dem Pullover weiterstricken, aber ihr hatte die Idee gefallen, mit ihrer kleinen Familie durch die Straßen von Little Winging zu wandern und die Kinder in den Kostümen zu betrachten. Deshalb ließ sie nicht locker, auch wenn ihr hätte klar sein sollen, dass Vernon nur noch wütender werden würde.

"Wir könnten doch zu Cilia fahren, wenn du wieder zu Hause bist. Dann könntest du mit George Zigarren rauchen und wir kochen dann für uns alle?", schlug sie vor, die Strickarbeit hatte sie wieder zusammengelegt und in ihrem kleinen Handarbeitskorb neben dem Sofa verstaut. "Ich denke es könnte Dudley gut tun, etwas Zeit mit-" Bevor sie ihren Satz beenden konnte, war Vernon aufgesprungen. Sein Gesicht war nun hochrot, seine Augenbrauen eng zusammen gezogen und seine Hand zur Faust geballt. 
"Ich habe Nein gesagt, Petunia. Ist es zu viel verlangt, dass ich nach meinem Arbeitstag nach Hause kommen möchte und mich entspannen möchte? Ich habe keine Lust morgen Abend bei deiner Freundin zu sitzen und eurem Geschnatter über Putzmittel und Stoffe zuzuhören. Ich möchte morgen nach Hause kommen, hier alles geputzt sehen und dann von meiner Frau mein Steak serviert bekommen." Er warf einen kurzen Blick zum Fernseher, die Kommentare über das Fußballspiel waren von Vernon Geschrei überschallt worden. "Verdammt, Petunia. Immer musst du mich aufregen, ich verpasse das Spiel."
Vernon ließ sich wieder auf die Couch sinken, die Kissen verdrücken unter seinem Rücken und Petunia versuchte ihr bestes, ihren Atem still und leise zu halten. Scheinbar aber war ihr Schluchzen doch lauter, als sie gehofft hatte, denn Vernon funkelte sie wütend an, als sie sich mit dem kleinen Stofftaschentuch die Tränen trocknete. 
"Du hast keinen Grund zu weinen.", keifte er und griff nach der Fernbedienung. "Tue jetzt bloß nicht so, als ob ich dich nicht immer gut behandeln würde. Schau dir das Haus an, deine Kleider, all das hast du, weil ich für dich arbeiten gehe." Er stelle die Lautstärke einige Stufen höher und nickte in Richtung des Treppenhauses, durch das leise Rufe aus dem Kinderzimmer drangen. "Geh nach Dudley schauen. Er sollte nicht darunter leiden, dass du noch immer nicht deinen Pflichten nachkommen kannst." 

Petunia stand auf, ihre Knie zitterten ein wenig und ihre Ohren dröhnten von Vernons Geschrei. Er achtete nicht auf sie, als sie aus dem Wohnzimmer taumelte, sondern konzentrierte sich wieder voll und ganz auf das Spiel, als sei nichts gewesen. 

Dudley saß in seinem kleinen Kinderbett, die Decke bis ans Fußende getrampelt und sah seine Mutter mit großen Augen an.
"Nicht gut.", sagte er nur und deutete mit seinen kleinen Fingern auf sein Kopfkissen.
"Nicht gut.", wiederholte er, als Petunia ihn in die Arme nahm und er ihre Tränen von den Wangen wischte. 
"Nicht gut.", murmelte nun auch Petunia, als sie ihren Sohn in den Armen wiegte, bis er wieder eingeschlafen war, seine kleinen Hände zusammengeballt und seine Augen fest verschlossen. 

The dream I dreamed - Eine kurze Geschichte über Petunia Dursley und Lily PotterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt