Petunia hatte die Nacht nach Vernons Auftauchen nicht gut geschlafen.
Sie hatte sich in ihrem Bett hin und her geschmissen, immerzu in Gedanken an ihren Ehemann, den sie einmal geliebt hatte und für den sie nun nichts anderes mehr als Abscheu empfinden konnte.Entsprechend müde und ausgelaugt war sie, als sie am Montag Morgen die Treppe ins Erdgeschoss hinabstieg, den munteren Dudley in ihren Armen. Lily und James saßen bereits am Frühstückstisch, Lily las in einer Zeitung, mit sich Bewegenden Bildern und James versuchte das Kreuzworträtsel zu lösen.
"Ein Art der Lilie mit acht Buchstaben.", murmelte er gerade, als Petunia eintrat. Lily sah kurz auf, lächelte und zog den Hochstuhl für Dudley zurecht, damit Petunia ihn absetzen konnte.
"Mommy.", rief Harry freudig und drückte seinem Vater eine Handvoll Apfelmus an die Wange. Dudley hatte das auch einmal bei Vernon gemacht, der danach laut geworden war und Petunia aufgetragen hatte, Dudley in sein Kinderzimmer zu bringen. James allerdings lachte laut und gab Harry einen Kuss auf den Kopf.
"Nein, 'Mommy' hat keine acht Buchstaben. 'Mommy' hat nur fünf Buchstaben." James lachte wieder und klickte mit seinem Kugelschreiber. "Aber wirklich, Mommy. Was ist ein Liliengewächs mit acht Buchstaben." Lily seufzte, tief und lange und legte ihre Zeitung beiseite.
"Es ist Affodill, James. Solltest du das nicht wissen? Sechste Klasse, Zaubertrankunterricht. Der Trank der lebenden Toten."
"Ich war nie gut in Zaubertränke, Lils und das weißt du auch.", erklärte sich James und trug kleinlaut 'Affodill' in sein Kreuzworträtsel ein. "Außerdem hast du in der sechsten Klasse im Zaubertrankunterricht vor mir gesessen, neben Remus. Sirius und ich waren also ziemlich abgelenkt und haben uns nicht wirklich auf die Zaubertränke konzentriert, die wir gebraut haben."
"Es wundert mich wirklich, wie du deine OWLs geschafft hast, James.", grummelte Lily, aber Petunia sah den hellen rosa Schimmer auf ihren Wangen. Es tat weh, es zuzugeben, aber Vernon hatte sie nie auf so einfache Art zum Erröten gebracht.Ganz zu Anfang ihrer Beziehung, erinnerte sich Petunia, hatte Vernon ihr auch immer Komplimente gemacht. Er hat ihr Blumen gebracht und Ohrringe, die, wie er gesagt hatte, zu ihren Augen passten. Er hatte sie lange Angeschaut, wenn sie gemeinsam zu Abend gegessen haben und ihr gesagt, wie schön sie doch sei.
Aber all das hatte schnell aufgehört und Vernons Geschenke waren viel eher ein Ausgleich, zu seinen Schlägen und die Blumen nur eine Erinnerung, dass sie die Pflanzen im Haus wässern musste oder die Fliesen in der Küche abschrubben sollte."Übrigens, Tuney, ich habe heute nichts weiter zu tun.", wandte sich Lily an sie und schenkte ihr eine Tasse Früchtetee ein. Lily und James tranken beide lieber Kräutertee, hatte sie herausgefunden, aber dennoch stand auch immer eine Kanne frischer Fruchttee auf dem Tisch, denn Petunia so gerne trank. "Wenn du Lust hast, zeige ich dir Godric's Hollow und wir machen uns einen schönen Tag? Nur wir beide?" Sie wollte gerne zustimmen, Petunia konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal einen Tag nur für sich selbst beansprucht hatte, geschweige denn, wann sie das letzte Mal mit ihrer Schwester unterwegs gewesen war. Allerdings saß auch ihr Sohn neben ihr, quietschend und in seinem Frühstück panschend, um den sie sich kümmern musste.
"Das wäre toll, aber Dudley-"
"Ich besuche heute mit Harry meine Eltern." James legte das Kreuzworträtsel beiseite und nippte an seinem Tee. "Wenn du möchtest, nehme ich Dudley mit? Dann hättest du endlich einen freien Tag?"Vernon hatte es nie gemocht, wenn jemand anderes als Petunia auf Dudley aufgepasst hatte.
Sie könnte nicht einfach ihre Verantwortung abgeben, hatte er immer gesagt, schließlich sei sie Dudley Mutter. Warum er als Dudleys Vater scheinbar nicht den gleichen Anteil der Verantwortung übernehmen wollte, das erklärte er nie.
Petunia musterte Dudley, in mit seinem Finger im Apfelbrei rührte und strich ihm fürsorglich über den Kopf.
Sie wollte keine schlechte Mutter sein, die bei der ersten Gelegenheit ihren Sohn in eine andere Obhut übergab, aber auf der anderen Seite wusste sie nicht, wie lange sie noch durchhalten könnte, ohne sich eine Pause zu nehmen.
"Es macht dir wirklich nichts aus, Dudley mitzunehmen?", fragte sie nach und James schüttelte seinen Kopf.
"Vermutlich wird Mum mir die Jungs ohnehin aus den Armen reißen, kaum bin ich durch die Tür getreten." Er lachte und auch Lily schmunzelte leicht, während sie in ihrer Zeitung blätterte. "Es ist also nicht so, dass wirklich ich auf sie aufpassen werde, sondern viel eher Mum und Dad während Sirius und ich ihnen dabei zuschauen dürfen."
Petunias Schwiegermutter hatte ein ähnliches Verständnis von Verantwortung und Erziehung wie Vernon und wann immer sie sie besuchten, hielt sie Dudley fünf Minuten im Arm, bevor sie ihn wieder an Petunia abgab, um dann über die schlechte Jugend in der Nachbarschaft zu sprechen. Petunias Schwiegermutter wollte nie mit ihrem Enkel spielen oder Zeit mit ihm verbringen.
"Effie wünscht sich noch ein Enkelkind.", erklärte Lily und legte ihre Zeitung beiseite. Dudley gluckste, als er die sich bewegenden Bilder von ulkigen Gestalten vor schrägen Häuserreihen begutachtete. "Auch wenn sie versucht, uns nicht unter Druck zu setzen." Petunia dachte an das extra Zimmer im Ligusterweg, das sie so gerne in ein weiteres Kinderzimmer verwandelt hatte und fragte sich, ob Lily ähnliche Pläne mit dem Gästezimmer hatte, in dem sie übernachtete.
"Wollt ihr denn noch Kinder?", fragte sie leise und musterte Harry, der leise vor sich hin blubberte und nach allem Griff, was in seiner Reichweite stand.
"Ich wäre bescheuert, mit dieser Frau keine Kinder mehr zu wollen." James lachte laut, hörte aber auf, als er Lilys hochrote Wangen bemerkte. "Ich meine, ich liebe Harry und ein oder zwei weitere Bohnen hier durchs Haus laufen zu haben wäre toll."
"Ich weiß, was du meinst." Vorsichtig fuhr Petunia mit ihrer Hand über Dudleys blonden Haarschopf. "Sie werden so schnell groß. Du blinzelst einmal zu viel und schon gehen sie in die Schule und schließen sich in ihren Zimmern ein." Sie seufzte tief, als sie daran dachte, dass Dudley sie irgendwann nicht mehr brauchen würde. Irgendwann würde er nicht mehr weinend in der Nacht aufwachen und nach ihr Fragen. Irgendwann würde er nicht mehr an ihrem Rockzipfel hängen und irgendwann würde er sein eigenes Leben fortführen, ausziehen und heiraten, so wie Petunia es getan hatte.
Das Einzige, was sie tun konnte, bevor das passierte, war Dudley zu einem Mann heranzuziehen, der nicht war wie sein Vater. Aber auch das würde sie schaffen, dachte sie stumm, als sie James beobachtete, der Grimassen zog und Lily, die ihn dafür mit Brotkrümeln bewarf.
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The dream I dreamed - Eine kurze Geschichte über Petunia Dursley und Lily Potter
FanficPetunia hatte alles, was sie sich je erträumt hatte. Ein Haus, ein Garten, einen Mann und ein Kind. Doch manchmal soll das echte Leben nicht so laufen, wie der Traum, auf dem man all die Zeit hingearbeitet hat. Manchmal ist der Traumprinz aus den...