Kapitel 34

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Etwa ein Jahr zuvor...

Belial saß vor dem Bett, in dem sein Engel schlief. Er hatte dessen rechte Hand in die seine genommen und an seinen Mund gepresst. Die Wunden waren verheerend. Aleks' halber rechter Flügel fehlte und in seiner Hüfte war ein etwa zwei Fäuste großes Loch, sodass der Hüftknochen zu sehen war. Auch wenn die Wunden nicht bluteten und bandagiert waren, so würden sie lange zum Heilen brauchen. Die Regeneration eines Gliedmaßes dauerte Monate, wenn sie es überhaupt taten.

Ein Engel, der nicht fliegen kann. Dieser Gedanke setzte Belial stark zu, denn er wusste nicht, ob Aleks das verkraften würde. Doch Belial war es egal, er wollte nur, dass sein Liebster aufwachte. Er musste seine weiche Stimme hören, sein Lachen, diese mit Liebe gefüllten Augen sehen. Er brauchte einfach Aleks, doch dieser schlief. Sein Geist war weit weg.

Es ist alles meine Schuld, ich konnte ihn nicht beschützen. Belial war ein mächtiger S-Rang Dämon, ein potentieller Anwärter auf den Thron und doch hatte er sein Herz nicht beschützen können. Wofür hatte er sein Leben lang gekämpft, gearbeitet? Doch diese Vorwürfe machten es nur schlimmer.

So hat sich Lucan also gefühlt, als Zack verletzt zurückgekommen war. Diesen Schmerz konnte niemand verstehen, der nicht in derselben Situation war. Nur Lucan konnte ihn verstehen, konnte seinen Schmerz nachvollziehen.

Astaroth trat mit Sai auf den Armen ein, setzte sich auf die andere Seite des Bettes. „Das ist deine Mutter, Sai. Sie schläft etwas, doch er wird bald aufwachen", sagte er leise zu dem Baby, das mit den Händen in Richtung Aleks winkte. Astaroth wusste, was Sai wollte und legte ihn vorsichtig auf Aleks' linken Flügel neben dessen Kopf.

Sai quietschte und kuschelte sich in die weichen Federn.

Ein kurzes Lächeln erschien auf Belials Gesicht, wich jedoch sofort der undurchdringlichen Miene, um den Schmerz zu verstecken.

Sai drehte sich etwas und legte die Hand an Aleks' Gesicht. Aus dem Lachen des Babys wurde ein leises Weinen. Sai tatschte mehrmals über das Gesicht seiner Mutter und dann liefen die Tränen.

Astaroth verstand wieso. Sai konnte keine Verbindung zu Aleks aufbauen und das machte ihm Angst. Vorsichtig hob er den Kleinen wieder hoch und legte dessen Hand an seine eigene Wange. Er schickte dem Baby positive Emotionen und Gedanken. Langsam beruhigte er sich wieder.

„Ich danke dir, dass du für Sai da bist. Ich bin ein grauenvoller Gefährte und Vater", sagte Belial leise, ohne den Blick von Aleks zu wenden.

„Nein, bist du nicht. So etwas verkraftet niemand so einfach. Du kannst immer auf mich und die anderen zählen", sagte der Höllenfürst. „Ich habe Angst. Was, wenn er nicht mehr aufwacht? Was, wenn sein Herz einfach aufhört zu schlagen? Ich habe Angst, auch nur eine Sekunde von seiner Seite zu weichen, doch ich muss mich um Sai kümmern. Er braucht einen Vater, der stark ist und für ihn da ist."

Die Verzweiflung in Belials Stimme ging Astaroth nahe. In solch einer miserablen Lage hatte er ihn noch nie gesehen. „Er wird nicht sterben, dafür ist er zu stur. Nimm dir die Zeit, die du brauchst."

Belial schwieg, ließ Aleks Hand nicht los.

Es dauerte Wochen, bis Belial in der Lage war, mehrere Stunden von Aleks getrennt zu sein. Sai wurde zu seiner Konstante, die ihn im Hier und Jetzt hielt.

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Zwei Wochen nach dem Beginn von Aleks' Schlaf...

„Wir haben keine Wahl", sagte Astaroth. Lucan und Belial nickten.

Vor zwei Wochen hatte Aleks die letzte Prophezeiung gesprochen und jeder hatte diese gehört. Chaos war ausgebrochen, denn die Träger und Schlüssel waren nun gefunden. Sie konnten es nicht mehr verheimlichen.

Aleksander - eine schicksalhafte Entscheidung (BAND 6) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt