Prolog

630 24 1
                                    

Das war mal wieder einer dieser Momente, in denen ich mir wünschte, ein bisschen weniger verpeilt zu sein. Wer würde denn bei jemandem übernachten, ohne zu fragen, wo das Bad war?
Richtig, ich. Ich beobachtete lieber, anstatt zu fragen, eine meiner schlechteren Angewohnheiten.
Ich drehte mich auf die Seite, vielleicht würde meine Blase so weniger drücken. Natürlich brachte das genauso wenig wie bei den drei Versuchen zuvor. Ich setzte mich auf und blickte durch die Dunkelheit. Meine Augen funktionierten zum Glück auch in der Nacht einwandfrei.
Ginny und Hermine schnarchten leise vor sich hin. Ich überlegte kurz, ob ich sie aufwecken sollte, aber das kam mir dann doch blöd vor. So groß konnte das Haus ja schließlich gar nicht sein und vielleicht war das Badezimmer sogar direkt auf unserem Stockwerk.
Ich kniff meine Augen ein wenig zusammen, um die Uhrzeit erkennen zu können. 2 Uhr nachts. Wow, ich hatte lange wach gelegen. Allerdings waren Hermine und ich auch erst am späten Abend angekommen und hatten uns noch lange mit Ginny unterhalten.

Mit vorsichtigen Schritten durchquerte ich Ginnys kleines Zimmer und öffnete die Tür leise. Im Flur flackerte noch schwaches Licht, durch das ich eine weitere Tür auf dem Stock erkennen konnte.
Langsam drückte ich die Klinke runter und spähte durch einen kleinen Spalt. Wunderbar, eine Abstellkammer.
Ich wusste, unten waren Wohnzimmer und Küche, also musste ich oben weiter suchen. Ich stieg die schiefe Treppe hoch und versuchte, mein Gewicht dabei so zu verlagern, dass die Stufen nicht all zu laut knarzten. Das gelang mir eher schlecht als gut.
Im nächsten Stock gab es drei Türen. Der Boden unter meinen Füßen war ein wenig kalt, obwohl es ansonsten ziemlich warm war. Mein Herz klopfte laut, als ich die erste Tür öffnete. Ich erschrak, als ich sah, dass in dem Zimmer noch Licht brannte. Schnell zog ich die Tür wieder zu und wollte gerade gehen, als sie wieder geöffnet wurde. Allerdings von innen.

Ein rothaariger Junge stand in Jeans, und damit meine ich, nur in Jeans, in der Tür. Er hatte die Tür nur einen Spalt weit geöffnet und seinen Arm so plaziert, dass er seine Stirn auf ihn stützen konnte. Müde spähte er zu mir in den Flur.
Ich erstarrte bei seinem Anblick, denn er sah wirklich nicht schlecht aus. Ich meinte, ihn schon in Hogwarts gesehen zu haben und war mir sicher, dass er einen Zwillingsbruder hatte. Sie waren mir nie besonders aufgefallen, aber jetzt, wo er so vor mir stand, stockte mir ein wenig der Atem.
,,Wer stört?", fragte er und beobachtete mich neugierig.
Ich warf einen kurzen Blick auf meinen Schlafanzug. Verflucht, es war ausgerechnet der mit den Blümchen. Ich konnte nur hoffen, dass die Dunkelheit den Großteil versteckte.
,,'tschuldigung, ich habe die Toilette gesucht", gab ich ein wenig beschämt zu.
Der Junge musterte mich irritiert, bevor sein Kopf verschwand.
,,Ist hier eine Toilette, Freddie?", fragte er sarkastisch in das Zimmer hinein.
Okay, meine Atmung normalisierte sich wieder. Der übliche überhebliche Typ, der leider gut aussah. Eine Verschwendung von Schönheit.
,,Also einen Klodeckel hätte ich im Angebot. Erst vor wenigen Jahren als Souvenir für Ginny aus Hogwarts mitgebracht. Leider wollte sie ihn nie", erzählte der andere Junge im Raum und lachte.
Schade, auch sein Zwillingsbruder war kein Stück besser.
Der Junge erschien wieder in der Tür und musterte mich amüsiert. Ich fühlte mich unwohl. Wo sollte ich bloß hingucken? Jedenfalls nicht auf seinen Oberkörper, das war klar. Verdammt.
,,Brauchst dich nicht zu schämen", sagte er plötzlich.
Ich schaute wieder vom Boden auf und direkt in seine dunklen funkelnden Augen.
,,Tu ich nicht. Wofür auch?", fragte ich.
,,Du hast mich angestarrt."
Es war doch nur eine Sekunde gewesen. Wie hatte er das bemerkt?
,,Bestimmt nicht", stritt ich schnell ab.
Er grinste.
,,Ist schon in Ordnung, du findest mich gut", erklärte er ganz selbstverständlich.
So ein Idiot. Wenn ich ihn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde gut gefunden hatte, so hatte er das zerstört, als er den Mund aufmachte.
,,Um ehrlich zu sein, treffen eingebildete, überhebliche und wichtigtuerische Typen nicht ganz meinen Geschmack", sagte ich entrüstet.
Aber er war nicht beleidigt. Er grinste noch dämlicher.
,,Was machst du eigentlich hier?", fragte er.
,,Ich bin eine Freundin von Ginny und Ron und verbringe die restlichen Ferien hier", erklärte ich.
Sein Kopf verschwand wieder aus dem Spalt.
,,Wie lang sind die Ferien noch, Fred?", fragte er seinen Bruder.
,,Noch genau einen Monat. Wieso fragst du?"
Ich hörte, wie das Bett knarzte und kurz darauf tauchte auch der zweite Junge vor mir auf. Er glich seinem Bruder fast komplett, aber eben nur fast.
,,Du musst wissen, wir langweilen uns hier in den Ferien ziemlich. Geschwister erschrecken und verarschen macht schon Spaß, aber irgendwann braucht man was Neues. Eine kleine Wette würde wieder etwas Spannung reinbringen, weißt du?", fragte der Junge, der mir die Tür geöffnet hatte.
Wetten waren eines dieser Dinge, die ich verabscheute. Sie existierten nur, weil einer unbedingt beweisen musste, dass er recht hatte und das um jeden Preis.
Ich zog eine Augenbraue hoch und schaute ihn erwartungsvoll an.
,,Ich wette, du verliebst dich in den 31 Tagen in mich. Falls du das nicht schon längst getan hast, aber das wäre ja langweilig", erklärte er und seufzte.
Es war unglaublich, wie viel ein einzelner Mensch von sich halten konnte.
,,Eher würde ich mich in einen eurer Gartengnome verlieben, als in einen Idioten wie dich. Ich kann euch doch nicht mal auseinander halten", sagte ich und blickte zwischen den Brüdern hin und her.
Fred beobachtete seinen Bruder und mich und sagte nichts.
,,Super, dann haben wir ja schon unseren Wetteinsatz. Der Verlierer küsst einen Gnom", sagte der Junge grinsend.
Ich schnaubte verärgert auf. Meine Blase drückte plötzlich wieder und ich wollte diese lächerliche Angelegenheit einfach nur noch hinter mich bringen.
,,In Ordnung. Such dir schon mal einen hübschen aus, denn ich hab höhere Ansprüche", erklärte ich genervt.
,,Die Gnome sind nicht harmlos, George. Überleg dir das gut", mischte sich Fred plötzlich ein.
Doch George grinste bloß und musterte mich von oben bis unten.
,,Oh, ich werde definitiv nicht verlieren", merkte er an.
Ich verdrehte die Augen. Er nahm den Arm, auf den er seine Stirn gelegt hatte und hielt mir die Hand hin. Ich musste immer dringender auf's Klo und wollte mir weitere Diskussionen ersparen, also reichte ich ihm meine Hand.
Er nahm sie entgegen und schaute mir tief in die Augen, während seine kräftige Hand meine drückte.
,,Wunderbar. Kannst du mir jetzt vielleicht bitte sagen, wo euer Badezimmer ist?", fragte ich.
,,Find's raus", sagte er und grinste zufrieden.
Er war wirklich ein Idiot. Umso besser für die Wette. Die würde ich so oder so gewinnen, aber je einfacher er es mir machte, desto besser. Aber so leicht war ich nicht aus der Fassung zu bringen. Ich widerstand nur mit größter Mühe der Versuchung, nochmal an ihm hinunterzuschauen.

Ich ging zur nächsten Tür, drückte die Klinke vorsichtig runter. Mist. Das war ebenfalls kein Badezimmer. Ich drehte mich um und sah, dass George immer noch in der Tür stand und mich amüsiert beobachtete.
,,Wie heißt du eigentlich?", flüsterte er durch die Dunkelheit.
Ich sah ihm tief in die Augen und lächelte freundlich.
,,Find's raus."
Rache ist süß, George Weasley. Er starrte mich immer noch an, aber sein Blick verriet weder seine Gedanken noch seine Gefühle, falls er überhaupt eines der beiden hatte.
Ich wandte mich von ihm ab und öffnete vorsichtig die nächste Tür. Das war definitiv mein bester Abgang jemals. Wäre das nicht das Bad gewesen, hätten wir Gleichstand gehabt, doch jetzt führte ich 1:0.

Ein Monat im Fuchsbau - George Weasley ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt