Tag 2

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Seine Augen wirkten verschwommenen, als wäre jemand mit zu viel Wasser über ein Aquarellbild gegangen. Ich wusste sofort, was passiert war. Und ich wusste, was gleich passieren würde. Ein Schrei ertönte und er war sofort tot.

Mit klopfendem Herzen wachte ich auf, doch der schrille Schrei war immer noch zu hören. Hastig fuhr ich hoch und sah mich im Zimmer um, bis ich die Eule am Fenster entdeckte und aufatmete.
,,Das muss Pig sein, wahrscheinlich die Antwort von Harry", gähnte Hermine.
Ginny, die nun auch wach war, eilte zum Fenster und ließ die arme hysterische Eule ins Zimmer.
,,Ist das nicht Rons Eule?", fragte ich.
,,Eigentlich ja, aber er ist immer so aufgeregt, da verfliegt er sich schnell", erklärte Ginny.
Hermine nahm den Zettel und las ihn.
,,Harry ist einverstanden und freut sich schon", fasste sie zusammen.

,,Wenn ich das hier noch ein Mal sehe, gibt es Ärger!"
Ich hatte Molly Weasley gar nicht zugetraut, so wütend werden zu können. Mit einem kurzen Blick zu Hermine bemerkte ich, dass sie sich mindestens genauso unwohl fühlte wie ich. Am liebsten wäre ich die Treppe sofort wieder hoch gegangen. Ginny hingegen setzte sich ganz normal an den Tisch.
Ich war schon auf jegliche Kommentare von George vorbereitet, als ich mich neben ihn setzte, doch er schwieg und würdigte mich keines Blickes.
,,Harry freut sich schon", durchbrach Hermine die unangenehme Stille.
Ron wollte gerade etwas sagen, als Hermine ihm einen bösen Blick zuwarf, weil sein Mund noch voll war. Deshalb nickte er bloß erfreut.
Ich wagte einen kurzen Blick zu George. Er schaute missmutig auf seinen Teller, so auch Fred.

,,Und du arbeitest wirklich mit Drachen?", fragte ich erstaunt.
Charlie nickte stolz und ließ einige Teller durch die Luft fliegen.
Nach dem so schweigsamen Frühstück waren alle aufgestanden und hatten plötzlich irgendetwas ganz Wichtiges zu erledigen und so räumte ich mit Charlie den Tisch ab.
,,Ist das nicht gefährlich?", fragte ich.
Er lächelte kurz.
,,Nun ja, wenn man nicht weiß, wie man sich ihnen gegenüber zu verhalten hat, dann ganz sicher. Aber im Grunde genommen sind es einfach faszinierende Geschöpfe", erzählte er verträumt.
,,Aber wie gefällt es dir bei uns?", fragte er plötzlich.
,,Wirklich gut", versicherte ich ihm sofort.
Er ließ einen Lappen über den Tisch sausen und nickte freundlich.
,,Einige sind sicher ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber wenn man sie erstmal kennt, ist es doch ein nettes Völkchen", erklärte er.
Ja, das traf es sicher ganz gut.
,,Weshalb war eure Mutter vorhin so aufgebracht?", fragte ich.
Die Frage hatte mich schon die ganze Zeit beschäftigt. Charlie machte eine Handbewegung.
,,Ach, das ist alles halb so schlimm. Fred und George machen nicht immer das, was unsere Mum von uns verlangt. Und seit Percy im Ministerium arbeitet, ist sie ja so stolz auf ihn", er zuckte kurz mit den Schultern, ,,an Freds und Georges Stelle wäre ich da sicher auch sauer."
Ich nickte nachdenklich. Plötzlich taten sie mir ein wenig leid. Ihre großen Brüder arbeiteten bei Gringotts, mit Drachen oder im Ministerium. Sie waren nun die nächsten, auf denen hohe Erwartungen lasteten.
Ich ließ mich auf den Küchenstuhl fallen und wartete insgeheim darauf, dass Charlie mir mehr von George erzählte. Nicht, dass ich mich für ihn interessierte. Man musste seine Gegner eben gut kennen.

Doch bevor Charlie etwas sagen konnte, kam jemand die Treppe runter.
,,Spielst du mit uns?", fragte Fred an Charlie gewandt.
,,Du entschuldigst mich?", fragte Charlie mich freundlich.
Ich nickte lächelnd und beobachtete, wie er mit seinen Brüdern nach draußen spazierte. Dann überlegte ich, was ich nun tun sollte.
Vielleicht war ein Monat doch etwas lang gewesen. Es fiel mir schwer, so lange unter Menschen zu sein und erst recht, wenn sie mir fremd waren.
Gerade, als ich beschlossen hatte, wieder zu Hermine und Ginny zu gehen, ging die Tür auf. Ich drehte mich um und sah, dass George sich neben mich auf den Stuhl fallen ließ.
,,Spielst du nicht mit den anderen?", fragte ich irritiert.
,,Hab was vergessen. Aber wo wir schon mal alleine sind, wollte ich dich fragen, warum du auf die Wette mit George eingegangen bist", erklärte er.
Ich wollte mich gerade fragend zu ihm drehen, als ich mich eines Besseren besann.
,,Weil ich gerne Wetten gewinne und so eingebildet wie der ist, macht das doppelt so viel Spaß", sagte ich schmunzelnd.
Ich riskierte einen kleinen Blick auf George und sah, dass er nun ein wenig irritiert aussah. Ich konnte mir ein Grinsen nur schwer verkneifen.
,,Entschuldige, er ist ja immer noch dein Bruder", ergänzte ich schnell sehr ernst.
,,Ich denke, er meinte das sicher nicht so. Eigentlich ist er gar nicht so der Typ, der sich vor Mädchen aufspielt", erklärte George.
Es war eine merkwürdige Situation, über die ich sicher gelacht hätte, wenn ich nicht so ernst bleiben musste.
,,Ich glaube ja, dass er einfach viel von sich hält und denkt, jedes Mädchen würde auf ihn stehen. Zieht er solche Nummern bei allen Mädchen ab?"
Ich wollte wissen, wie weit ich gehen konnte, bis er sich selbst verriet.
,,Nein, eigentlich hat er das noch nie gemacht. Du hast ein ganz falsches Bild von ihm", erklärte er hastig und wurde beinahe ein bisschen rot.
,,Du kannst ihm ja gerne ausrichten, dass er bei seinem nächsten Versuch, ein Mädchen anzusprechen, ein bisschen höflicher sein sollte. Das wäre sicher effektiver", schlug ich vor.
Er errötete nun endgültig.
,,Ich denke, er wird so schnell erstmal keine mehr ansprechen", sagte er.
Ich sah ihn nun endlich richtig an. Seine braunen Augen suchten vergeblich einen Hinweis dafür, dass ich ihn erkannt hatte.
,,Also kommt er zur Vernunft?", fragte ich hoffnungsvoll.
George grinste nun etwas nervös.
,,Nein, ich denke eher, er hat-"
In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Bill steckte seinen Kopf hindurch.
,,Kommst du? Ich dachte, du wolltest nur kurz deine Handschuhe holen?", fragte er und musterte George skeptisch.
,,Ich komme sofort", sagte er und stemmte sich aus seinem Stuhl.
,,Beeil dich", fügte Bill hinzu und eilte wieder nach draußen.
,,Also wie gesagt, er ist eigentlich nicht immer so", erklärte George und schaute mich noch ein letztes Mal nachdenklich an, bevor er ohne Handschuhe aus der Tür ging.

Ein Monat im Fuchsbau - George Weasley ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt