Tag 1

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Die winzigen Staubpartikel tanzten im Licht der einfallenden Sonnenstrahlen durch das Zimmer. Ich schaute auf den kleinen Wecker neben Ginnys Bett, es war erst 6 Uhr. Sie selbst schlief noch tief und fest.
Hermine saß schon auf ihrem Bett und schrieb etwas.
,,Guten Morgen", flüsterte sie, als sie zu mir aufsah.
,,Guten Morgen", murmelte ich verschlafen.
Sie war schon hellwach, was auch kein Wunder war. So schnell wie sie am Abend eingeschlafen war.
Hermine war schon damals meine beste Freundin gewesen, als wir beide noch nichts von Hogwarts gewusst hatten. Wir hatten die gleiche Muggelschule besucht, bis ich den Brief von Hogwarts bekam. Mein Vater war ein Zauberer, aber er war noch vor meiner Geburt abgehauen. Meine Mutter hatte es vorgezogen, meinen Bruder und mich unter Muggeln aufwachsen zu lassen.
Das eine Problem an dem ganzen war nun aber, dass ich im Juni Geburtstag hatte und Hermine im September. Somit waren wir nicht mehr in den selben Jahrgang gekommen, weshalb sie nun in die vierte Klasse kam und ich schon in die fünfte.
Das zweite Problem war, dass ich nach Ravenclaw und sie ein Jahr später nach Gryffindor gekommen war. Wir hatten also keinen Unterricht zusammen und teilten uns auch nicht den gleichen Schlafsaal.
Sie hatte Harry und Ron kennengelernt und ich hatte mich ein wenig mit Ginny und Luna zusammengetan. Mit Luna hatte ich immerhin eine gute Freundin in Ravenclaw. Es war nicht so, dass ich unbeliebt war, ich hatte bloß einfach nicht viele gute Freunde.
Und trotz all der Probleme, funktionierte die Freundschaft mit Hermine immer noch. Wir konnten uns zwar nicht jeden Tag treffen, aber dafür blieben uns die Wochenenden und Ferien.

,,Harry kommt auch bald", flüsterte Hermine erfreut.
Ich reckte den Daumen in die Luft, da ich zu müde war, um ihr ausführlich zu antworten.
,,Lydia?", fragte sie leise.
Ich hatte eigentlich nochmal schlafen wollen, gab es nun aber endgültig auf und setzte mich hin.
,,Hast du keine Angst vor deinen Prüfungen in diesem Jahr?", fragte sie.
Ich verdrehte die Augen. Wenn es ein Thema gab, über das ich mit Hermine nicht sprechen wollte, dann waren es Prüfungen. Sie machte sich jetzt schon Sorgen um ihre ZAGs, die erst in zwei Jahren waren. Meine waren noch ein Jahr von mir entfernt und ich machte mir nicht die geringsten Gedanken.
,,Nicht wirklich", antwortete ich und gähnte ausgiebig.
,,Es ist noch früh, ich will schlafen", jammerte Ginny im Halbschlaf.
,,'tschuldigung", flüsterte Hermine.

Ich lag eine Stunde lang im Bett und starrte an die Wand, während Hermine weiter schrieb und Ginny wieder schlief.
Oben in der Ecke krabbelte eine kleine Spinne und webte ihr Netz. Ich stellte mir Rons Blick vor, wenn er sie sehen würde und musste grinsen.
Plötzlich fiel mir die nächtliche Begegnung wieder ein. Ich hatte sie komplett vergessen. Mein Grinsen verschwand sofort.
Es bestand kein Zweifel daran, dass ich diese dämliche Wette gewinnen würde und trotzdem bereute ich es. Eine solche Wette unterschritt mein Niveau wirklich. Ich wollte ja nicht mal sehen, wie er einen Gartengnom küsste. Ich hatte es gar nicht nötig, ihm irgendwas zu beweisen. Und trotzdem war ich die Wette eingegangen.
Der erste Grund dafür lag auf der Hand. Ich hatte dringend pinkeln müssen und mich nicht von ihm aufhalten lassen wollen. Der zweite Grund, nun ja, war vermutlich, dass ich doch ein wenig neugierig war.

,,Frühstück ist fertig", rief jemand von unten.
Ginny stand widerwillig auf, wir zogen uns um und stiegen die Treppe hinab in die Küche.
Die ganze Familie schien schon unten zu sein. Ron war schon am essen, seine Mutter Molly deckte noch den restlichen Tisch, sein Vater Arthur setzte sich gerade und dann saßen dort noch einige Jungen, die ich nicht kannte. Und natürlich die Zwillinge.
Meine letzte Hoffnung, George würde nur im schwachen Licht gut aussehen, platzte gerade. Wie er so da saß und mich anlächelte, sah er leider immer noch gut aus. Das alles half aber nichts, denn er war ein eingebildeter Arsch.
Hermine und Ginny setzten sich, während ich noch kurz zögerte. Das war mein Fehler, denn nun gab es nur noch einen freien Platz, ausgerechnet neben George. Er schob den Stuhl übertrieben freundlich nach hinten, damit ich mich setzen konnte.
Ich setzte mich und nahm mir ein Toast. Er beugte sich so leicht zur Seite, dass es keiner merkte.
,,Lydia also", flüsterte er.
,,Wow, wie hast du das nur herausgefunden? Sag bloß, du hast deine Mutter gefragt", sagte ich extra gelangweilt.
,,Immerhin habe ich deinen Namen beim ersten Mal herausgefunden", sagte er.
Die Anspielung auf meine Toilettensuche hätte kaum deutlicher sein können, aber ich versuchte, gar nicht erst zu dem Thema zu kommen.
,,Tolle Leistung", sagte ich anerkennend.
,,In den Klamotten gefällst du mir schon fast besser, obwohl Blümchen dir wirklich ausgezeichnet stehen", flüsterte er leise.
Der Arsch musste sich natürlich direkt über meinen Schlafanzug lustig machen. Aber den Triumph wollte ich ihm nicht gönnen.
,,Danke, du gefällst mir auch besser, wenn du obenrum was trägst", erklärte ich so leise, wie es nur ging.
Langsam war ich echt überrascht von meinem Talent. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich so gut lügen konnte.
Ich hatte gerade gedacht, er würde endlich Ruhe geben und mich frühstücken lassen, als er sich nochmal zu mir lehnte.
,,Woher wusstest du eigentlich, dass ich es bin, wenn du uns doch nicht mal auseinanderhalten kannst?", fragte er.
Gut, diese Lüge war gerade dabei, aufzufliegen. Um ehrlich zu sein, hatte ich direkt einen Unterschied bemerkt. Ich könnte ihn nicht beschreiben, wenn man es von mir verlangte, es war mehr etwas an der Ausstrahlung.
,,Du hast mich doch angesprochen. War also ziemlich klar, dass du es bist. Wieso hätte dein Bruder sich so darüber freuen sollen, dass er meinen Namen kennt?", fragte ich.
Gut gerettet.
,,Das meine ich nicht. Du hast mich schon so angeschaut, als du heruntergekommen bist. Du hast mir einen genervten Blick zugeworfen wegen der Sache von heute Nacht."
Ich verschluckte mich fast an meinem Wasser. Doch nicht gut gerettet.
,,Was war heute Nacht?", fragte einer der anderen Jungen neugierig.
Wieso sprach George auch so laut? Und wieso war es gerade in dem Moment so still geworden?
,,Nichts, was dich zu interessieren hat, Percy", funkte Fred dazwischen.
Gut zu wissen, sie waren also auch zu ihren Geschwistern so außerordentlich freundlich.
,,Ich meine ja nur, ihr solltet eure Nächte weniger mit Experimenten verschwenden und mehr mit Lernen, damit ihr mal Chancen habt im Leben", tadelte der Junge Namens Percy.
,,Damit wir dann solche hoch interessanten Kesselberichte schreiben können? Nein danke", entgegnete Fred.
,,Erwähn das Thema doch nicht", sagte George verzweifelt.
Na wunderbar. Also schon drei Angeber in dieser Familie. Immerhin war der Rest wirklich nett. Beim Frühstück lernte ich noch Bill und Charlie, die ältesten Brüder, kennen.

Ron erklärte sich nach dem Frühstück dazu bereit, Hermine und mir das Haus zu zeigen. Mir fiel auf, wie sehr ich mich in der vorigen Nacht doch geirrt hatte. Das Haus der Weasleys war riesig und ich war mir fast sicher, dass es nur durch Magie zusammengehalten werden konnte, so schief standen einige Räume ab.
Und trotzdem konnte ich mir vorstellen, dass es für eine so große Familie manchmal sicher ein bisschen klein war. Vor allem, wenn es noch Besuch gab, so wie jetzt.
Etwas in mir zog sich zusammen, als ich daran dachte, wie eine Kindheit in diesem Haus sein musste. Ich schob den Gedanken sofort beiseite und grinste kurz, als Ron uns das Badezimmer zeigte.
Eine Tür wurde geöffnet und George lehnte sich gegen die Wand, während er der Führung von Ron aufmerksam lauschte.
,,Schönes Bad, nicht wahr, Lydia?", fragte er mit einem Lächeln.
Wir wären alle wirklich besser dran gewesen, wenn er einfach im Zimmer geblieben wäre. Er wollte das also unbedingt nochmal aufgreifen, nachdem er beim Frühstück gescheitert war. Dieses Mal allerdings so, dass es alle mitbekamen.
,,Es freut mich, dass du so viel Wert auf meine Meinung legst. Ich denke, ein paar schöne Pflanzen fehlen noch", erklärte ich.
George sah mir für wenige Sekunden tief in die Augen, während er seine Arme verschränkt über der Brust hielt.
,,Die Meinungen unserer Gäste sind uns immer sehr wichtig. Hättest du auch noch Dekoideen für Percys Zimmer?", fragte er freundlich.
Dieser Mistkerl. Das würde er alles noch zurückbekommen.
,,Das kennt sie doch gar nicht", sagte Ron irritiert.
George grinste mir zu und wandte sich dann an Ron.
,,Oh, da irrst du dich, kleiner Bruder. Sie hat heute Nacht einen kleinen Abstecher in sein Zimmer gemacht", erklärte er.
Alle Augen lagen auf mir. Erst jetzt merkte ich, wo er mich gerade reingezogen hatte. Verdammt.
,,Ich hab bloß die Toilette gesucht", erklärte ich genervt.
,,Wieso hast du mich nicht vorher gefragt?", fragte Ginny.
,,Ja, wieso hast du sie nicht vorher gefragt? Oder mich?", fragte George eine Spur zu höflich.
Ich beschloss, ihn einfach zu ignorieren.
,,Du hast schon geschlafen, da wollte ich dich doch nicht extra aufwecken", sagte ich zu Ginny.
,,Naja, ist ja auch egal. Jetzt weißt du es", sagte Ron schließlich und beendete die Tour.
George grinste uns hinterher, als wir die Treppe wieder hinab stiegen. Ich hörte gerade, wie er die Tür wieder schloss, als wir unten angekommen waren.

,,Dad schaut, dass er Karten für die Quidditch WM bekommt", erzählte Ron begeistert.
Ich setzte mich neben Hermine ins Gras.
,,Du kommst doch auch mit, oder?", fragte Ginny mich.
,,Auf jeden Fall", stimmte ich glücklich zu.
Ich war noch nie bei einem so großen Quidditchspiel gewesen. Die Spiele der Hausmannschaften in Hogwarts waren zwar auch sehr unterhaltsam, aber natürlich nicht mit einer WM zu vergleichen.
,,Ich habe Harry geschrieben. Wie es aussieht, kommt er auch. Wir könnten ihn kurz vor dem Spiel abholen und er würde dann den Rest der Ferien bei uns verbringen", erklärte Ron.
Hermine lächelte glücklich und Ginny wurde ein wenig rot, was sie aber gut verstecken konnte.
,,Kommen alle aus der Familie mit?", fragte ich ganz beiläufig.
,,Also Mum wird sicher nicht mitkommen, ansonsten denke ich schon. Warum fragst du?", fragte Ron.
Jedenfalls nicht, weil ich wissen wollte, ob sein großer Bruder auch dabei sein würde. Und wenn doch, dann nur, weil ich gehofft hatte, er würde Zuhause bleiben. Aber das Glück sollte ich natürlich nicht haben.
,,Ich habe mich nur gefragt, wo wir alle schlafen werden."
Deshalb hatte ich nicht gefragt, aber das wollte ich jetzt trotzdem wissen.
,,Achso. Darum brauchst du dir keine Sorgen machen. Wir haben zwei große Zelte. Das eine teilen wir uns und das andere ist für dich, Hermine und Ginny", erklärte er begeistert.
Ich musste mich also nur weit weg von George aufhalten, dann würde ich sicher eine schöne Zeit haben.

,,Ginny?", flüsterte ich in die Dunkelheit.
,,Hm?", knurrte sie verschlafen zurück.
Ich starrte an die schwarze Decke.
,,Wie ist es, so eine große Familie zu haben?"
Ginny drehte sich in ihrem Bett und schien nachzudenken.
,,Hast du keine Geschwister?", fragte sie, anstatt zu antworten.
,,Nein", murmelte ich.
Ich war froh, dass es schon dunkel war und ich somit keine mitleidigen oder spöttischen Blicke wahrnehmen konnte. Es war nämlich so: Wann immer man anderen erzählte, dass man Einzelkind war und sich Geschwister wünschte, hörte man entweder "Glaub mir, ich wäre froh, wenn ich keine hätte" oder "Du arme, ohne sie würde ich es gar nicht überleben, es wäre ja so langweilig".
,,Sie nerven wirklich oft, aber ohne sie würde mir etwas fehlen", sagte Ginny leise und schlug somit den Mittelweg ein.
,,Ich habe mir auch immer Geschwister gewünscht", gab Hermine zu.
Ginny kicherte kurz.
,,Kannst gerne ein paar von meinen haben. Vorzugsweise Percy."
Das brachte auch Hermine und mich zum Lachen.
,,Ich glaube, ich muss mich berichtigen. Eigentlich habe ich ja zwei Schwestern", erklärte Hermine.
Ich schloss grinsend die Augen. Hermine war tatsächlich schon immer eine Art Schwester für mich gewesen und jetzt, wo Ginny noch dabei war, ergänzte sie uns irgendwie perfekt.

Ein Monat im Fuchsbau - George Weasley ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt