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Die nächsten paar Stunden redeten wir.
Einfach nur reden. Das tat so gut, ich konnte ihm alles sagen, er hörte zu und öffnete sich immer mehr.

Irgendwann holte uns seine Mutter zum Abendessen.
Es war irgendwie komisch aber auch wirklich schön.
Er nahm meine Hand und ließ sie nicht mehr los.

"Ihr beide seid so ein süßes Paar" sagte seine Mutter lächelnd und räumte den Tisch ab.

Die nächsten Tage waren die schönsten in meinem ganzen Leben.
Doch in ein paar Tagen fing die Schule wieder an und ich musste meine Schulsachen holen.

Also rief ich meinen Fahrer an und er brachte mich nach Hause. Als meine Mutter mich sah sagte sie nichts, aber ich konnte die Enttäuschung in ihren Augen sehen.

Ich verdrängte das ziehen in meiner Brust und ging auf mein Zimmer.
Voller Erinnerungen ließ ich mich auf mein Bett fallen und riss mein Hemd auf.

Ich würde nur für dich nächsten drei Tage hier bleiben, dass schaffe ich schon, versuchte ich mir einzureden.
Ich hatte das Gefühl dass seit dem ich wieder im Schloss war, sich ein dunkler Schatten aus Erinnerungen und Vergangenheit verbreitete.

Alles erinnerte mich an Erik.
Auf dem Teppich vor meinem Bett hatten wir als Kinder immer gespielt.
Wir haben so getan als wären wir ganz normale Menschen und als würde es ganz egal sein was wir machen, wir haben für ein paar Momente vergessen wer wir waren, flüchteten in eine andere Realität.

Ich sah ihn wieder vor mir, wie er mir immer gesagt hat dass ich dass schon alles schaffe, obwohl er derjenige war der den meisten Stress hatte.
Er musste immer überall sein, lächeln und Hände schütteln, während ich nur still daneben stehen musste und eigentlich fast unsichtbar war.

Er hat sich nie darüber beschwert, war immer freundlich und voller Verständnis. Trotz all dem was ihm um die Ohren flog und er nie wirklich seine Ruhe hatte war er immer da für mich, hat sich meine Kleinigkeiten angehört und mich jedesmal versucht wieder aufzubauen.

Mit einem Mal überkam mich eine Welle aus Traurigkeit und Wut, ich musste an Erik denken und dann an August. Ich schrie in mein Kissen, schmiss meine Decke mitten in Raum, Federn flogen und ich schrie.
Diesmal nicht wie damals, mit August.

Dieser Schrei war keine Wut, keine Trauer, nein dieser Schrei war pure Verzweiflung. Mein Leben hatte sich in den letzten Wochen so verändert und ich hatte immer weiter gemacht. Einfach weitergemacht und habe nicht gemerkt dass mir alles zu viel geworden ist.

Alles wuchs mir über den Kopf und ich hatte keinen Überblick mehr.
Fuck, Erik ist tot.
Er ist tot, ich werde ihn nie wieder sehen.

Ich trat gegen meinen Schreibtisch und schiebte mit meiner Hand alles was darauf war herunter. Eine Kraft durchströmte mich wie ich es noch nie gefühlt hatte.

Ich riss die Bilderrahmen von der Wand und schmiss sie gegen die Wand. Glasscheiben, zersplittertes Holz, Federn und der ganze Scheiß lag queer verteilt in meinem ganzen Zimmer.
Die Security-Dame öffnete die Tür "Ist alles in Ordnung hier?"fragte sie.

" Ob hier alles in Ordnung ist? Ernsthaft? Ich bin mit einem Schlag der verfickte Kronprinz geworden, mein Privatleben existiert nicht mehr, meine Mutter verbietet mir zu lieben, mein Cousin, von dem ich dachte ich könnte ihm vertrauen, hat ein bekaktes Sextape von mir gemacht und veröffentlicht! UND MEIN BRUDER IST TOT!!! TOT, HÖREN SIE? TOT!
Und sie fragen mich ob alles in Ordnung ist? Geht's ihnen noch gut? Ich will nur mein altes Leben zurück! "

Meine Beine sacken ein,ich versuchte mich an meinem Tisch fest zu halten, aber es brachte nichts, das letzte was ich sah bevor mich das Bewusstsein verlor war wie die Frau, die ich gerade zusammen geschrien hatte, zu mir eilte und um Hilfe rief.

Einige Augenblicke später kam ich auf meinem Bett wieder zu Bewusstsein. Meine Mutter stand neben mir und sah mich an.
"Ich habe den Arzt schon holen lassen" sagte sie.

Ich wendete meinen Blick ab und starrte das Gemälde von irgendwelchen Vorfahren an.
"Wilhelm, rede mit mir." sie versuchte ruhig zu bleiben, doch ich hörte den Zorn in ihrer Stimme, ich konnte ihn fühlen.

Die nächsten Worte kamen in einem herrischen Ton aus ihrem Mund :"Mach kein Theater, schau mich an und sagir was los war. Warum bist du zusammen geklappt? Du darfst jetzt nicht krank werden, du musst übermorgen eine Rede halten. Das ist deine Pflicht als Kronprinz"

Ich konnte es nicht glauben.
Selbst wenn es mir offensichtlich nicht gut ging sah sie mich nicht als ihren Sohn, nein für die war ich nur noch der Kronprinz.

Jetzt schrie sie mich fast an, sagte mir wie verantwortungslos ich sei, dass ich eine Schande für das gesamte Königreich und die größte Enttäuschung wäre. Eine Träne floss über meine Schläfe und tropfte auf mein Kissen.

Es klopfte an der Tür. Der Arzt kam rein und untersuchte mich. Als meine Mutter fragte wie es um meine Gesundheit stände sagte er: "Der Prinz ist soweit gesund, aber er muss eine Weile lang Pause machen. Große Auftritte sollte er am besten vermeiden, damit würde man nur riskieren dass er noch einmal einen solchen Anfall erleiden würde."

"Gibt es dann da keine Medikamente?" wollte meine Mutter wissen.
"Nein, das einzige was helfen wird ist Ruhe. Ihr Sohn hatte in letzter Zeit sehr viel Stress, dass hat sich nun körperlich bemerkbar gemacht." der Mann blieb ruhig.

Meine Mutter nicht.
"Dass war bestimmt dieser Junge, er tut dir nicht gut, er tut dem ganzen Land nicht gut. Er ist der Auslöser für dieses Desaster. Aber du wirst diese Rede übermorgen halten und ihn nie wieder sehen. Haben wir uns verstanden?"
Ich sagte nichts, blieb still und starrte die Decke an.

" Ich möchte ihnen ja nicht zu nahe treten meine Majestät, aber eine Person außerhalb der Familie, für die man sehr starke Gefühle hat, um sich zu haben kann der Genesung nur helfen. Der Junge kann nicht der Auslöser sein, ich denke dass er vielmehr mit der neuen Aufgabe als Kronprinz überfordert ist."

"Was erlauben Sie sich eigentlich? Was glauben Sie denn wer sie sind? Raus!"

Mit geneigtem Kopf verließ der Doktor den Raum.
"Und du wunderst dich warum ich nicht gerne mit dir rede." fragte ich meine Mutter und drehte mich langsam zu ihr.
"Was soll denn das jetzt heißen?" ich hatte sie noch nie so aufgebracht gesehen.

"Wenn dir irgendwas nicht passt kannst du damit nicht umgehen, oder wenn irgendjemand anders ist."

Ich hatte erwartet dass sie mich jetzt anschreien würde, aber sie setzte sich auf den Rand meines Bettes und sah auf den Boden.

"Ich bin nicht wütend auf dich weil ich dich nicht verstehe, ich bin wütend auf dich weil ich dich so gut verstehe. Ich bin wie du. Ich habe deinen Vater nicht geheiratet weil ich ihn liebe. Ich war damals in jemanden ganz anderen verliebt, ihr Name war Marie."

Young royals (Wunschfortsetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt