Du und ich

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Unsere Beziehung ist komisch. Ja, sowürde ich es beschreiben. Ihm jedoch würden sicherlich ganz andere Worte einfallen. Vielleicht komplex? Diffus? Und ja, vermutlich sogar hinderlich. Wie ich sie empfinde? Natürlich abgesehen von seltsam? Nun, aufregend, niederschmetternd, schön und quälend zu gleich. Bereits seit zwölf Jahren kennen wir uns, wir lernten uns kennen, weil ihm eine weitere „Schachfigur" fehlte. Es war nicht so das er es je verheimlichte, und für mich war es lange Zeit in Ordnung. Wir waren jung, extrem jung für das was wir alles anstellten. Kisaki war immer der Kopf hinter allem, ein Genie dessen Gedankengänge ich nur durch einen dicken Nebel versuchte zu durchblicken. Er war es, der mein Leben aufregend machte. Er war es, der mir einen Sinn gab.

Kisaki, wie sehen dich die Menschen? Vermutlich kalt, berechnend, manipulativ und bereit alles zu tun. Eine Person, die bereit ist zu morden. Und doch sehe ich dich anders. So wie jetzt, wie du da sitzt, mit der einen Hand stützt du deinen schweren Kopf ab, mit der anderen drehst du dein Glas hin und her. Du hinterlässt eine Menge hässlicher Ringe auf dem teuren Holz, normalerweise hasst du das, doch heute ist einer dieser Abende, an denen du es dir erlaubst mal du selbst zu sein. Den Schmerz hinausträgst.

Die Flasche Scotch ist schon fast leer. Du sagtest ich hätte gut geholfen, doch du weißt selbst, das das meiste davon deine Kehle hinunter glitt. Kaum Jemand kennt ihn, den verletzten Kisaki, den betrunkenen Kisaki. Aber ich habe ihn schon oft gesehen, und in letzter Zeit zu oft.

Ungelenk greifst du nach der Flasche, willst dein Glas nachfüllen, doch ich bin schneller. Ein verwirrter und zu gleich wütender Blick trifft mich. „Was soll das? Lass gefälligst los!", fauchst du mich an. Die meisten würden vor dir kuschen, und ja, wenn wir nicht allein wären, würde ich es auch. Doch jetzt sind wir nur wir, nicht Tomans Nummer 2, Tetta Kisaki und auch nicht das Vorstandsmitglied Hanma Shuji. „Willst du dich wirklich so gehen lassen? Schon seit drei Wochen sitzen wir hier, Abend für Abend. Und das nur weil es nicht dein Ring ist, den sie trägt." Deine Augen weiten sich, es scheint so, als wolltest du die Flasche loslassen, doch du reißt dich zusammen, greifst noch einmal fester zu. Ja, du hast dich schnell gefangen und dein Blick trifft mich wie tausend Messer. Mein Griff wird automatisch lockerer und schon hast du gesiegt. „Ich hätte dir nie etwas davon sagen sollen.", murrst du und gießt sich ein, besser gesagt, versucht es. Denn der Alkohol machte ihn schwach, zitternd kleckerte er alles vor. Es floss mehr Scotch auf den Tisch als in dein Glas. „Scheiße,verdammt! Hat die Flasche einen Riss?!" Immer wenn es nicht so läuft wie du es willst, wirst du wütend. Ich schüttel meinen Kopf, greife deine Hand. „Lass, ich mache das." Ja, ich bin ein Idiot. Wollte ich ihn nicht vom trinken abhalten? Und doch schaffe ich es nicht. Es ist fast so, als wollte ich sein Verhalten damit entschuldigen das er trauert. So lange bist du ihr nachgerannt, hast versucht für sie zu töten, so manches ist dir gelungen, manches wieder nicht. Und dann war da immer dieser Takemichi, es schien als konnte er alles vorhersehen was du tust, er tauchte immer im letzten Moment auf und als wäre das nicht genug, nahm er noch die Frau die du liebst. Es ist nicht so, als könnte ich ihn nicht verstehen, ich kann nur nicht sehen wie er sich so klein macht. Es fällt mir schwer zu ertragen wie er leidet, immer still und heimlich, nach außen stark und innerlich so zerbrechlich.

Kisaki schaut weg, habe ich ihn zulange angestarrt? Habe ich etwa Mitleid in meinen Augen? Oder war es etwa dieser eine Blick, den du so sehr an mir hasst? „Soll ich..." „Nein." Unterbricht er mich sofort. „Ich nehme mir ein Taxi." Schwankend steht er auf,  greift in die Hosentasche und ich sehe wie du eine Nummer wählst. Dein „nein" hatte mich wieder getroffen. Du sagst schon seit Monaten nur noch „nein" zu mir. So lange war ich dein Trostpflaster und nun bin ich nicht einmal mehr gut genug dafür?

„Ich gehe schon mal raus. Mein Wagen ist jeden Moment da." „Ja, ich gehe mit dir runter." „Nein, das ist nicht nötig. Dazu will ich die Kälte noch ein wenig allein genießen." Ich nicke nur noch, stehe dennoch auf um ihn zur Türzu begleiten. „Wir sehen uns morgen?", frage ich zögerlich. Es folgt ein nicken. „Ja, bis morgen."

BrokenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt