Kapitel 14

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Jackson

Ich träumte! Es musste einfach so sein, denn für das hier gab es keine andere Erklärung. Erst hatte ich wirklich geglaubt, das Mädchen in meinem Zimmer wäre so ein komischer Freak oder wirklich aus der Psychiatrie ausgebrochen. Wer klebte sich auch sonst Flügel auf den Rücken und laberte irgendwas davon, dass sie mein persönlicher Beschützer wäre? Als ob sowas wie Schutzengel geben würde.

Doch dann war sie von meinem Balkon gefallen. Im ersten Moment hatte ich die Befürchtung gehabt, ich müsste schon wieder einen Tod mitansehen, denn einen Sturz aus dem dritten Stock würde sie ja wohl kaum überleben. Aber kurz bevor ihr Körper auf dem Boden aufschlug, breiteten sich ihre Flügel aus und... sie flog. Sie schlug kräftig mit den riesigen, schwarzen Flügeln, die ich für unecht gehalten hatte und stieg immer höher in den Himmel auf bis sie in den Wolken verschwand, die sich hell auf dem dunklen Nachthimmel abzeichneten. Immerhin war sie jetzt weg! Und vielleicht war das hier ja doch ein komischer Traum und ich würde gleich aufwachen.

Doch leider war diese Hoffnung vergebens, denn nur wenige Sekunden später tauchte dieses seltsame Mädchen wieder am Himmel auf und raste in einem unglaublich schnellen Tempo auf mich zu. Da ich davon ausging, dass sie ihren Flug abbremsen würde, bevor sie mich erreichte, blieb ich einfach an Ort und Stelle stehen. Sie bremste allerdings überhaupt nicht. Nur leider realisierte ich das zu spät, weshalb sie mit voller Geschwindigkeit gegen mich flog, ich von der Wucht nach hinten fiel und unangenehm mit dem Rücken und dem Kopf auf dem harten Boden aufkam, während sie schön weich auf mir landete. Konnte man in seinem Traum Schmerzen spüren? Leider überkam mich nämlich immer mehr die Vermutung, dass das hier kein Traum war... Mal abgesehen davon, dass mir die Situation unglaublich bekannt vorkam, so als hätte ich sie schon einmal erlebt. Scheiße, was lief in letzter Zeit nur falsch in meinem Leben!?

„Wenn du schon behauptest mein Schutzengel zu sein, ist es dann nicht deine Aufgabe, aufzupassen, dass ich mich nicht verletze und nicht selber dafür zu sorgen, dass ich mir weh tue?", fragte ich vor Schmerzen stöhnend, während ich versuchte sie von mir runter zuschieben, damit ich wieder aufstehen konnte.

„Erstens bin ich kein Schutzengel, sondern ein Animus Perditus, was ich dir jetzt schon mindestens zwei Mal gesagt habe! Und zweitens habe ich bestimmt nicht freiwillig so viel Körperkontakt zu dir, das kannst du mir glauben und am liebsten wäre ich auch nicht zu dir zurückgekommen", fauchte sie mich an, während sie sich auf rappelte, sodass ich auch endlich wieder aufstehen konnte. „Es gibt da nur diese dämlichen Regeln für Animus Perditus und eine davon besagt, dass man sich nur eine bestimmte Entfernung von seinem Schützling wegbewegen darf, wenn er wach ist, sonst wird man wie von einem unsichtbaren Seil zu ihm zurück gezogen. Und außerdem funktioniert mein dämlicher Armreif nicht mehr richtig, eigentlich solltest du mich nämlich auch nicht sehen können..." Mein Gott, die war ja unglaublich begeistert von ihrem Job. Gab es irgendwo sowas wie eine Schutzengelzentrale, wo ich mich beklagen und einen neuen Schutzengel einfordern konnte, der mehr von seinem Job überzeugt war?

Aber das erklärte, warum mir die Situation so bekannt vorgekommen war. „Ist das schon mal passiert, dass du deswegen so auf mich drauf gefallen bist?"

„Ja, kann schon sein", meinte sie schulterzuckend. „Aber ich kann ja auch nichts dafür, wenn du plötzlich zu so ungewohnten Zeiten wach wirst... Kannst du jetzt bitte einfach schlafen, damit ich von dir wegkomme und deine Person nicht mehr länger ertragen muss!"

Sie schien mich ja wirklich nicht richtig zu mögen, vor allem wenn man bedachte, was sie mir eben alles an den Kopf geworfen hatte. Dabei mochte mich eigentlich jeder. Okay, vielleicht mal abgesehen von diesen komischen Nerds in der Schule, die ich immer ärgerte. Aber selbst die bewunderten mich wahrscheinlich heimlich. Und mit meinem Charme würde ich diese Revanna schon auch noch dazu bekommen mich zu mögen. Deshalb verkniff ich mir auch den blöden Kommentar, der mir auf den Lippen lag und beschloss, dass ich am besten wirklich schlafen ging. Immerhin bestand auch noch eine klitzekleine Chance, dass sie morgen aus irgendeinem Grund verschwunden sein würde. Aber daran glaubte ich eigentlich auch nicht mehr so richtig, denn obwohl das alles mehr als verrückt erschien und ich nicht an übernatürliche Wesen glaubte, sprach mittlerweile doch einiges dafür, dass das hier die Realität war. Denn irgendwer musste mich im Park ja gerettet haben und ich hatte bisher noch keine bessere Erklärung dafür, wer die Männer verprügelt hatte und dann spurlos verschwunden war. Außerdem wusste Revanna Dinge, die sie eigentlich gar nicht wissen konnte, wie zum Beispiel, dass ich fast einen Unfall gebaut hatte und das mit dem manipulierten Essen im Restaurant... Aber wenn sie das wirklich gewesen war, was ich ihr auch nach unserer bisher eher kurzen Kennlernphase durchaus zutrauen würde, würde sie dafür noch büßen, so viel war sicher. Immerhin hatte sie mir so fast das Date ruiniert! Irgendwann schlief ich über diese Gedanken tatsächlich ein, auch wenn das gar nicht so einfach war, wenn die ganze Zeit jemand im Zimmer herum tigerte und dabei Sachen wie: „Jetzt schlaf endlich ein, ich hab noch Besseres zu tun!" murmelte.

The One who was ForgottenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt