Kapitel 15

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Revanna

Ein Drohbrief. Na das hatte ja gerade noch gefehlt.

Selten hatte Jackson so bleich und ängstlich ausgesehen wie in dieser Sekunde und es gefiel mir ausnahmsweise ganz und gar nicht. Die Typen im Park hatten also Komplizen, die Jackson sogar noch nach dem Vorfall im Park gefolgt waren, die ihn ausspioniert hatten. Unruhig sah der junge Mann sich um. Immer wieder sprangen seine Blicke nervös den Gang hinunter, zum Treppenhaus, an mir vorbei und wieder zurück auf den Zettel, den er feste umgriffen hielt. Seine Hände waren zittrig, sein Atem flach und unregelmäßig. Erneut hefteten sich seine Blicke an die paar wenigen Zeilen auf dem Stück Papier. Als könnten sich die Worte dadurch auf magische Art und Weise plötzlich ändern.

Ich musste zugeben, dass ich in dieser Sekunde ebenfalls völlig überfordert mit der Situation war. Was sollte ich jetzt machen? Fearghas über die Drohung informieren? Jackson zu Hause einsperren, bis die Gefahr vorbei war? Die Typen ausfindig machen? Aber was dann? Nervös fuhr ich mir durch die Haare. Alles würde gut werden, dachte ich optimistisch. Ich würde mir schon noch etwas einfallen lassen.

Vielleicht sollten wir erst mal aus diesem halb verlassenen Schulgebäude raus. Etwas frische Luft und ein angenehmeres Umfeld konnten ja bekanntlich Wunder bewirken. Also, nicht bei mir, aber wer weiß... Meinem Schützling würde mehr Luftzufuhr für sein Gehirn ja möglicherweise helfen.

Als ich laut meine Hände zusammen klatschte und Jackson dabei als Aufheiterungsversuch ein gequältes und übertrieben großes Lächeln schenkte, fuhr dieser so abrupt zusammen, dass ich fürchte, dass er einen Herzinfarkt bekommen würde.

Na, immerhin hatte ich jetzt wieder seine Aufmerksamkeit.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte der blonde Schotte mich fassungslos an und presste sich dabei eine Hand auf den Brustkorb. Da war ja wieder die kleine Dramaqueen, die ich so liebte und verehrte.

„Sehen wir das Ganze doch positiv", versuchte ich ihn zu beruhigen, doch wurde aus seinem erschrockenen Gesichtsausdruck stattdessen nur ein unglaublich wütender. Eilig und noch bevor er zu einem Kommentar ansetzten konnte, fuhr ich fort: „Immerhin wollen sie dich nicht direkt umlegen, sondern senden dir vorher eine kleine Warnung. Eine Art Ankündigung. So wie: ‚Jackson, pass auf, denn wir werden dich wahrscheinlich bald umbringen'. Ist doch nett von ihnen."

Jacksons Miene nach, hatte ich irgendwas Falsches gesagt...

„Revanna."

„Ja?"

„Halt die Klappe."

Ich schnaubte genervt. Da wollte man nur helfen und wurde dafür direkt angemosert.

Wortlos drehte der Junge mir den Rücken zu und lief angespannt den Gang hinunter zum anderen Treppenhaus. Mit großem Abstand folgte ich ihm schließlich.

Auf dem Weg zum Auto schwiegen wir uns beide immer noch an.

Zwar setzte immer wieder einer von uns zum Reden an, sah dann aber wieder eilig zur Seite. Wir dachten wohl beide über die wenigen Möglichkeiten, die uns jetzt noch offen standen nach, doch wussten wir auch, dass die Aussichten nicht allzu rosig waren.

Wie sollte ich ihn noch beschützen können? Mein Armreif war offensichtlich kaputt und meinen Vorgesetzten deswegen wieder nerven wollte ich nicht, denn dann müsste ich diesem auch erklären, dass mein Schützling mich sehen konnte und bereits jetzt über einiges Wissen über unsere Welt verfügte. Das alleine würde mich bestimmt schon meinen Job kosten. Würde ich darüber hinaus auch noch von der Drohung und den Auseinandersetzungen zwischen ihm und mir berichten, wäre das mein sicheres Ticket zurück in die Zwischendimension.

The One who was ForgottenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt