Kapitel 3 ✔️

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L U N A

Die Große Halle mit ihren vier langen Haustischen und dem erhöhten Lehrertisch an der Stirnseite war wie üblich mit schwebenden Kerzen geschmückt, deren Licht die Teller unter uns glitzern und glimmern ließ.
Ich hörte Fußgetrappel und kurz darauf setzte sich Harry neben Ron.
„Wo warst - meine Fresse, was hast du mit deinem Gesicht gemacht?", sagte Ron und glotzte ihn an, wie alle anderen rundherum.
„Warum, was ist damit?", fragte Harry, nahm einen Löffel und besah sich.
„Du bist völlig blutverschmiert!", sagte Mine. „Komm her -"
Sie hob ihren Zauberstab, sagte »Tergeo!« und sog das getrocknete Blut weg.
„Danke.", sagte Harry. „Wie sieht meine Nase aus?"
„Normal.", sagte Mine besorgt. „Was sollte mit ihr sein? Harry, was ist passiert, wir hatten furchtbare Angst!"
„Das erzähl ich euch später.", erwiderte Harry knapp.
„Aber -", sagte Mine.
„Nicht jetzt, Hermine.", entgegnete Harry mit geheimnisvoller, bedeutsamer Stimme.
Er langte an Ron vorbei nach ein paar Hühnerbeinen und eine Hand voll Pommes, doch bevor er sie zu fassen bekam, verschwanden sie und wurden durch Nachspeisen ersetzt.
„Du hast jedenfalls die Zuteilung versäumt.", sagte Mine, während Ron sich auf einen riesigen Schokoladenkuchen stürzte und ich mir schnell noch ein paar Stücke davon nahm, bevor Ron den ganzen Kuchen alleine essen konnte.
„Hat der Hut irgendwas interessantes gesagt?", fragte Harry und nahm sich ein Stück Siruptorte.
„Eigentlich nur, was er immer sagt... hat uns ermahnt, wir sollen uns im Angesicht des Feindes alle vereinen, du weißt schon."
„Hat Dumbledore Voldemort überhaupt erwähnt?"
„Noch nicht, aber seine richtige Rede spart er sich ja immer für den Schluss der Feier auf, oder? Die kommt jetzt sicher bald."
„Snape meint, Hagrid sei zu spät zur Feier gekommen -"
„Du hast Sev gesehen? Wie das?", fragte ich verwirrt, während ich meinen Schokoladenkuchen aß.
„Hab ihn zufällig getroffen.", erwiderte Harry ausweichend.
„Hagrid kam nur ein paar Minuten zu spät.", sagte ich. „Schau mal, er winkt dir, Harry."
Harry sah zum Lehrertisch hoch und grinste Hagrid zu, der ihm tatsächlich zuwinkte.
Hagrid war es nie so recht gelungen, genauso würdevoll aufzutreten wie Professor McGonagall, die Leiterin des Hauses Gryffindors, die neben ihm saß, deren Scheitel gerade mal zwischen Hagrid's Ellbogen und Schulter reichte und die diese begeisterte Begrüßung missbilligend zur Kenntnis nahm.
Ich war überrascht, als ich die Lehrerin für Wahrsagen, Professor Trelawney, zu Hagrid's anderer Seite saß; sie verließ selten ihr Turmzimmer und ich hatte sie noch nie bei der Begrüßungsfeier zum Schuljahrbeginn gesehen.
Sie wirkte so sonderbar wie seit eh und je, behängt mit glitzernden Perlen und flatternden Schals, die Augen durch ihre Brille enorm vergrößert.
Ich hatte sie immer für eine Schwindlerin gehalten, aber am Ende meines letzten Schuljahres musste ich erfahren, dass sie es war, die die Vorhersage gemacht hatte, die Lord Voldemort veranlasst hatte, Harry's Eltern zu töten und Harry anzugreifen.
Ebenso wie sie meine Vorhersage gemacht hatte.
Nun, da ich dies wusste, war ich noch weniger erpicht auf ihre Gesellschaft, aber zum Glück würde ich dieses Jahr mit Wahrsagen aufhören.
Ihre großen, leuchtfeuerartigen Augen schwenkten in meine Richtung; schnell wandte ich den Blick ab und sah hinüber zum Tisch der Slytherins.
Draco stellte gerade unter heiserem Gelächter und Applaus pantomimisch dar, wie jemandem die Nase zerschmettert wurde.
Ich blickte von Draco zu Harry und atmete genervt aus.
„Was wollte eigentlich Professor Slughorn?", fragte Mine.
„Wissen, was wirklich im Ministerium passiert ist.", antwortete Harry.
„Er und alle anderen hier auch.", sagte Mine naserümpfend. „Die Leute haben uns im Zug ständig darüber ausgequetscht, stimmt's, Ron?"
„Tja.", sagte Ron. „Die wollten alle wissen, ob du wirklich der Auserwählte bist -"
„Sogar bei den Gespenstern wurde viel über dieses Thema gesprochen.", unterbrach uns der Fast Kopflose Nick und neigte seinen gerade noch mit dem Hals verbundenen Kopf zu Harry, so dass er gefährlich auf seiner Halskrause kippelte. „Ich gelte gewissermaßen als eine Autorität in Sachen Potter; es ist weithin bekannt, dass wir befreundet sind. Ich habe der Gespenstergemeinschaft jedoch klar gemacht, dass ich dir nicht wegen Informationen auf die Nerven fallen werde. »Harry Potter weiß, dass er mir blind vertrauen kann.«, habe ich zu ihnen gesagt. »Ich würde eher sterben als sein Vertrauen zu missbrauchen.«"
„Das heißt nicht viel, wenn man bedenkt, dass Sie ja schon tot sind.", bemerkte Ron.
„Du beweist wieder einmal das ganze Feingefühl einer stumpfen Axt.", sagte der Fast Kopflose Nick in beleidigtem Ton, erhob sich in die Luft und schwebte zurück zum anderen Ende des Gryffindor-Tisches, gerade als Dumbledore sich am Lehrertisch erhob.
Die Gespräche und das Gelächter, das überall in der Halle ertönte, verstummte fast augenblicklich.
„Den schönsten aller Abende wünsche ich euch!", sagte er breit lächelnd und mit weit ausgestreckten Armen, als wollte er den ganzen Raum umfassen.
„Was ist mit seiner Hand passiert?", stieß Mine atemlos hervor.
Sie war nicht die Einzige, der es aufgefallen war.
Dumbledores rechte Hand sah geschwärzt und abgestorben aus.
Ein Raunen ging durch den Raum; Dumbledore, der es richtig deutete, lächelte nur und schüttelte seinen violett-goldenen Ärmel über seine Verletzung.
„Kein Grund zur Sorge.", sagte er leichthin. „Nun... An unsere neuen Schüler - willkommen! An unsere alten Schüler - willkommen zurück! Ein weiteres Jahr, ganz der magischen Ausbildung gewidmet, erwartet euch..."
„Seine Hand war schon so, als ich ihn im Sommer gesehen hab.", flüsterte Harry uns zu. „Ich dachte eigentlich, er hätte sie inzwischen geheilt... oder Madame Pomfrey hätte das erledigt."
„Die Hand sieht aus, als wäre sie tot.", sagte Mine mit einem angewiderten Gesichtsausdruck. „Aber manche Verletzungen kann man nicht heilen... alte Flüche... und es gibt Gifte ohne Gegengifte..."
„...und Mr. Filch, unser Hausmeister, hat mich gebeten euch zu sagen, dass Scherzartikel, die in einem Laden namens Weasley's Zauberhafte Zauberscherze gekauft wurden, ausnahmslos verboten sind.
Die Schüler, die für ihre Quidditch-Hausmannschaft spielen möchten, wollten wie üblich ihre Namen bei den Hauslehrern hinterlassen. Wir suchen auch neue Quidditch-Stadionsprecher, die dies ebenfalls tun sollten.
Wir freuen uns, dieses Jahr ein neues Mitglied des Lehrerkollegiums begrüßen zu dürfen. Professor Slughorn" - Slughorn stand auf, sein kahler Kopf glänzte im Kerzenlicht, sein dicker, westenbekleideter Bauch tauchte den Tisch unter ihm im Schatten - „ist ein ehemaliger Kollege von mir, der sich bereit erklärt hat, seinen alten Posten als Lehrer für Zaubertränke wieder einzunehmen."
„Zaubertränke?"
Zaubertränke?"
Das Wort hallte durch den Raum, denn viele fragten sich, ob sie richtig gehört hatten
„Zaubertränke?", sagten Ron und Mine gleichzeitig, wandten sich um und starrten Harry an. „Aber du hast doch gesagt -"
„Professor Snape indes", sagte Dumbledore und hob die Stimme, damit sie das ganze Gemurmel übertönte, „wird der neue Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste."
„Nein!", sagte Harry, so laut, dass viele Köpfe sich zu ihm umdrehten.
Es war ihm scheinbar egal; wutentbrannt starrte er hoch zum Lehrertisch.
Währenddessen kam ich nicht umhin mich für Sev zu freuen.
„Aber, Harry, du hast doch gesagt, Slughorn würde Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten!", sagte Mine.
„Das dachte ich auch!", entgegnete Harry.
Sev, der rechts von Dumbledore saß, stand nicht auf, als sein Name erwähnt wurde, sondern hob nur eine Hand, um lässig den Beifall vom Slytherin-Tisch zu quittieren.
„Also, einen Vorteil hat es.", sagte Harry grimmig. „Am Ende des Schuljahrs ist Snape weg."
„Was soll das heißen?", fragte Ron.
„Dieser Job ist verhext. Keiner hat es länger als ein Jahr geschafft... Quirrell ist sogar dabei gestorben. Ich persönlich drück die Daumen, dass noch einer stirbt..."
Empört und wütend sah ich Harry an.
„Harry!", sagte Mine schockiert und vorwurfsvoll.
„Harry, Sev ist mein Onkel, also sprich diesen Gedanken nie wieder aus.", fauchte ich ihn an und wendete mich dann von ihm ab.
„Vielleicht geht er am Ende des Jahres einfach wieder zurück auf den Zaubertrankposten.", überlegte Ron. „Dieser Typ da, Slughorn, will vielleicht gar nicht lange bleiben, genau wie Moody."
Dumbledore räusperte sich.
Harry, Ron und Mine waren nicht die Einzigen, die sich unterhalten hatten; in der ganzen Halle hatte sich ein Stimmengewirr erhoben bei der Nachricht, dass Sev's Herzenswunsch sich endlich erfüllt hatte.
Dumbledore, dem offenbar nicht bewusst war, welch sensationelle Neuigkeit er gerade bekannt gegeben hatte, kündigte keine weiteren Veränderungen im Lehrerkollegium an, sondern wartete ein paar Sekunden, bis vollkommene Stille herrschte, ehe er fortfuhr.
„Nun, wie alle in dieser Halle wissen, sind Lord Voldemort und seine Anhänger erneut auf freiem Fuß und gewinnen immer mehr Macht."
Die Stille wurde drückend und angespannt, während Dumbledore sprach.
„Ich kann nicht nachdrücklich genug betonen, wie gefährlich die gegenwärtige Lage ist und wie sehr sich jeder von uns in Hogwarts darum bemühen muss, alles dafür zu tun, dass wir sicher bleiben. Die magischen Befestigungsanlagen des Schlosses wurden den Sommer über verstärkt, wir sind durch moderne und noch wirkungsvollere Mittel geschützt, und dennoch müssen wir uns gewissenhaft vor möglicher Fahrlässigkeit eines jeden Schülers oder Mitglieds des Kollegiums in Acht nehmen. Ich bitte euch deshalb dringend, jegliche Einschränkung aus Sicherheitsgründen zu beachten, die eure Lehrer euch möglicherweise auferlegen, egal wie lästig ihr sie auch finden mögt - insbesondere die Regel, dass ihr während der Nachtruhe außerhalb eurer Betten nichts zu suchen habt. Ich bitte euch inständig, falls ihr etwas Merkwürdiges oder Verdächtiges innerhalb oder außerhalb des Schlosses bemerken solltet, meldet dies sofort einem Mitglied des Kollegiums. Ich vertraue darauf, dass ihr euch zu jedem Zeitpunkt mit größtmöglicher Rücksichtnahme auf eure eigene Sicherheit und die aller anderen verhaltet."
Dumbledores blaue Augen glitten über die Schüler, dann lächelte er erneut.
„Doch nun warten eure Betten auf euch, so warm und bequem, wie ihr es euch nur wünschen könnt, und ich weiß, dass euch nichts so wichtig ist, wie gut ausgeruht zu sein für den morgigen Unterricht. Deshalb sagen wir gute Nacht. Tschau, tschau!"
Die Bänke wurden mit dem üblichen ohrenbetäubenden Scharren zurückgeschoben und Hunderte von Schülern begannen aus der Großen Halle hinauszumarschieren, in Richtung ihrer Schlafsäle.
Ich wünschte Harry und Ron eine Gute Nacht und verließ mit Draco die Große Halle.

Luna Black 6 - Harry PotterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt