L U N A
Ich wurde durch ein lautes Klopfen geweckt.
Verschlafen öffnete ich die Augen und stand vorsichtig auf, darauf bedacht, Draco nicht zu wecken.
Leise öffnete ich die Tür und blickte Sev entgegen.
„Morgen.", murmelte ich und rieb mir die Augen. „Was kann ich für dich tun, Liebster Onkel?"
„Guten Morgen.", schnarrte er. „Komm in einer Stunde in mein Büro."
Ich nickte und Sev verschwand.
„Warum musst du zu ihm?"
Erschrocken drehte ich mich um.
Draco war wach und blickte mir müde entgegen.
„Ich weiß es nicht, aber ich muss jetzt los.", sagte ich, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und lief in Richtung Tür. „Danke für den wundervollen Abend."
Draco lächelte verschmitzt.
Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf und verließ sein Zimmer.
Sofort lief ich hoch in den Gryffindor Gemeinschaftsraum und in meinen Schlafsaal, wo ich mich schnell frisch machte.
Dann machte ich mich wieder auf den Weg runter in die Kerker, in Richtung Sev's Büro.
„Potter hat die Erinnerung bekommen.", erklärte mir Sev direkt, als ich sein Büro betrat. „Los geht's."
Ich beugte mich über das Denkarium und spürte, wie meine Füße den Boden des Büros verließen.*•*•*•*•*•*•*•
Wieder einmal stürzte ich durch Dunkelheit und landete, viele Jahre zuvor, in Horace Slughorn's Büro.
Da war der viel jüngere Horace Slughorn mit seinem dichten, glänzenden, strohblonden Haar und seinem rötlich blonden Schnurrbart und wieder saß er in einem bequemen Ohrensessel in seinem Büro, seine Füße ruhten auf einem samtenen Polster und er hielt ein kleines Glas Wein in der einen Hand, während die andere in einer Schachtel mit kandierten Ananas stöberte.
Und da war das halbe Dutzend Jungen im Teenageralter, die um Slughorn herumsaßen, in ihrer Mitte Tom Riddle, an dessen Finger Vorlost's goldener Ring mit dem schwarzen Stein funkelte.
Sev landete neben mir, gerade als Riddle fragte: „Sir, stimmt es, dass Professor Merrythought in den Ruhestand geht?"
„Tom, Tom, wenn ich es wüsste, dürfte ich es Ihnen nicht sagen.", antwortete Slughorn und schlackerte missbilligend mit dem Finger zu Riddle hin, zwinkerte jedoch dabei. „Ehrlich gesagt, wüsste ich gerne, woher Sie Ihre Informationen bekommen, Junge; Sie wissen doch mehr als die halbe Lehrerschaft."
Riddle lächelte; die anderen Jungen lachten und warfen ihm bewundernde Blicke zu.
„In Anbetracht Ihrer unheimlichen Fähigkeit, Dinge in Erfahrung zu bringen, die Sie nicht wissen sollten, und Ihrer wohl bedachten Schmeicheleien wichtigen Leuten gegenüber - übrigens, vielen Dank für die Ananas, Sie liegen vollkommen richtig, die habe ich am liebsten -"
Wieder kicherten mehrere der Jungen.
„- bin ich voller Zuversicht, dass Sie innerhalb von zwanzig Jahren zum Zaubereiminister aufsteigen werden. Fünfzehn, wenn Sie mir weiterhin Ananas schicken. Ich habe ausgezeichnete Beziehungen zum Ministerium."
Tom Riddle lächelte nur, als die anderen erneut lachten.
Mir fiel auf, dass er keineswegs der Älteste der Gruppe von Jungen war, aber sie blickten offenbar zu ihm als ihrem Anführer auf.
„Ich weiß nicht, ob Politik mir liegen würde, Sir.", sagte er, als das Lachen verstummt war. „Zum einen habe ich nicht den richtigen Hintergrund."
Zwei der Jungen in seinem Umkreis sahen sich grinsend an.
Ich war mir sicher, dass sie sich über einen Witz amüsierten, den nur sie verstanden: Zweifellos ging es darum, was sie über den berühmten Vorfahren ihres Anführers wussten oder vermuteten.
„Unsinn", sagte Slughorn energisch, „bei Ihren Fähigkeiten kann es keinen Zweifel geben, dass Sie aus gutem Zaubererhause stammen. Nein, Sie werden es weit bringen, Tom, ich habe mich noch nie beim einem Schüler geirrt."
Die kleine goldene Uhr auf Slughorn's Schreibtisch hinter ihm schlug elf und er wandte sich um.
„Du meine Güte, ist es schon so spät? Dann geht mal besser, Jungs, oder wir kriegen alle Ärger. Lestrange, ich bekomme Ihren Aufsatz morgen oder es gibt Nachsitzen. Dasselbe gilt für Sie, Avery."
Einer nach dem anderen marschierten die Jungen aus dem Zimmer.
Slughorn stemmte sich aus dem Sessel und trug sein leeres Glas hinüber zu seinem Schreibtisch.
Ein Geräusch hinter ihm veranlasste ihn, sich umzudrehen; Riddle stand immer noch da.
„Nun sputen Sie sich aber, Tom, Sie wollen doch nicht während der Nachtruhe draußen erwischt werden, Sie als Vertrauensschüler..."
„Sir, ich wollte Sie etwas fragen."
„Dann nur zu, mein Junge, nur zu..."
„Sir, könnten Sie mir sagen, was Sie über... über Horkruxe wissen?"
Slughorn starrte ihn an und strich mit seinen dicken Fingern gedankenverloren über den Stiel seines Weinglases.
„Ein Projekt für Verteidigung gegen die dunklen Künste, oder?"
Aber ich spürte, dass Slughorn genau wusste, dass dies keine Schularbeit war.
„Nicht direkt, Sir.", sagte Riddle. „Ich bin beim Lesen auf den Begriff gestoßen und ich habe ihn nicht ganz verstanden."
„Nein... nun... Sie werden Schwierigkeiten haben, ein Buch in Hogwarts zu finden, das Ihnen genaue Auskunft über Horkruxe gibt, Tom. Das geht tief in die schwarze Magie, sehr tief.", sagte Slughorn.
„Aber Sie wissen natürlich alles darüber, Sir? Ich meine, ein Zauberer wie Sie - Verzeihung, ich meine, wenn Sie es mir nicht sagen dürfen, klar - ich wusste nur, wenn es mir jemand sagen kann, dann Sie - also dachte ich, ich frag einfach mal -"
Es war sehr gut gemacht, finde ich, das Zögern, der beiläufige Ton, die behutsame Schmeichelei, nichts davon übertrieben.
Mir war klar, dass Riddle diese Information unbedingt haben wollte; vielleicht sogar wochenlang auf diesen Moment hingearbeitet hatte.
„Nun", sagte Slughorn, der Riddle nicht ansah, sondern an der Kordel auf seiner Schachtel mit kandierten Ananas herumfummelte, „es kann natürlich nicht schaden, wenn ich Ihnen einen Überblick gebe. Nur damit Sie den Begriff verstehen. Horkrux ist das Wort für einen Gegenstand, in dem eine Person einen Teil ihrer Seele verborgen hält."
„Ich verstehe aber nicht ganz, wie das funktioniert, Sir.", sagte Riddle.
Er beherrschte seine Stimme mit Bedacht, doch ich konnte ihm seine Aufregung ansehen.
„Nun, man spaltet seine Seele, verstehen Sie", sagte Slughorn, „und versteckt einen Teil davon in einem Gegenstand außerhalb des Körpers. Dann kann man, selbst wenn der eigene Körper angegriffen oder zerstört wird, nicht Sterben, denn ein Teil der Seele bleibt erdgebunden und unbeschädigt. Aber, natürlich, die Existenz in einer solchen Form..."
Slughorn's Gesichtszüge erschlafften.
„...wenige würden das wollen, Tom, sehr wenige. Der Tod wäre dem vorzuziehen."
Doch Riddle's heftiges Verlangen war nun offensichtlich; die Gier stand ihm ins Gesicht geschrieben, er konnte sein Begehren nicht länger verbergen.
„Wie spaltet man seine Seele?"
„Nun", sagte Slughorn unbehaglich, „Sie müssen begreifen, dass die Seele eigentlich intakt und ganz bleiben sollte. Die Spaltung ist ein Akt der Gewalt, sie ist gegen die Natur."
„Aber wie macht man es?"
„Durch eine böse Tat - durch die böse Tat schlechthin. Indem man einen Mord begeht. Das Töten reißt die Seele auseinander. Der Zauberer, der einen Horkrux erzeugen will, nutzt den Schaden zu seinem Vorteil: Er schließt den abgerissenen Teil ein -"
„Schließt ihn ein? Aber wie -?"
„Es gibt da einen Zauber, aber fragen Sie mich nicht, ich weiß es nicht!", sagte Slughorn und schüttelte den Kopf wie ein alter Elefant, der von Mücken belästigt wird. „Sehe ich aus, als ob ich es ausprobiert hätte - sehe ich wie ein Mörder aus?"
„Nein, Sir, natürlich nicht.", sagte Riddle rasch. „Verzeihung... ich wollte Sie nicht beleidigen..."
„Keineswegs, keineswegs, ich bin nicht beleidigt.", erwiderte Slughorn schroff. „Es ist nur natürlich, bei diesen Dingen neugierig zu sein... Zauberer eines gewissen Kalibers fühlten sich schon immer zu dieser Seite der Magie hingezogen..."
„Ja, Sir.", sagte Riddle. „Was ich aber nicht verstehe - nur aus Neugier -, ich meine, wäre ein einzelner Horkrux den von großem Nutzen? Kann man seine Seele nur ein einziges Mal Spalten? Wäre es nicht besser, würde es einen nicht stärker machen, wenn man seine Seele in mehreren Teilen hätte? Ich meine, ist nicht beispielsweise sieben die mächtigste magische Zahl, wären nicht sieben -?"
„Beim Barte des Merlin, Tom!", japste Slughorn. „Sieben! Ist es nicht schlimm genug, sich vorzustellen, auch nur einen Menschen zu töten? Und auf jeden Fall... schlimm genug, die Seele zu teilen... aber sie in sieben Stücke zu reißen..."
Slughorn wirkte jetzt höchst beunruhigt: Er blickte Riddle an, als hätte er ihn noch nie klar gesehen und ich spürte, dass er es bereute, sich überhaupt auf dieses Gespräch eingelassen zu haben.
„Natürlich", murmelte er, „ist das alles hypothetisch, was wir hier besprechen, ja? Alles rein theoretisch..."
„Ja, Sir, natürlich.", sagte Riddle rasch.
„Aber trotzdem, Tom... behalten Sie für sich, was ich Ihnen - das heißt, was wir besprochen haben. Den Leuten wäre unwohl bei dem Gedanken, dass wir uns über Horkruxe unterhalten haben. Es ist ein verbotenes Thema in Hogwarts, wissen Sie... Dumbledore ist in dieser Sache besonders scharf..."
„Ich werde kein Wort sagen, Sir.", erwiderte Riddle und ging hinaus, doch ich konnte noch einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht werfen, das von wilder Glückseligkeit erfüllt war.
„Gehen wir.", murmelte Sev und nahm meinen Arm.*•*•*•*•*•*•*•
Als ich auf dem Boden des Büros landete, stellte Sev das Denkarium wieder in einen Schrank.
„Also hat Voldemort seine Seele in Stücke gerissen... Horkruxe... in sechs Horkruxe...", sagte ich. „Einen Horkrux hat Harry schon zerstört und einen weiteren Horkrux hat Dumbledore zerstört."
„Ja, Potter das Tagebuch von Voldemort und Dumbledore den Ring von Vorlost. Wegen diesem Ring hat Dumbledore auch eine schwarze Hand.", sagte Sev.
„Also nur noch vier Stück.", murmelte ich. „So wurde Voldemort unsterblich."
„Richtig, aber genug für heute. Du kannst jetzt gehen.", erwiderte Sev.
Ich wollte gerade das Büro verlassen, als Sev mich zurückhält.
„Luna? Dumbledore möchte dich und Harry bald auf einen... sagen wir Ausflug... mitnehmen, um einen weiteren Horkrux zu zerstören.", berichtete mir Sev.
Ich nickte und machte mich auf den Weg in den Unterricht, da ich für diese Erinnerung eine Stunde vom Unterricht befreit wurde.
Sechs Seelen... sechs Horkruxe... zwei zerstört und es fehlen noch vier.
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Luna Black 6 - Harry Potter
FanficEs scheint, als würde sich das sechste Schuljahr in Hogwarts für Luna Black und ihre Freunde inmitten der wachsenden Bedrohung durch Voldemort zu einem gefährlichen Abenteuer entwickeln. Strengste Sicherheitsmaßnahmen wurden ergriffen, um die Schüle...