Kapitel 1 - Letzte Nacht

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Kapitel 1 – Letzte Nacht

„Gute Nacht Tante Bells“, rufe ich in Richtung Wohnzimmer und erklimme die Treppe. „Nacht Mimi!“, höre ich meine einzige Tante rufen. Tante Bella ist die Schwester von meiner Mutter. Doch ich verstehe mich nicht wirklich mit Mom, deshalb bin ich mit 18 zu meiner Tante gezogen, die ich, bis ich 16 war, noch nicht einmal kannte. Bells ist für mich eher eine Freundin. Sie ist 25 Jahre alt (also bald 6 Jahre älter als ich) und wohnt in einem kleinen verschlafenen Dorf in Hessen – Ramholz. Die Leute hier sind alle ziemlich nett, aber auch alt. Mama wohnt auch in diesem kleinen Kaff.

Bei Papa in Berlin war alles viel schöner. Ich hatte coole Freunde, mit denen ich jetzt noch skype, was langsam aber sicher zu einer Rarität geworden ist. Ich hatte meinen eigenen Balkon. Wir haben immer zusammen frisch gekocht und uns nicht nur von Dosen-Ravioli ernährt. Er hat mir bei den Hausaufgaben geholfen. Ich bin oft zum Shoppen gefahren oder hab mich einfach mit Hayley auf ein Eis getroffen. Es war einfach nur fantastisch. „Papa... ich vermisse dich doch so...“, seufze ich.

Ich laufe den Gang entlang und öffne die Tür zu meinem kleinen aber feinen Zimmer. Hinter mir schlüpft mein Yorkshire-Terrier Rocky durch die Tür bevor ich diese schließe. In meinem Zimmer steht nur noch ein Bett und ein Hundekörbchen. Ich streife meinen hellgrünen Morgenmantel ab und lege mich – aufgeregt wie ich bin – in mein kuscheliges Bettchen. Ruhig atmend legt sich mein Liebling in sein Hundebettchen und ich höre seinen ruhigen Atem. Ich bin schon total aufgeregt und ich bin jetzt schon so unruhig wie ein kleines Kind am Morgen des heiligen Abends und kann es überhaupt nicht abwarten, dass ich auch die anderen WG-ler kennen lerne. Zuzu habe ich letztes Wochenende beim Möbelaufstellen mit Bella kennengelernt und sie war wirklich nett. Hoffentlich sind die anderen auch so offen...

Ich knipse die Nachttischlampe aus und sofort ist mein Zimmer in undurchdringliche Dunkelheit getaucht. Dann lasse ich mich in meine Kissen zurücksinken. Es ist still, aber nicht unheimlich still, denn man kann Bells schallendes Gelächter aus dem Wohnzimmer und Rockys leisen Atem hören. Es war eine beruhigende Stille, die einen besser einschlafen lässt. Ich werde Tante Bella so vermissen! Und meinen kleinen Yorkshire-Terrier Rocky. Leider darf ich ihn nicht mitnehmen und muss ihn hier in Ramholz zurücklassen. Aber bei Tante Bells ist er wenigstens gut aufgehoben, sodass ich ihn nicht in ein Tierheim geben muss. Das ist wenigstens ein beruhigender Gedanke. Ich kann meine Augen noch lange offenhalten. Ich sträube mich – jede Nacht auf´s Neue – davor einzuschlafen. Normalerweise würde ich mindestens bis 2 Uhr aufbleiben, aber morgen muss ich den Zug erwischen, wenn ich rechtzeitig in Berlin ankommen will. Bleib wach! Langsam fallen mir die Augen zu. Jetzt noch nicht! Ich öffne meine Augen wieder. Das packst du! Doch immer wieder zucken meine Augen und die Abstände, in denen mir die Augen zufallen, verkürzen sich unweigerlich. Und ein letztes Mal – so gegen halb 1 – wehre ich mich. Es dauert nicht lange und da bin ich auch schon weg...

Plötzlich bin ich wieder 15. Es ist Fastnacht-Abend. Ich trage mein Kostüm. Ein schwarzes Kleid was um meine Beine spielt. Ich habe so lange dafür gespart, so lange für diesen Maskenball. Eine rote Maske verdeckt Teile meines Gesichtes. Meine Lippen sind sorgfältig rot angepinselt und meine Finger in dem selben Ton lackiert. Ich habe den ganzen Nachmittag vor meinem Schminkspiegel verbracht für diesen einen einzigartigen Abend.

Wir steigen in den Wagen. Ich kann ganz genau hören wie „Father and Son“ im Radio gespielt wird und Dad mit-summt. Das Lied ist wunderschön und dieser Moment verzaubert mich. Wir sind schon fast da, doch plötzlich...

Wir beginnen uns zu drehen, wie in einem Kinderkarussell. Ich liebe die Karussells auf den Jahrmärkten, die wir jedes Jahr besuchen, doch dieses Drehen war unkontrolliert. Schnell. Unvorhersehbar. Wir werden schmerzhaft nach vorne geschleudert. Der Gurt schneidet schmerzhaft ins Fleisch. Das Hupen dröhnt in meinen Ohren... Stille...

Ich schreie auf. Es spielt sich alles vor meinem inneren Auge ab. Schon zum gefühlten tausendsten Mal. Meine Haare kleben mir im Gesicht. Das Laken ist schweißgetränkt und Rocky bellt hysterisch aus Angst. Ich habe ihn zutiefst erschreckt. Tränen rinnen mir unaufhaltsam die Wange hinunter. Tiefe Schluchzer dringen aus meiner Kehle. Ich zittere unkontrolliert und spüre die Wärme von jemandes Hand auf meinem Rücken. Ich schaue auf.

Tante Bella musste sich wohl unbemerkt neben mir aufs Bett gesetzt haben. „Ich bin bei dir“, flüstert Bells. Ich nicke aber immer noch weine ich. Ich schaukle leicht nach vorne und wieder zurück. Wie ein Kind, wenn es aus einem Alptraum aufgewacht ist. Jetzt war ich das Kind. Und dieser Alptraum handelt nicht von bösen Geistern, sondern von der Realität wie ich sie vor kurzer bitter erfahren musste. Ein Schauer durchfährt meine Glieder, erneut schluchze ich auf. Vorsichtig fragt Bella: „War es wieder dieser Traum?“ Ich nicke stumm. Wieder streicht Bells Hand über meinen Rücken.

„Geh duschen“, schlägt meine Tante vor und wieder nicke ich nur stumm. Sie meint es ja nur gut. Sie weiß ja nicht wie es mir geht. Also gehe ich duschen und versuche den Traum abzuwaschen. Ich lehne mich mit der Stirn an das kalte Glas der Duschkabine. Das Wasser prasselt gleichmäßig auf mich herab. Immer wieder schwirren mir die Bilder von diesem schrecklichen Traum durch meinen Kopf. Tränen rinnen immer noch ungehindert über meine Wangen...

Kalt brause ich mich ab und irgendwann – ich weiß nicht mehr wann; hab mein Zeitgefühl verloren – kuschle ich mich zurück in mein Bett. Tante Bells hatte mein Bett neu bezogen. Wie lieb ich Bella doch habe. Draußen dämmert es schon... ich musste also ziemlich lange geduscht haben. Ich war sofort wieder eingeschlafen und falle in einen unruhigen Schlaf...

Ich hoffe euch hat das erste Kapitel zu meiner neuen Story Mitten in Berlin gefallen! Ich möchte nur mal sagen, dass Feedback (Votes, Kommentare) einen Autor dazu anspornt weiterzuschreiben, es kostet einen nur weniges Sekunden, deshalb fänd ich es wirklich nett wenn ihr mir einen Komi darlasst!

Lg funcake99 

Mitten in Berlin *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt