Kapitel 9 - Frei

99 10 8
                                    

Kapitel 9 - Frei

Zum ersten Mal seit einer geraumen Zeit, wache ich so gut wie ausgeschlafen aus und mit einem breiten Lächeln im Gesicht und einem handfesten Vorhaben im Sinn. Ich setze mich auf und gähne erst einmal genüsslich. Von draußen fällt sanftes Licht in mein Zimmer, dass mich verwirrender Weise an Milchglas erinnert.

Der Traum von der Nacht zuvor ist verblasst, wenn nicht sogar verschwunden. Nur die Erinnerung an dieses einzigartige Erlebnis erscheint glasklar vor meinen Augen, wenn ich daran denke. Die Zweifel, dass diese eindrucksvollen Eindrücke nur ein Traum gewesen sein könnten, sind durch diese Klarheit verflogen.

Ich verlasse mein Bett und laufe auf Zehenspitzen über den eiskalten Boden zum Fenster. Ich öffne es und lasse die Natur herein. Eine leichte Brise streicht und weckt meine Gedanken und die Entschlossenheit den Vorsatz zu verwirklichen...

Dann angle ich mir mein Handy vom Nachttisch und entsperre mein Handy, das Ziel vor Augen. Ich atme einmal tief durch und tippe ihre Nummer ein, die mir so fremd scheint. Wie oft habe ich jemals dort angerufen? Ein wenig befällt mich das schlechte Gewissen, da ich eine so schlechte Tochter war. Aber wer hätte sich nicht so verhalten wie ich? Ich schiebe den beklemmenden Gedanken beiseite, der meinen Entschluss kurz zum Wanken gebracht hat. Ich atme ein letztes Mal aus, bevor ich den grünen Knopf betätige.

Es tutet in der Leitung, ich halte den Atem an, habe Angst, dass sie abnimmt und ich ihr sozusagen direkt gegenüber stehe. Im Hintergrund höre ich einen einzelnen Vogel singen und spüre, wie mein Herz holprig schlägt und ich meine schwitzigen Hände um das Mobiltelefon kralle, so als müsste ich mich retten. Und müsste mich um einen Rettungsring klammern, weil unterzugehen drohe. Mit jedem Tuuuuut! schlägt mein Herz schneller und meine Nerven werden weiter gespannt und weiter ausgereizt, wie ein Gummiband, das man spannt.

Doch meine Panik bleibt unbestätigt. Gott sei Dank! Die blecherne Stimme des Anrufbeantworters dringt durch den Hörer an mein Ohr. Ich atme befreit aus und ordne in Gedanken, was ich sagen werde.

...sprechen sie nach dem Ton. Pieeep! Ich ringe ein letztes Mal nach Mut und bringe mit leicht zitternder Stimme diese wenigen Worte zur Sprache: „Es... tut mir Leid..... Ich vergebe dir...“ Dann lege ich auf, werfe das Handy wie eine heiße Kartoffel auf´s Bett. Und seufze laut auf.

Ich fühle mich frei, frei von der Last etwas falsch gemacht zu haben, etwas herausgezögert zu haben und jemandem Unrecht getan zu haben. Schließlich konnte sie ja nichts dafür. Alle Last fällt von mir ab und weine Freudentränen. Im nächsten Moment will ich schon 'ich bin frei' laut aus mir herausschreien, als mir einfällt, dass es unklug wäre die WG-ler vor zehn Uhr an einem freien Tag zu wecken, in diesem Falle in der letzten Woche der Semsterferien bevor das Wintersemester beginnt.

Ich besinne mich also eines Besseren, schließe das Fenster wieder, schlüpfe in mein Cardigan und tapse barfüßig in die Küche. Dieser Tag wird ein guter Tag, denke ich still und heimlich. Auf Zehenspitzen versuche ich mir ein Glas aus dem Geschirrschrank zu fischen, doch irgendwie gelingt mir das nicht, bin wohl doch zu klein.

Ich erschrecke, als plötzlich jemand meinen Rücken streift. Ich drehe mich hysterisch um und sehe in ein breit lächelndes Gesicht. Dort steht Andrew lässig grinsend und fragt mit einem Oscar-verdächtigem Lächeln: „Willst du auch einen O-Saft?“

Ich pikse mehrmals in seinen muskulösen Oberarm, der wirklich ungemein scharft ist, „Das ist nicht fair!“ Ich strecke ihm trotzig die Zunge raus.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 14, 2013 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Mitten in Berlin *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt