KAPITEL XX | Todeswalze

72 9 0
                                    

Am nächsten Morgen wurde Niek von der wärmenden Sonne geweckt. Es war der erste Tag nach den Regenmonaten, an dem die Strahlen der Sonne wirklich Kraft hatten und seine Haut angenehm prickeln ließen.

Womöglich hatten sie den Übergang von den Regen- zu den Sonnenmonaten endlich hinter sich gebracht und somit auch das ewig schwankende Wetter. Der Gedanke veranlasste Niek dazu, sich motiviert aus seinem Bett aus Moos und Gras zu erheben.

Einige seiner Kameraden waren bereits wach und die, die es nicht waren, schlugen spätestens ihre Augen auf, nachdem Ningyo sich dazu entschied, ein schrilles Piratenlied anzustimmen, um den Morgen zu begrüßen.

„Bitte hör auf", flehte Jelger nach einer schier unendlichen Weile und glücklicherweise stimmte sich der Pirat gnädig und beendete das unmelodische Gekreische.

„Wenn wir dann alle so weit sind, können wir uns ja auch gleich auf den Weg machen", grummelte Bente, der gerade das letzte Ende der Decke in den Rucksack stopfte und sich diesen dann auch sogleich schulterte.

Kadira führte die Truppe zusammen mit Femke den Steilhang hinunter, wobei Femke hauptsächlich damit beschäftigt war, die Erfinderin davon abzuhalten, zu weit vorzurennen, weil diese ein fremdes Gewächs, prächtig anzuschauende Schmetterlinge oder Spuren im Boden entdeckt hatte und unbedingt danach forschen wollte.

Die Brünette hatte ihr Notizbuch aufgeschlagen und fertigte eifrig Skizzen von fremden Blumenarten und Pilzen an.

„Das ist der Grund, warum ich niemals Kinder haben wollen würde", drang Bentes rasselnde Stimme aus dem Hintergrund zu Niek hervor. „Meine armen Nerven liegen schon vom Zugucken blank. Wenn Kadira länger als einen Tag überlebt, würde es mich wundern."

„Herausforderung angenommen!", rief Kadira von vorne, die den Kommentar offensichtlich mitbekommen hatte, und rannte dabei unbekümmert herüber zu einem Gewächs mit gigantischen, fächerförmigen Blättern und hellen, gelben Blüten, die sich der Sonne entgegenstreckten.

Niek behielt ein Auge auf die Frau, während er weiterging. Es wäre nicht unwahrscheinlich, dass Kadira von einer Pflanze verschlungen werden würde und in solch einem Fall müsste ihr schnell jemand zur Hilfe eilen können.

„Ich hoffe, hier hinten gibt es immer noch Somnium", kommentierte die Brünette mit fortschreitender Wegstrecke.

Jorik wollte sie scheinbar beruhigen, als er sagte: „Wenn nicht, werden wir ein anderes Heilmittel für die Verletzten finden."

Doch Kadira warf ihm nur einen belustigten Blick über die Schulter zu. „Ich rede nicht von dem Nutzen für Verletzte", besaß sie die Dreistigkeit zu antworten und zeigte daraufhin mit einem Finger auf sich selbst, ehe sie sich sinnbildlich den Magen tätschelte.

Der Heiler rollte mit den Augen. Er sah so aus, als würde er überlegen Kadira eine Standpauke zu halten, sich dann jedoch aus unklaren Beweggründen dagegen entscheiden. Jeder sah so aus. Auch Niek fragte sich manchmal, ob man die Erfinderin manchmal darauf hinweisen sollte, dass es gewisse Grenzen gab, die sie gerne mal überschritt. Aber Alles in Einem gestaltete Kadira ihre Wegstrecke durch ihre Kommentare stets unterhaltsam, deshalb fand sich wohl jeder mit ihrer Art ab.

Als sie bald darauf den Fuß des Steilhangs erreicht hatten, eröffnete sich vor ihnen ein gigantischer, dichter Wald. Er ähnelte dem Wald, in dem Ekliptik lag, sehr. Die Bäume ragten hoch über ihre Köpfe und bildeten ein dichtes Blätterdach. Flechten hatten sich ihren Weg empor der Baumrinden bis zum lichteren, obersten Blattwerk gekämpft und Lianen hingen wie ganze Teppiche vom Geäst herab. Nur der Boden war matschiger. An einigen Stellen war er so aufgeweicht, dass nicht einmal mehr Farn dort wuchs. Stattdessen war der torfige Waldboden übersäht mit Pilzen aller Farben und Formen.

Dragontale - Etappe IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt