KAPITEL XXI | Narben erzählen Geschichten

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„Niek…“

Es war dunkel.

„Niek…“

Er wusste nicht, wo er sich befand und sein Körper war ihm irgendwie abhanden gegangen.

„Niek!“

Niek schlug seine Augen auf. Vor ihm leuchteten Smaragde. Er rollte sich zur Seite und hustete, bis er glaubte, seine Lungen müssten zerbersten. Ihm war schlecht und schwindelig und alles schmerzte – sein Körper, sein Schädel, alles.

Als er blinzelte, erkannte er, dass Taro über ihn gebeugt war und ihm die Wange tätschelte. Seine grünen Reptilienaugen bohrten sich bis auf seine Schädeldecke und Niek erinnerte sich, dass der zweite Kaprosuchus dieselben Augen besessen hatte. Taro musste sich verwandelt haben, um ihn zu retten.

Niek blickte sich röchelnd in seiner Umgebung um. Von dem wilden Drachen war nichts mehr in Sicht. Er bezweifelte, dass Taro ihn hatte töten können. Womöglich hatte er ihn verjagt. 

Nicht weit hinter ihm stand Jorik, der ihn besorgt musterte und daneben stand Kadira. Ihre Kleidung triefte und ihre braunen Haare sahen durch die Nässe beinahe schwarz aus, allerdings schien sie unversehrt.

Niek hingegen war nicht dazu zumute, sich vom Boden zu erheben.

„Hey, da bist du ja“, sprach Taro. Seine Stimme klang dumpf durch das Wasser, welches sich noch in Nieks Ohren befand.

Niek hustete. Seine Lunge brannte. Sein Kopf explodierte.

„Kannst du dich aufsetzten?“, fragte Taro.

Am liebsten hätte Niek verneint, stattdessen nickte er jedoch. Es brachte nichts, nun zu jammern. Sie mussten weiterziehen. Es war gefährlich hier zu bleiben.

Taro packte ihn daraufhin am Rücken und stützte ihn, als Niek sich schwerfällig in eine sitzende Position quälte.

Jorik kniete sich vor ihm hin und drehte seinen Kopf besorgt zur Seite, um seine linke Gesichtshälfte anzusehen. Der besorgte Blick des grauhaarigen Mannes sagte ihm alles.

„Ist es schlimm?“

Jorik verzog sein Gesicht. „Gut, dass wir Kräuter dabeihaben. Ansonsten könnte es sich schnell entzünden“, entgegnete er wage. Der Heiler griff daraufhin nach seinem Beutel voller Heilkräuter und zog ein Bündel hervor, in welchem eine schmierige Pflanzenmasse verpackt gewesen war. Die streng riechende Masse brannte, als Jorik sie auf seine Wange auftrug und ließ Tränen in seine Augen steigen.

„Es sind nur ein paar Kratzer…“, klärte Taro ihn zögerlich und nicht sehr glaubwürdig auf. Die Wärme seiner Hand auf Nieks Rücken drang stechend durch die nasse Kleidung auf seinen unterkühlten, zitternden Körper.

Anton kam ebenfalls an seine Seite und legte ihm die Decke über die Schultern, die sie vom Stamm mit auf die Reise bekommen hatten.

Er zuckte zusammen, als der Mann dabei seine gequetschte Schulter berührte.

Anton zog augenblicklich seine Hände zurück und der Blick aller fiel auf seine rechte Schulter und den dazugehörigen Arm, den er dicht an seinem Oberkörper hielt.

Femke schüttelte ihren Kopf. „Wir werden uns aufteilen“, beschloss sie. „Freyning und mindestens eine weitere Person werden mit dir zurückgehen. Ich und der Rest werden weitergehen und nach einem geeigneten zu Hause für uns suchen.“

„Nein!“, rief Niek und sein Schädel platzte ein weiteres Mal. Er biss die Zähne aufeinander und zischte: „Ich kann weitergehen. Ich werde euch nicht weiter aufhalten.“

Dragontale - Etappe IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt