KAPITEL I | Zodiac

89 6 5
                                    


Sie hatten Zodiac einmal erobert und sie würden es auch ein zweites Mal schaffen.

Das wollte Niek glauben, aber als Skalli sich mit den Van Loons zusammen auf die Theaterbühne in der Marktmitte begab und die Anwesenden beunruhigt anfingen zu tuscheln, war er sich nicht mehr ganz so sicher, was ihren Plan anging.

Sie hatten vorgehabt, dass sie Seite an Seite mit den Bürgern kämpfen würden - zumindest mit allen, die körperlich dazu fähig waren und sich dazu bereit erklärten -, aber diese schienen sich selbst noch nicht sicher zu sein, auf welcher Seite sie überhaupt standen. Sie hatten bei ihnen Schutz gesucht, weil klar war, dass sie ihnen nichts tun würden, im Gegensatz zu den Piraten und Drachen. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie auch ihr Leben für sie riskieren würden.

Bevor Skalli in die Öffentlichkeit getreten war, hatten er und Niek sich die Kleidung geschnappt, die Kadira aus dem Anwesen gerettet hatte, und hatten sich daraufhin hastig in einer ruhigen Gasse umgezogen. Niek war froh nicht mehr vor Blut zu starren und nach Tod zu stinken, nachdem er ein Bad in den Innereien eines Raptors genommen hatte. Er behielt seine Schulter-, Knie- und Armschoner, die teils mit Stacheln versehen waren, und auch seine Stiefel, aber seine Kleidung war nicht mehr zu retten. Ein schlabberiges, beiges Shirt mit einem schwarzen Pullover darunter, sowie eine neue Hose mussten herhalten. Die Kette mit seinem Zodiac-Symbol stopfte er in die Tasche seiner neuen Hose. Er trug sie noch immer bei sich, auch wenn er es manchmal vergaß, dass sie überhaupt existierte. Aber dann wurde er immer wieder von seinen Kameraden und all den anderen Bewohnern daran erinnert, wenn er die silbernen Ketten um deren Hälsen baumeln sah.

Auch Skalli sah mit seiner Rüstung aus Knochenpanzern und Stacheln wieder aus wie ein richtiger Soldat der Oberwelt, aber das Hinken konnte er auch vor den Bürgern nicht verstecken, egal mit welch stolzer, aufrechter Körperhaltung er die Treppe zur Bühne hinaufhinkte. Und so blickten sie skeptisch zu ihm auf und steckten ihre Köpfe zusammen, um zu tuscheln.

Skalli stand am vorderen Rand der Bühne und wurde flankiert von den Van Loons. Zu seiner Rechten hatte sich Vanessa positioniert und zu seiner Linken Rieka.

„Hallo Zodiac!", rief Skalli über die Menge und verschaffte sich dadurch endgültig die Aufmerksamkeit der versammelten Bürger. Jeder stellte das Tuscheln ein, sodass nur noch Skallis raue Stimme, klar durch die Höhle von Bezirk Libra schallte.

Niek hätte sich niemals getraut, so selbstsicher vor so vielen Menschen zu sprechen, aber die Stimme des Generals zitterte nicht einmal, als er verkündete: „Es gibt keinen Grund, um den heißen Brei herumzureden, also komme ich gleich zum Punkt: Die Piraten haben uns ausgetrickst und sind zusammen mit dutzenden, wilden Drachen in Zodiac eingedrungen. Wenn ihr es bis hierher geschafft habt, seid ihr zwar vorerst sicher, aber es ist keine Lösung, sich hier zu verschanzen. Wir müssen gegen die Piraten kämpfen und Zodiac zurückerobern." Skalli legte eine kurze Pause ein und ließ seinen Blick über die Menge schweifen, dann fuhr er fort: „Allein kommen wir jedoch nicht gegen die Eindringlinge an. Wir brauchen so viele Kämpfer wie nur möglich und deshalb wenden wir uns an euch. Wenn ihr dazu fähig seid zu kämpfen und dazu auch willig seid, dann bitten wir euch, uns anzuschließen."

Die Worte lagen für eine unerträglich lange Weile schwer in der Luft und überrollten die Menge wie tödliche Walzen.

„Ich dachte, ihr seid hier, um uns zu beschützen und nicht andersherum!", rief letztendlich jemand erzürnt aus der Masse.

„Wofür habt ihr denn all die Soldaten und Wachen, wenn sie nicht einmal für uns kämpfen können?", schrie ein Mann.

„Wieso sollten wir euch noch vertrauen und unterstützen, wenn wir nur wegen euch in dieser Patsche sitzen?"

Dragontale - Etappe IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt