So... ich lass das hier jetzt einfach mal passieren. Die Woche war absolut beschissen, das waren neue Abgründe. Also hab ich mir den Tag heute komplett frei genommen: Plätzchen backen, Pferdefilm mit der Schwester schauen und jetzt eben Schreibtherapie. In genau zwei Wochen ist nämlich Weihnachten, demnach ist es höchste Zeit, dass wir in Stimmung kommen (auch du, Marie)! Hier ein paar random Oneshots, die mir so eingefallen, hängen nicht zusammen, teilweise ziemlich kurz... Spielen alle im Dezember 2021, aber ohne Corona. Dreizehn Oneshots sinds, also jeden Tag einer bis Weihnachten oder einfach alle auf einmal. Viel Spaß beim Lesen!
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"Fahren Sie dieses Jahr gar nicht in Urlaub, Herr Professor? So kurz vor Weihnachten kutschier ich Sie normalerweise doch nur zum Flughafen."
Boerne sah von seinem Handydisplay auf und musste feststellen, dass Vater Thiel da recht hatte. "Haben Sie eigentlich recht", sagte er deshalb ganz frei heraus.
"Ich hab ja gehört, dass es da ganz tolle Kurztrips gibt... Waren Sie eigentlich schonmal in Amsterdam, Herr Professor?"
Nachdenklich spitzte er die Lippen und fuhr sich über seine Bartstoppel. Es war zwar nicht Amsterdam und ein spontaner Drogenurlaub, der ihn da nachdenklich gestimmt hatte, sondern viel mehr die Idee spontan über Weihnachten wegzufahren. Eigentlich tat er das immer, früher sogar jedes Jahr.
Aber dann war der Urlaub mal ausgefallen und dann nochmal und zwei Jahre später wieder und so fehlte die Routine. Er war ohnehin kein großer Weihnachtsmensch, Familie in Münster hatte er keine, und zu seiner Sippschaft rausfahren wollte er sicher nicht. Gedanklich schon irgndwo im Süden statt im verschneiten Münster zahlte Boerne Herbert Thiel ganz zwei Euro zu viel, als er das Taxi verließ.
Kaum hatte er seine vier Wände betreten, setzte Boerne sich in Gesellschaft eines Glases Rotwein an seinen Schreibtisch und durchforstete das Internet nach möglichen Reisezielen.
Als erstes stieß er tatsächlich auf Amsterdam - Thiel Senior hatte wohl recht, das würde sich schon machen lassen und recht billig war es noch dazu. Aber in Amsterdam frieren war nicht besser als in Münster frieren, auch nicht mit Joint im Mundwinkel. Bei aller Liebe, aber so enden wie Thiel Senior wollte er nicht.
Paris erschien ebenfalls, sogar noch etwas billiger, wenn er richtig verhandeln würde. Da lag zwar auch Schnee, aber Boerne war nach seinem Studium einmal im Dezember in Paris gewesen und das hatte sich doch durchaus gelohnt - trotz Schnee. Nachdenklich hob Boerne sein Glas an die Lippen, kam aber nicht dazu einen Schluck zu nehmen, weil in diesem Moment sein Handydisplay aufleuchtete. Kalendermemo, denn die Klemm hatte in einer Woche Geburtstag. Sein in Betracht gezogenes Spar-Bundle würde somit nicht funktionieren, das überschritt sich mit dem heiligen Tag der obersten Heiligkeit.
Boerne scrollte weiter. Vielleicht Skiurlaub? Das war nun doch schon eine Ewigkeit her. Wenn in den Schnee, dann entweder Paris oder Tirol. Neugierig überflog Boerne das Angebot. Etwas teurer, aber es lohnte sich. All inclusive, Spa, Whirlpool, Sauna, Buffet, Minibar im Hotelzimmer und - ein Pling seines Rechners. Boerne verdrehte die Augen, als die Mailadresse des Präsidiums erschien.
Eine Email von Schrader, der sich nach dem Obduktionsbericht für die Akte erkundete. Genervt klickte Boerne ein wenig auf dem Bildschirm herum, ärgerte sich, dass er das nicht schon vorher im Institut getan hatte, und verschickte die Mail. Überrascht starrte er dann auf sein Desktop. Hatte er tatsächlich die Seite geschlossen. Das wars dann wohl mit Tirol.Aber andere Länder hatten auch schöne Urlaubsziele. Thailand zum Beispiel. Da war er noch nie gewesen. So richtig gereizt hatte ihn das auch nicht, aber jetzt, wo er sich die Angebote so ansah... Das sah schon ganz nett aus, in seinem Budget war das auch.
"Boerne?!"
Thiel klingelte Sturm - mal wieder. Hastig nahm Boerne einen großen Schluck von seinem Wein, bevor er dem Störenfried die Tür öffnete.
"Thiel, mit Verlaub, aber... wie sehen Sie denn aus?" Irritiert musterte Boerne den Hauptkommissar, der beträchtlich grün im Gesicht war.
"Ham' Sie Dill oder Fenchel da?" presste der hervor.
"Wozu? Sie sind schon grün genug."
Thiel fasste sich an den Bauch, der lautstark protestierte. "Mein Vaddern meint, das hilft im Tee gegen Übelkeit. Ham' Sie oder nicht?"
Boerne hob beide Augenbrauen. "Hab ich, warten Sie kurz. Und wehe, Sie kotzen mir auf die Fußmatte, Thiel." Hastig verschwand er in der Küche, suchte Thiels Hausmittelchen zusammen und noch ein bisschen mehr.
"Was soll ich mit dem ranzigen Ingwer?"
"Der hilft auch, wahrscheinlich noch besser als die Kräuterchen hier. Mixen Sie einfach alles zusammen, wenn Sie sichergehen wollen. Wobei ich bei Ihren Teekochkünsten-"
"Ja, is' gut, Boerne. Danke." Mürrisch stapfte Thiel zurück zu seiner Wohnung.
"Was haben Sie überhaupt angestellt?" wollte Boerne dann doch noch wissen.
"Hab das Thai-Curry probiert, zu dem mir Nadeshda immer so geraten hab. Hab's bereut." Thiels Bauch rumorte lautstark, um dies zu untermalen. Die Tür des Kommissars fiel sogleich ins Schloss.
Boerne wanderte zurück an seinen Rechner und verzog das Gesicht. So wirklich Lust auf Thailand hatte er jetzt ja nicht mehr. Schulterzuckend schloss er die Anzeige und scrollte weiter durch die Tiefen Googles, hoffend, es würde ihn nun niemand bei seiner Recherche stören.
Dann irgendwann: Karibik. Boerne hätte sich selbst ohrfeigen können - dass er darauf nicht früher gekommen war! Die Karibik war perfekt. Sonnig, warm, genau seinem Standard entsprechend und kurzum einfach perfekt.
Aber er hätte es sich ja denken können - das Festnetz klingelte. Boerne schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass es nicht seine Schwester oder gar seine Cousine war, die ihn da anrief."Boerne", knurrte er säuerlich.
Sein Ärger verpuffte aber gleich beträchtlich, als er Alberichs Stimme am Ende der Leitung vernahm. "Hallo, Chef! Stör ich?"
"Ja", sagte er, ohne nachzudenken, legte aber nach: "Nein. Also... was ist denn?"
"Wegen der Obduktion morgen, könnten wir die auf übermorgen verschieben?"
Schon hatte Boerne nach seinem Terminkalender gegriffen und machte sich eifrig Notizen. Da musste er seine halbe Wochenplanung umschmeißen, aber Alberichs Eltern waren beide erkrankt und da musste sie jetzt eben einkaufen. Und, da Alberich ohnehin so viel zu tun hatte, konnte er sich ja auch mal nach ihr richten. Ein bisschen zumindest. Ehe Boerne es selbst merkte, plauderte er munter mit Alberich über alles mögliche, hörte sich ihre Sorgen bezüglich ihrer Mutter an, die kürzlich mit Demenz diagnostiziert wurde, und ihrem Vater, den das ordentlich mitnahm. Da sagte Boerne Alberich natürlich seine Unterstützung beim Einkauf zu und man könnte ja auch mal wieder ins Café gehen, damit nicht alles so trist war. Das Café am Markt übrigens...
Es war schon halb elf, als der Satz: "Ich wollt Sie eigentlich gar nicht so lang aufhalten" von Alberich fiel.
Boerne erhob sich mit knacksender Wirbelsäule von seinem Sofa und ging zurück zum Schreibtisch. Die Karibik, fiel es ihm wieder ein.
"Tut mir leid, Chef. Was haben Sie denn vorhin gemacht, bei dem ich Sie gestört habe?"
Boerne wiegte den Kopf hin und her. "Ein wenig Recherche bezüglich einem Kurzurlaub vor Weihnachten", gab er zu.
"Wie? Sie fahren über die Feiertage weg?" Das klang enttäuscht auf vielerlei Ebene.
Ein letzter wehmütiger Blick auf die Fotografie eines weißen Sandstrandes, dann versetzte Boerne seinen PC in den Ruhemodus. "Nächstes Jahr vielleicht, wenn es sich ausgeht. Dieses Jahr bevorzuge ich Weihnachten mit der... mit der Familie", antwortete er leicht senil grinsend, in Gedanken bei einem dezent bekifften Taxifahrer, einer bald 73-jährigen Staatsanwältin, einem überarbeiteten Kommissar, einem verfressenen Nachbar und einer großartigen kleinen Dame, von denen er sich einfach nicht losreißen konnte.
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Winterkrimi
FanficOneshots aus dem winterlich-weihnachtlichen Münster mit der ganzen Großfamilie!