Kapitel 7

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1 Jahr später

Ich duckte mich hinter einem Erdhügel und überlegte meinen nächsten Zug. Mir wurde die Leitung der Truppe zugeteilt, die aus meinen besten Freunden bestand. Glücklicherweise hatten sie keine Probleme damit meine Befehle auszuführen, doch der Druck der auf mir lastet war ungemein. Der kleinste Fehler konnte ein Leben auslöschen oder gleich alle aus der Truppe umbringen. Bisher haben wir unsere Einsätze immer mit bravour absolviert, aber wer wusste schon wie lange das Glück noch auf unserer Seite war.

Heute haben wir wieder einen neuen Auftrag bekommen und mussten eine kleine Stadt befreien, die von Rebellen besetzt wurde. Die Gefahr wurde eher als gering eingeschätzt, doch ich wollte mir erst ein eigenes Bild von der Sache machen und verschaffte mir erst einmal einen Überblick, indem wir etwas außerhalb die Stadt ausspähten. Die Sonne brannte unerbittlich auf uns herab und es viel mir schwer konzentriert zu bleiben. "Hast du schon etwas entdeckt?" meine Frage richtete sich an Raven die mit einem Fernglas konzentriert auf die Stadt schaute. Auch auf ihrer Stirn hatten sich unzählige Schweißtropfen gebildet und ihr Gesicht war durch die Hitze errötet. "Nein, es scheint alles ruhig zu sein." sie wendete sich ab und sank neben mir nieder. "Wie lautet der Plan?" fragte mich Lincoln und auch die anderen sahen mich erwartungsvoll an.

"Wir werden vorsichtig vordringen. Schießt nur, wenn ihr keine andere Wahl habt, ich will mit so wenig Toten aus der Sache kommen wie möglich. Raven und Lincoln, ihr kommt mit mir. Wir kommen von der rechten Seite und Murphy, Emori und Echo kommen von der anderen. Murphy, du leitest den Angriff... ich vertrau euch. So können wir sie hoffentlich überraschen und gut im Zaun halten."

Die anderen nickten mir zur Zustimmung zu und Murphy verschwand bereit mit den anderen und suchte einen guten Weg, um in die Stadt vorzudringen. "Bereit?" "Bereit." sagten Lincoln und Raven wie im Chor. Ich packte mein MK556 fester und stand auf. Ich lief in geduckter Haltung auf die Stadt zu, doch kurz bevor ich die Mauer erreicht hatte schlug in der Nähe eine Bombe mit einem heftigen Knall auf den Boden ein. Die Druckwelle riss mir den Boden unter den Füßen weg, sodass ich dumpf aufprallte. Für einen kurzen Moment war ich völlig benommen und hörte nur ein schrilles Piepsen in meinen Ohren. Ich drückte meine Hände auf meine Ohren in der Hoffnung das Geräusch etwas mindern zu können, doch es brachte nicht. Plötzlich spürte ich feste Griffe in meiner Schutzweste und wurde nach hinten gerissen. Erst jetzt bemerkte ich die dumpfen Schüsse, die das Land erfüllten.

"Lexa! Alles in Ordnung." Als ich die Augen öffnete sah ich Lincoln besorgten Blick. "Ja ich denke schon." murmelte ich und rappelte mich auf um mir einen Überblick zu verschaffen, "Verdammt wo kommen die denn alle her?" ich konnte mindestens zehn bewaffnete Rebellen ausmachen, wobei ich vermutete, das es noch mehr sind. Murphy konnte sich zum Glück auch in einer Art Schützengraben retten, genau wie wir. Echo und Emori waren auch an seiner Seite und alle drei schossen auf die Rebellen. "Es sind zu viele!" schrie Raven zwischen den Schüssen und konnte sich gerade rechtzeitig hinter dem Erdhügel verstecken, denn kurz darauf rauschte eine Kugel über uns hinweg. "Ich muss nachdenken." schrie ich zurück. Wie sollten wir hier bloß wieder lebend heraus kommen? Raven hatte recht, sie sind eindeutig in der Überzahl und wir hatten kaum Deckung oder Möglichkeiten einen Rückzug zu starten. Sobald wir unsere Deckung verließen, hatten sie ein freies Schussfeld auf uns und das bedeutete unseren sicheren Tod.

Ich schloss kurz die Augen und plötzlich sah ich Clarke vor mir. Ich vermisste sie so sehr und jetzt würde ich sie womöglich nie wieder sehen. Ich griff in meinen Brusttasche und zog ein zerknittertes Foto heraus, das Clarke und mich zeigte. Ich stand hinter ihr und umarmte sie von hinten und wir beide strahlten in die Kamera. Ich würde alles dafür tun diesen Moment nochmal erleben zu können. Doch gleichzeitig wurde mir bewusst, dass ich einen Ausweg finden musste. Nicht nur Ihretwegen und meinetwegen sondern auch für meine Truppe.

"Denk gefälligst schneller!" brüllte mir Raven entgegen und riss mich somit aus meiner Starre. Schnell verstaute ich wieder das Bild und robbte zu Raven und Lincoln. "Einer muss versuchen nach vorne zu kommen, während die anderen Feuerschutz geben. Dann haben wir eine bessere Position und können sie vielleicht doch noch überwältigen." "Bist du völlig Irre? Das schaffen wir doch niemals?" entgeistert sah Raven zu mir.

"Hast du etwa eine bessere Idee? Wenn ja ich bin für alles offen." Ich schaute sie herausfordernd an, doch sie hatte auch keine bessere Idee parat. "Dann wäre das ja geklärt. Ihr gebt mir Feuerschutz und ich versuche nach vorne zu rennen." "Ich komme mit." diesmal war es Lincoln der sich zu Wort meldete. "Nein, das ich zu gefährlich." "Ich komme mit. Wie haben wir wohl bessere Chancen? Wenn wir zu zweit laufen oder nur eine rennende Zielscheibe ihr Glück versucht?"

Widerwillig stimmte ich Lincoln zu und wir machten uns beide bereit. "Wehe einer von euch stirbt." Raven sah immer noch skeptisch drein, doch ich versuchte mich nicht verunsichern zu lassen. Meine Muskeln sind bis zum zerreißen gespannt und das Blut rauschte durch meine Ohren. Ich atmete ein letztes mal tief durch bevor ich Raven zunickte und wir beinahe gleichzeitig aus der Deckung kamen. Lincoln und ich rannten so schnell wir konnten und schossen dabei mit der Pistole so viele Rebellen ab, wie wir konnten, während Raven uns Feuerschutz gab.

Es fühlte sich an als würde alles in Zeitlupe vorbeiziehen und gerade als ich dachte wir hätten es geschafft, hörte ich einen Schmerzenslaut von Lincoln. Blitzschnell drehte ich mich um und sah wie er zusammensackte. Ohne länger zu überlegen, packte ich ihn an seiner schusssicheren Weste und zog ihn in die Richtung der Mauer. Doch plötzlich spürte ich einen brennenden Schmerz in meinem Bein. Jedoch ignorierte ich den Schmerz und schaffte es schließlich Lincoln und mich hinter die Mauer zu ziehen. Völlig außer Atem sah ich mir Lincoln nun genauer an und mir wurde schlecht bei dem Anblick. Er war bereit ganz blass und hatte viel Blut verloren. "Du wurdest angeschossen." stammelte er und erst jetzt bemerkte ich das auch ich eine Schusswunde am Bein hatte aus der eine Menge Blut quoll. Schnell presste ich eine Hand auf die Wunde und band mein Bein mit meinem Gürtel ab. "Halb so wild."

Ich beugte mich wieder über Lincoln und konnte feststellen, das eine Kugel ihn am Bauch getroffen hat. Womöglich war seine Schussweste beim rennen hochgerutscht dachte ich und presste schnell meine Hände auf die Wunde. Ich überlegte krampfhaft wie ich ihm helfen konnte, doch ich wusste er würde ohne Ärztliche Behandlung sterben. "Das wird wieder." stammelte ich und versuchte ihn aufmunternd anzulächeln auch wenn wir beide wussten, dass ich log. "Lexa... lass mich hier. Du... du musst den anderen helfen. Ich werde es nicht schaffen.... das weißt du." mit jedem Wort wurde seine Stimme schwächer doch ich wollte den Gedanken ihn zu verlieren nicht zulassen. "NEIN! Niemand wird zurückgelassen!" schrie ich und völlig überrumpelt von meinen Gefühlen liefen mir nun auch noch Tränen über die Wange. "Lexa.." "Hör auf! Ich werde dich nicht sterben lassen. Du... du bist mein bester Freund..... ich brauche dich doch!" rief ich verzweifelt und erschrack als ich sah, wie viel Blut er bereits verloren hatte.

"Ich werde immer über dich wachen. Ich liebe dich meine Kleine..." Kurz danach sank seine Hand nach unten und das Leben in seinen Augen erlosch. "NEIN!" schrie ich und robbte zu seinem Kopf. "Wach auf Lincoln. Wach auf, bitte tu mir das nicht an. Das ist meine Schuld. Das ist alles meine Schuld. Ich sollte an deiner Stelle liegen." ich schluchzte und zog seinen leblosen Körper zu mir um ihn ein letztes Mal zu mir um ihn zu umarmen. Doch ich wusste, das ich mich zusammenreißen musste, sein Tod sollte nicht um sonst gewesen sein. Also verdrängte ich all meine Trauer und lies nur noch ein einziges Gefühl zu und zwar Wut.

Ich spürte eine unbändige Wut in mir aufsteigen und diese Nutzte ich. Ich nahm seine Handgranate und schmiss sie in die Richtung der Rebellen. Nach einer weiteren Blendgranate verließ ich meine Deckung und schoss mit meinem Sturmgewehr auf die restlichen Rebellen. Gemeinsam mit der Unterstützung meiner Gruppe schafften wir es die Rebellen zu überwältigen. Als ich die Gegend gesichert habe, winkte ich die anderen zu mir.

Plötzlich tauchte ein letzter Rebell hinter einer Deckung hervor und ich hörte, wie er einen Schuss abfeuerte. Kurz darauf spürte ich einen stechenden Schmerz an meiner Schulte und ich stürzte nach hinten. Nach einem harten Aufprall wurde alles um mich herum ausgelöscht und ich sank in eine schwarze Welt. Eine Welt ohne Verantwortung oder Trauer.


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