Ein Abschied

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September 1971

Sirius

"Ich bin doch nicht lange weg."

"Es ist ein ganzes Jahr!" Regulus blieb stehen, um schmollend die Arme zu verschränken.

Mit einem Grinsen griff Sirius selbst nach seinem Gepäckwagen. Regulus hatte ihn angebettelt, ihn auch einmal schieben zu dürfen. "Ein ganzes Jahr, das ich nicht zu Hause sein muss. - Vielleicht komme ich in den Weihnachtsferien zu Besuch, wenn Miss Black es erlaubt."

Regulus verengte die Augen und sah mit ihm zurück zu ihren Eltern, die kurz vor dem Durchgang zur Plattform stehen geblieben waren und nun ungeduldig auf Regulus zu warten schienen. "Sie mag es nicht, wenn du sie so nennst."

Er zuckte mit den Schultern. "Und ich mag es nicht, wenn sie mich anschreit. Sieht aus, als würden wir beide nicht das kriegen, was wir wollen."

"...Du schickst ganz sicher einen Brief?", fragte Regulus leise, statt auf Sirius' Antwort einzugehen.

"Versprochen."

"Versprochen-Versprochen?", hakte Regulus nach, der Geist eines verschmitzten Lächelns auf seinen Lippen.

Sirius legte die Hand auf sein Herz. "Hoch und heilig. Du bekommst meine ganze Schokofroschkartensammlung- meine halbe Sammlung, wenn ich mich nicht dran halte."

Regulus' Grinsen wurde breiter. "Wenn Circe in der Hälfte dabei ist."

Seufzend schlug Sirius ein. "Erwarte meine Eule. Circe knüpfst du mir nicht ab, junger Herr."

"Das sagst du jetzt."

Er sah sich auf dem Gleis um. "...Der Zug fährt bald ab."

Mit einem Mal verschwand Regulus' Grinsen.

"Nächstes Jahr gehen wir zusammen," tröstete er. "Und vorher hast du ein ganzes Jahr Ruhe. Vielleicht erwischst du Miss Black auch mal wieder bei guter Laune, wenn ich nicht da bin."

Es schien, als würde Regulus versuchen, seinem Blick auszuweichen. "... Deine halbe Sammlung und Circe, wenn du nicht schreibst."

"Komm schon her, Idiot," murmelte Sirius und zog ihn in seine Arme. Für einen Moment machte Regulus Anzeichen, sich zu sträuben, vielleicht, um seinen überproportionalen Stolz zu schützen, dann versank er förmlich in der Umarmung. "Ich muss jetzt wirklich in den Zug, sonst verpass ich ihn noch. Genieß die Ruhe ohne mich."

Regulus blieb stehen und winkte ihm hinterher, bis er die Tür des Zuges hinter sich schloss.

Er war beinahe schon entschlossen, die Fahrt auf einem Gang zu verbringen, als er endlich ein Abteil mit freien Plätzen entdeckte, in dem nur vier andere saßen, augenscheinlich auch Erstklässler. Erleichtert schob er die Tür auf.

"Hey, kann ich hier sitzen?"

Ein Junge mit schwarzen Locken, die auf wundersame Weise noch unordentlicher waren als die von Regulus, bevor Walburga sie zähmen würde, und seine eckige Brille beinahe versteckten, sah zu ihm auf und grinste.

"Klar!" Er deutete auf einen freien Platz ihm gegenüber und legte, noch bevor Sirius sich überhaupt völlig hingesetzt hatte, einen Arm um den blonden Jungen neben sich. "Ich bin James. James Potter. Das ist mein Freund Peter Pettigrew!"

Peter grinste ebenfalls und winkte ihm zu.

James deutete auf ein Mädchen, das am Fenster kauerte. "Das ist Lily Evans." Ihr langes, rotes Haar verdeckte ihr Gesicht, doch als sie sich für einen Moment zu ihnen drehte, konnte er sehen, dass sie geweint haben musste. Auf dem Gleis hatte er sie mit einem blonden Mädchen gesehen, vielleicht war es ihre Schwester, die sie vermisste?

Zuletzt zeigte James auf den Jungen, der neben Sirius saß und in ein Buch vertieft schien. "Und das ist Remus Lupin. Sein Dad arbeitet im Ministerium!"

Remus hob den Kopf und nickte mit einem schüchternen Lächeln. Auch, nachdem er sich schon wieder seinem Buch zugewandt hatte, musterte Sirius ihn.

Seine Klamotten sahen alt aus, an manchen Stellen waren sie sorgfältig, aber trotzdem sichtbar, wieder zusammengeflickt. Er sah irgendwie müde aus, doch noch viel auffälliger waren die beiden langen weißen Narben, die sich quer über seine Nase zogen.

"Sirius...", stellte er sich selbst leise vor, ohne den Blick von ihm abzuwenden.

Nur aus dem Augenwinkel beobachtete er einen weiteren Jungen, der sich Lily Evans gegenübersetzte.

Manchmal war seine Zunge schneller als sein Verstand, doch er strengte sich an, sie in Zaum zu halten. So neugierig er auch war, es kam ihm etwas unhöflich vor, einen beinahe fremden Jungen zu fragen, woher er seine Narben hatte.

"Slytherin?", sagte James plötzlich und zog seine Aufmerksamkeit auf sich. "Wer will bitte nach Slytherin? Lieber würde ich gar nicht gehen, du nicht auch?", fragte er, an Sirrius gewandt.

"Meine ganze Familie war dort," gab er zurück. Er hatte schon geahnt, dass dieses Thema wohl früher oder später aufkommen würde.

James sah ihn überrascht an. "Verdammt, ich dachte, du wärst ganz korrekt..."

"Vielleicht breche ich ja die Tradition," beschwichtigte er und grinste bei dem Gedanken, wie wütend es Walburga wohl machen würde. "Wohin würdest du gehen, wenn du die Wahl hättest?"

James grinste breit und zog ein imaginäres Schwert. "Gryffindor, für die Mutigen. Wie mein Dad. Vielleicht auch Hufflepuff, wie meine Mum-"

Der Junge gegenüber von Lily machte ein missbilligendes Geräusch.

"Was, hast du ein Problem damit?", fragte James ihn.

Er hob abschätzig die Augenbrauen. "Nein, wenn du lieber auf pure Kraft als auf Verstand setzt-"

Sirius unterbrach ihn. "Und in welches Haus willst du dann, mit keinem von beiden?"

Während James in lautes Lachen ausbrach, stand Evans auf und sah mit gerümpfter Nase zwischen James und Sirius hin und her.

"Komm, Sev, wir suchen uns ein anderes Abteil."

"Ooo..."

Sie ließ die Tür hinter sich zufallen.

James warf ihm ein breites Grinsen zu.

Mit dem gleichen Grinsen hieß er ihn auch einige Stunden später am Tisch der Gryffindors willkommen und obwohl er sich nicht abhalten konnte, über die Reaktion seiner Eltern nachzudenken, hatte er das Gefühl, das nächste Jahr könnte das beste seines Lebens werden.


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