* Der falsche Bruder *

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August 1975

Sirius

Sirius wusste nicht, warum sie diesmal wütend auf ihn war. Das wusste er selten, schließlich hatte Walburga Black auch selten überhaupt einen wirklichen Grund, wütend zu sein. Oft glaubte er, sie war dann gerade deswegen wütend.

Sie zuckte mit dem Zauberstab und er hob die Arme vor seinen Kopf, als könnten sie ihn schützen, schloss die Augen, um sich so gut es ging für den Schmerz zu wappnen, der unweigerlich folgen würde-

Er folgte nicht. Stattdessen mischten sich Schreie durcheinander, und als er die Augen wieder aufriss, stürmte Walburga Black auf ihn zu. Auch wenn er feststellte, dass sie ihren Zauberstab neben sich auf die Treppen geworfen haben musste, stolperte er hastig rückwärts. Erst, als sie dort, wo er eben noch gestanden hatte, auf die Knie fiel, sah er die Gestalt, die dort kauerte.

"Nein! Regulus!", riefen sie nahezu gleichzeitig.

Es schien sie nicht einmal zu kümmern, dass er schockiert zu ihnen wankte. Sie packte Regulus bei den Schultern, er starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an und atmete schwer, und in ihren Augen blitzte ein Ausdruck von Wut, der Sirius' Herz für einen Schlag aussetzen ließ.

"Du- Du Monster! Du tust ihm weh! Du hast mir versprochen, dass du ihm nicht wirklich weh tust! Du hast es versprochen! Du-"

Dann verpasste sie Regulus eine Ohrfeige, die in dem plötzlich so stillen Flur widerhallte. "Dummer Junge, wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst dich nicht einmischen!"

Regulus sah nicht weniger geschockt aus, als Sirius es war. Langsam hob er eine Hand zu seiner Wange und in seinen Augen loderte etwas, das Sirius an jedem anderen Menschen als Hass bezeichnet hätte. Regulus aber liebte doch seine Mutter...

"Du Monster," zischte er noch einmal und stand auf unsicheren Beinen auf, dann griff er nach Sirius' Ärmel und zog ihn mit sich die Treppe herauf, ohne ihrer Mutter, die ihm seinen Namen hinterher rief, weitere Beachtung zu schenken.

"Reg, was-" Er stolperte ihm überrascht in sein Zimmer hinterher und Regulus warf die Tür mit einem Krachen hinter sich zu.

"Sie hat es mir versprochen!", schluchzte er nach einigen Sekunden angespannter Stille, nur gestört durch Walburgas Gezeter unter ihnen, und glitt mit dem Rücken an der Tür hinab.

Sirius setzte sich zögerlich neben ihn. So nahe war er ihm seit Jahren nicht gewesen.

"Hat sie dich getroffen?"

Regulus schluckte und starrte auf den Boden vor sich. "Was für ein Fluch war das?"

Er zuckte mit den Schultern. "Sie benutzt sie nie verbal. Manchmal sind es welche, die sich anfühlen wie Faustschläge, manchmal sind es eher Peitschenhiebe. Aber sie ist schlau genug, keine bleibenden Spuren zu hinterlassen."

Regulus schluchzte lauter und senkte den Kopf.

Zaghaft legte er ihm eine tröstende Hand auf die Schulter. "Lass uns weg von hier."

"Wir können doch nicht einfach abhauen."

"Klar können wir das. Weißt du, warum sie Onkel Alphard vom Stammbaum gebrannt hat? Er hat mir sein ganzes Erbe vermacht. Wir könnten zu meinem Freund, James. Seine Mutter ist ganz vernarrt in mich, ich bin mir sicher, sie wird sich über noch einen Sohn nicht beschweren."

"Es ist unsere Familie, Sirius..."

"Und?" Er stand auf und drückte ihm tröstend die Schulter. "Wenn sie das wieder macht, dann verschwinde ich. Und dich nehme ich mit."

-

Es war Stunden später, als Walburga Black leise die Treppen heraufging. Er erkannte sie an ihren Schritten, kannte das leise Quietschen von Regulus' Tür.

Und durch den Türspalt sah er sie, wie sie es jedes Mal tat, die eiskalten Hände gegen Regulus' Wangen legen, mit ihren Daumen die Tränen dort wegwischen. Heute brachte sie den rechten Daumen zaghaft über den roten Fleck, den ihr Ring auf seiner Wange hinterlassen hatte und Regulus zuckte für einen Moment zurück.

Dann ließ sie, wie jedes Mal, eine Hand auf seiner Wange und drückte seinen Kopf gegen ihre Brust, presste ihre Wange gegen seinen Scheitel und strich mit den dürren, weißen Fingern ihrer anderen Hand durch seine schwarzen Locken.

"Es tut mir so Leid, mein kleiner Prinz," beschwichtigte sie, wie jedes Mal. "Du weißt, dass Mum das nicht tun will. Das weißt du doch, oder?"

Wie jedes Mal nickte Regulus irgendwann zögerlich, schloss die Arme fest um sie und vergrub das Gesicht in ihrer Schulter.

Und wie jedes Mal schloss Sirius leise seine Tür und ging mit einem Gefühl tiefer Leere in sich zu Bett.

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