One Shots

Liebesapfel|BxB

Nervös schaute ich mich um. Überall Menschen. Jeder Quadratmeter war voll mit ihnen. Mal wieder griff ich in meine Jackentasche. Ich erfühlte die kleine Box. Wie all die Male zuvor verschaffte mir das Wissen, dass die Schachtel noch an Ort und Stelle war, für einen kurzen Augenblick Sicherheit. Mein Blick glitt wieder über die Menschenmassen. Nirgends gab es eine freie Stelle, geschweige denn einen geeigneten Ort für mein Vorhaben. Wieder der Griff in meine Jackentasche. "Jakob, siehe nur, da vorne gibt es Liebesäpfel. Lass uns einen kaufen und gemeinsam essen, so wie wir es früher immer getan haben, wenn wir auf Weihnachtsmärkten waren." Die Stimme holte mich aus meinem Teufelskreis des nervöser werdens. Diese eine Stimme hätte ich unter abermilionen wieder erkannt, schließlich liebte ich ihren Besitzer schon seit Kindertagen, so wie er es auch tat. Bereits mit neuen Jahren waren wir zusammen gekommen. Seitdem wichen wir einander nicht mehr von der Seite. Mit dem heutigen Tage wollte ich dieses Verhalten auch für die Zukunft sichern. "Willst du keinen Apfel?" Ein trauriges Augenpaar schaute mich an. Durch die Freude, die der Gedanken an unsere baldige Zukunft ausgelöst hatte, hatte ich vergessen meinem Freund zu antworten. "Doch, selbstverständlich." Die Augen wurden wieder fröhlicher. "Dann komm." Mein fester Freund griff mich bei der Hand und zog mich durch die Menschenmassen hin zu einem kleinen Stand mit allerlei Süßem. "Einen Liebesapfel bitte", bestellte der kleinere von uns beiden. "Sehr gerne, darf es für das Pärchen noch was sein?" Ich errötete. War unsere Zuneigung zu einander so offensichtlich? Im Gegensatz zu mir freute sich mein Liebster über das Bemerken unserer Beziehung. Er stand schon immer zu uns, egal wer unser Gegenüber war. Sein Griff um meine Hand, die er immer noch fest hielt, wurde stärker, während sein ohnehin schon bereits Grinsen noch breiter wurde. "Nein danke, wir wollen bei unser Tradition bleiben. Wissen Sie, damals, im ersten Winter unserer Beziehung, hatten wir nicht genügend Geld dabei, weshalb wir uns nur einen Liebesapfel leisten konnten. Denn haben wir dann zusammen gegessen." Er schaute mich kurz verträumt an. Mein Herz machte einen Sprung. Mal wieder wurde mir bewusst, wie sehr ich diesen jungen Mann liebte. Der Augenblick war verstrichen. Meine große Liebe wandte sich wieder zu der Verkäuferin um. "Und seitdem teilen wir uns jedes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt einen Liebesapfel."
"Was für eine schöne Tradition." Die Dame war sichtlich entzückt. "Hier habt ihr den am besten aussehenden Apfel." Strahlend nahm mein Freund das kandierte Obst an. Schnell bezahlte er und zog mich dann weiter. "Jetzt brauchen wir nur noch eine Bank." Suchend schaute er sich um. "Siehst du eine?" Ich wendete meinen Blick von ihm ab und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Tatsächlich erspähte ich eine Sitzgelegenheiten in einigen Metern Entfernung. Plötzlich wurde ich aufgeregt. Der Platz war perfekt. Der Busch hinter der Bank war mit einer Lichterkette geschmückt und es befanden sich keine Menschen in der näheren Umgebung. Es war wie für mein Vorhaben geschaffen. "Da hinten ist eine."
"Wo?" Obwohl ich mit dem Finger in die Richtung der Bank zeigte, konnte mein Freund sie nicht sehen. Wahrscheinlich war seine geringe Körpergröße der Grund dafür, dass er nicht über die Köpfe der Passanten, die den Blick auf die Sitzgelegenheiten versperrten, blicken konnte oder ich war einfach nur groß genug um den Überblick zu haben, vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem. "Komm." Diesmal ergriff ich die Initiative und führte meinen Liebsten zur Bank. Wir setzten uns. Gerade als mein Freund die Verpackung des Liebesapfels öffnen wollte, fiel die erste Schneeflocke des Jahres herab auf die Verpackung. Weitere folgten. Wir schauten hoch in den Himmel. Viele dicke Flocken fielen heran. Mein Freund liebte Schnee. "Siehe nur, es schneit!" Ich griff in meine Jackentasche. Meine Hand schloss sich fest um die kleine Schachtel. Jetzt oder nie. Ich zog die Box hervor, während ich von der Bank runter auf die Knie glitt. "Alex, ich liebe dich", begann ich meine Rede. Angesprochener wendete seinen Kopf zu mir. Mein Herz pochte wild. Ich holte tief Luft. So viele Gedanken waren auf einmal in meinem Kopf. Ich öffnete den Mund. Plötzlich war alles weg. Mein Kopf war leer. Kleine Silbe passierte meine Lippen. Auch wenn Alex mittlerweile bestimmt wusste was ich vorhatte, so wartete er trotzdem geduldig auf mich. Ein Mal mehr wurde mir klar, weshalb ich mein restliches Leben zusammen mit ihm verbringen wollte. "Ich hätte mir vorher einen Zettel schreiben sollen. Mein Kopf ist voll mit so viel was ich dir sagen möchte und doch kann ich meine Gefühle für dich nicht in Worte fassen, die sind einfach zu stark." Ein Lächeln legte sich auf die perfekten Lippen meines Geliebten. Er zog mich zu sich hoch auf die Bank. "Ein Kuss kann mehr Gefühle ausdrücken als Worte es jemals könnten", hauchte er nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Ohne zu zögern überbrückte ich den Abstand und küsste meinen Freund. All unsere Gefühle für einander wurden in diesem Kuss deutlich, so wie es jedes Mal geschah, wenn unsere Lippen aufeinander trafen. Wir lösten uns wieder. Ich öffnete die kleine Schachtel in meinen Händen. "Willst du mich heiraten?" Mein Gegenüber küsste mich erneut. "Ja, ich will." Der Liebesapfel, den wir daraufhin gemeinsam verspeisten, markierte unseren neuen gemeinsam Lebensabschnitt, so wie es damals der Apfel im ersten Winter unserer Beziehung getan hatte. In den folgenden Wintern behielten wir unsere Tradition weiterhin bei. Auch als alte Männer bemühten wir uns jedes Jahr zu selben Zeit aus dem nahe gelegenden Altersheim zum Weihnachtsmarkt um diese kandierte Frucht gemeinsam zu essen. Selbst als Alex verstorben war, kam ich weiterhin hier her um die Hälfte eines Liebesapfels zu essen. Die andere Hälfte stellte ich ihm jedes Mal auf sein Grab, damit auch er im Jenseits weiterhin an unserer Tradition festhalten konnte.