𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝙰𝚌𝚑𝚝𝚣𝚎𝚑𝚗

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Sechs Monate vor dem Unfall:

»Blake, ich versuche gerade, mich normal mit dir zu unterhalten. Das ist kein Grund, mich so anzufahren!« Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, Blake bei sich zu Hause auf sein Verhalten anzusprechen. So hatte ich keinerlei Fluchtmöglichkeiten und ich wusste ja, wozu Blake in der Lage war.

Er scheute sich nicht, Gewalt anzuwenden. Und genau das war ich leid. Aber ich war stärker geworden. Durch Julian hatte ich eine ganz andere Seite an mir entdeckt. Er machte mich zu einem besseren Menschen.

Er war auch der einzige, dem ich von Blakes ständigen Gewaltausbrüchen erzählt hatte. Mit niemandem sonst hatte ich mich getraut, darüber zu sprechen.

»Emilia. Du weißt genau, warum ich manchmal einfach dazu neige, auszurasten. Du benimmst dich wie ein kleines Kind!« Wütend ging Blake im Zimmer auf und ab.
»Es war nicht immer so zwischen uns!«

»Du hast recht. DU warst mal ganz anders.« Kopfschüttelnd kam er auf mich zu. Ja, ich hatte Angst vor ihm. Große Angst. Was konnte ich schon gegen ihn ausrichten?

»Geh jetzt! Du bist meine Zeit nicht wert!« Weil ich mich vor einem Schlag fürchtete, gehorchte ich. Mit gebrochenem Herzen, einer Panikattacke und heißen Tränen über meinem Gesicht verteilt eilte ich davon.

So konnte das nicht weitergehen, dass Blake mich physisch und psychisch immer wieder verletzte.

Gegenwart:

Ich bin definitiv betrunken. Aber im Moment macht mir das nicht viel aus. Ich darf auch meinen Spaß haben. Kurz glaube ich, mein Gehirn spielt mir einen amüsanten Streich. Warum auch sonst sollte Julian vor meiner Haustür stehen?

»Hi!«
»Hallöchen!« Ich lalle während ich versuche, gerade vor Julian zu stehen. Voller Freude strahle ich ihn an, stoße dabei jedoch heftig gegen den Türrahmen. Julian greift nach meinem Arm, bevor ich nach hinten kippe. »Bist du etwa betrunken?«

Kaum glaubt er mir mein Verhalten. Er verengt die Augen zu kleinen Schlitzen und betrachtet mich genauer. Dennoch scheint er für eine Sekunde belustigt zu sein, bevor ich antworte.

»Neeeein!« Mit großen Augen beuge ich mich zu ihm vor und gehe etwas auf die Zehnspitzen, bis ich lauthals zu lachen beginne und mein Kopf gegen Julians Schulter sinkt. Mein Becher ist mittlerweile fast leer, weil ich so viel verschüttet habe.

»Okay, okay!« Julian packt mich mit beiden Händen an den Schultern und stemmt mich hoch. »Wo sind deine Eltern?«, fragt er fürsorglich und redet immer lauter gegen die Musik an.

»Emiii!«, ruft auch die angetrunkene und sehr gut gelaunte Jo aus dem Wohnzimmer. Als sie Julian erblickt, stockt sie ihre Bewegungen, die wohl zu der Musik passen sollen, und kreischt dann auf. »Ahhh, Mädels wir haben Besuch!« Einige andere stecken ihre Köpfe in den Flur und grinsen über beide Ohren hinaus.

Julian verdreht die Augen. Ich lehne mich lässig mit dem Ellenbogen an einer Ecke an, verfehle jedoch mein Ziel und stoße das Regal hinter mir um. Das Telefon fällt zu Boden und die Batterien rollen über den Teppich. »Huch!«, gebe ich von mir.

»Also schön.« Julian betritt das Haus und schließt die Tür hinter sich. Es ist stockdunkel und sicherlich weit nach Mitternacht. Mein Gehirn ist zu vernebelt, um darüber nachzudenken, warum um alles in der Welt Julian hier mitten in der Nacht aufkreuzt. Ihm ist wohl selbst aufgefallen, dass wir allein sind.

»Komm doch rein!«, bietet Amy an und verschwindet dann wieder im Wohnzimmer. Ich höre bloß ihre laute, schief singende Stimme. Das Lied ist klasse. Grinsend lege ich den Kopf schief und betrachte Julian. Verschwommen sieht er immer noch unheimlich gut aus.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt