𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝚂𝚒𝚎𝚋𝚎𝚗𝚞𝚗𝚍𝚍𝚛𝚎𝚒𝚜𝚜𝚒𝚐

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Zwei Monate vor dem Unfall:

Schweißgebadet wachte ich auf, umgeben von völliger Dunkelheit. Das machte es mir umso schwerer, zu beurteilen, ob ich wirklich aufgewacht war. Doch als sich Julian neben mir rekelte, weil ich so schnell aufgeschreckt war, begann sich mein Puls zu beruhigen.

Seit ich wegen Blake und der Schule auch noch Stress zu Hause hatte, schlief ich mit jeder Nacht schlechter. Ich dachte eigentlich, wenn ich bei Julian war, würde es besser sein, aber mittlerweile musste ich die Tränen unterdrücken. Dabei wusste ich nicht einmal richtig, worum es in dem Traum ging.

»Em? Was ist los?«, murmelte Julian neben mir und drehte sich in meine Richtung. Mit der Hand tastete er im Dunklen nach mir und bemerkte, dass ich senkrecht im Bett saß. »Nichts«, antwortete ich.

»Albtraum?«, fragte er und ich nickte, obwohl er mich nicht einmal sehen konnte. »Komm her!«, flüsterte er und zog mich zurück auf den Rücken an sich heran. Beschützend legte er einen Arm um mich und vergrub sein Gesicht in meinem Haar.

Wieder einmal musste ich mir bewusst machen, dass es nur ein Traum war. Das hatte rein gar nichts zu bedeuten.

Gegenwart:

Ich kann nicht glauben, dass ich Julian wirklich gesagt habe, dass ich versuche, mich aus dem Haus zu schleichen, um zu ihm zu fahren. Weil die Temperaturen draußen nachts stark sinken, ziehe ich mir eine Strickjacke über und schleiche wie ein Indianer die Treppen nach unten.

Ich beschließe, durch die Tür zur Garage zu gehen, weil sie nicht so viel Lärm macht wie die Haustür. Dabei mache ich noch einen Abstecher in die Küche, um einen kleinen Zettel zu schreiben.

Ich vermerke, dass ich bei Jo bin, falls... ja, falls wieder so etwas passieren sollte, dass ich bei Julian einschlafe, worauf ich mich stark gefasst mache.

Fahrradfahren scheint mir um diese Uhrzeit zu riskant und als ich einsam in die Dunkelheit trete, bereue ich, Julians Angebot, mich abzuholen, abgeschlagen zu haben. Aber ich werde jetzt nicht kneifen. Ich weiß, wie laut das Garagentor ist, aber bis mich irgendjemand hören kann, werde ich schon weg sein.

In der Dunkelheit fällt es mir deutlich schwerer, den Weg zu Julians Haus auf Anhieb zu finden und ich brauche drei Anläufe dafür, in die richtige Straße einzubiegen. Ich parke auf einem freien Parkplatz gegenüber von dem Gartentor, das auf das große Grundstück führt.

Obwohl ich nirgends Jacobs Auto erkennen kann, wage ich es nicht, die Klingel zu betätigen. Stattdessen klopfe ich zart an die undurchsichtige Tür.

Als sich nichts tut, bin ich doch bereit zu klingeln. Allerdings scheint das gar nicht nötig, da im nächsten Moment Julian vor mir steht und mich ansieht, als sei ich von einem anderen Planeten.

»Du bist tatsächlich hergekommen!«, spricht er so, als habe er nicht erwartet, dass ich mich auch nur einen Zentimeter von meinem Grundstück rühren würde.

Mir scheint es, als habe die alte Emilia ganz sicher nicht solche nächtlichen Ausflüge gemacht.

Julian trägt nicht viel mehr als ein schlichtes Shirt und eine kurze Hose. Er sieht so unheimlich gut in dem blassen Mondlicht aus, dass selbst ich mir als fast kompletter Schatten nicht würdig genug vorkomme.

Wir verweilen noch kurz so vor der Tür, bis Julian seinen angelehnten Arm vom Türrahmen nimmt und ich eintreten kann.

Es ist gerade mal zwei Tage her, seit wir das letzte Mal allein waren, aber ich habe plötzlich eine solche Sehnsucht nach Julian, dass ich mich gar nicht richtig im Haus umsehe, sondern nur Augen für ihn habe.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt