Kapitel 12

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Kaum betrete ich das Gebäude, in welchem sich Delias zuhause befindet, umgibt mich eine wohlige Wärme. Das Wetter ist scheußlich. Zwar regnet es nicht, doch man merkt, dass die Temperaturen allmählich sinken. Der Herbst hat Einzug gehalten und anders als Zuhause fühlt es sich nicht danach an.

Daheim in Vermont färben sich die Blätter gelb, orange oder rot und hüllen jeden Zentimeter auf Straßen, Feldern und Gehwegen ein, während mich dieses Feeling in der Stadt kaum packen kann. Vermutlich liegt es auch daran, dass ich in diesem Jahr all die Veranstaltungen verpasse, die den Jahreszeitenwechsel zelebrieren.

»Ich glaube, ich muss jetzt auflegen«, sage ich zu Kian, der mich auf dem ganzen Weg hierher am Telefon begleitet hat.

»Natürlich«, sagt er und ich kann sein verständnisvolles Gesicht vor meinen Augen sehen. Kian ist jemand, der anderen nicht im Wege stehen möchte. Ich könnte ihm alles erzählen, und egal wie verwerflich es wäre, er würde mir trotzdem nicht das Gefühl geben, dass ich einen Fehler begangen habe. »Ich wünsche dir einen schönen Abend, Al. Und falls du später keine Lust auf Bahn fahren hast, mein Telefon ist laut.«

Ich lache. »Du bist verdammt hartnäckig, Kian Williams.«

»Ich bin vernünftig, Allison Brady. Also – falls etwas sein sollte, melde dich, ja?«

»Das mache ich«, sage ich und lächle.

Einen kleinen Augenblick ist es still zwischen uns und ich verharre einen Augenblick länger als nötig vor dem Aufzug.

»Wir sehen uns«, sagt er dann zum Abschied.

»Natürlich. Und Kian?«

»Ja?«

»Danke«, sage ich leise. »Du weißt schon – fürs Gesellschaft leisten.«

»Jederzeit«, erwidert er und ich weiß, dass er es meint.

Wir legen auf und ich verstaue das Handy in meiner Manteltasche, als Quinn mit einem Grinsen neben mich tritt.

»Oh, hi«, sage ich überrascht. »Bin ich etwa an dir vorbeigelaufen?«

Sie kichert. »Irgendwie schon, aber nachdem ich nun weiß, dass du mit Kian telefoniert hast, wird mir einiges klar.«

»Was?«, frage ich und schaue sie verwirrt an.

»Na – zwischen euch knistert es«, sagt sie und stößt mir in die Rippen. »Keine Sorge. Ich werde es niemandem erzählen. Auch wenn eure Blicke ohnehin ziemlich eindeutig sind.«

Ich reiße die Augen auf und schüttele energisch mit dem Kopf. »Da ist nichts. Wir sind Freunde und er hat mir auf dem Weg hierher etwas Gesellschaft geleistet.«

»Quatsch«, sagt sie und die Ironie in ihrem Ton beunruhigt mich. »Natürlich seid ihr nur Freunde.«

»Quinn!«, sage ich und halte sie zurück, bevor sie in die Aufzug treten will. »Ich meine es ernst.«

»Okay, vielleicht habe ich mich geirrt. Immerhin bist du an Jonah vergeben«, sagt sie und zieht mich auf.

»Ich wünschte, ich wäre nicht in dieser Lage«, sage ich seufzend. »Immerhin weiß Stacy nun Bescheid, sodass ich bei B&G wenigstens kein Spießrutenlauf mitmachen muss«, erkläre ich.

Quinn schnaubt und drückt auf den Knopf, damit uns der Fahrstuhl auf Delias Etage fährt. »Stacy ist mir in letzter Zeit ziemlich unsympathisch geworden. Von der solltest du dich nicht beeinflussen lassen.«

»Schwierig, wenn sie mein Schlüssel zum FIT ist«, widerstrebe ich und zucke mit den Schultern. »Außerdem kann ich es nachvollziehen. Wenn mein Ex-Freund aus heiterem Himmel eine Verlobung ankündigt-«

TendernessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt