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Nach dem Kampf mit Yeseda und der ganzen Aufregung war ich mehr als nur erschöpft. Ich hatte meine gesamte Energie für Yeseda verbraucht und ich wollte nichts mehr als schlafen. Bald würde ich mit meiner Mutter in Elysia leben und die Erde für immer verlassen und ich wusste nicht, wann und wie ich das meinen Freunden erklären sollte.
Womit ich auch nicht zurechtkam, war die Tatsache, dass der heutige Tag und die Geschehnisse meine Gefühle für Kellan hervorgebracht und verdeutlicht haben. Ich mochte Kellan und das machte mich traurig. Nicht nur weil ich wusste, dass er nicht so fühlte wie ich, sondern auch weil ich ihn vermutlich nie wieder sehen würde.
Nach dem Kampf hatten wir uns direkt auf den Weg zum Grafenhaus gemacht, um uns auszuruhen, bevor wir zurück nach Civita reisen würden. Graf Rhalgar hatte sich bei mir entschuldigt für sein damaliges Verhalten und sich bedankt, dass ich seine Tochter gerettet hatte, doch bei dem gesamten Gespräch war ich nicht wirklich aufmerksam und nickte nur als Antwort.
Mit schwachen Gliedern und müden Augen legte ich mich in das Gästebett und brauchte nicht lange, bis ich einschlief. Doch ich hatte keinen guten Schlaf. Ich drehte mich im Bett hin und her auf der Suche nach einer angenehmen Schlafposition und vor meinem geistigen Auge wiederholte sich der heutige Tag. Die Angst, die mir bis in die Knochen gewandert war, kam wieder hoch und die Panik, die ich gespürt hatte, als Yeseda drauf und dran war Kellan zu töten. Mir war heiß und kalt und ich schwitzte ohne Ende. Die Decke hatte ich bereits am Bettende herunter getreten und ich spürte wie mein Herz mir bis zum Hals schlug. Ich fühlte mich hilflos. Und da wusste ich es. Ich hatte Angst ohne Kellan zu sein. Er hatte mich so oft beschützt und obwohl er mich nervte, hatte ich mich bei ihm immer sicher und wohl gefühlt. Er war mein Fels in der Brandung.
Bei dieser Erkenntnis riss ich meine Augen auf und setzte mich auf. Meine Atmung ging schnell und ich strich mir meine Strähnen aus dem Gesicht. Verdammt. Ich wusste ich konnte niemanden erzählen, dass ich in Kellan verliebt war. Es machte alles nur komplizierter und meinen Abschied schwerer. Ich wollte die Erde ohne Probleme verlassen.
Als ich mich etwas beruhigt hatte, sah ich mich in dem kleinen Zimmer um. Es war stockfinster, doch ich erkannte durch das Fenster den langsam heller werdenden Himmel. Es war also sehr früh morgens. Ich beschloss, dass es keinen Sinn machte, zu versuchen weiter zu schlafen, daher stand ich auf und ließ heißes Wasser in die Badewanne im Bad laufen.
Frisch gewaschen und mit weniger schmerzenden Gliedern, zog ich mir ein einfaches braunes Kleid an, dass im Schrank hing – wem es auch immer gehörte – und flocht meine nassen Haare, um sie dann zu einem ordentlichen Knoten zusammenzudrehen. Mittlerweile war die Sonne bereits ein wenig über dem Horizont aufgegangen und die ersten Sonnenstrahlen erleuchteten Himmel und Erde. Ich atmete tief durch. Der Anblick der Sonne hatte mich schon immer mit Freude erfüllt und auch heute wurde mir ganz warm.
Leise öffnete ich die Zimmertür und trat heraus auf den Flur. Mit noch leiseren Schritten lief ich durch die Flure bis zur Tür, die zum Garten führte und ging hinaus. Ich roch das Gras und die Blumen, die mit dem Morgentau bedeckt waren und ging langsam im Garten spazieren. Gedankenverloren glitt ich mit den Fingern über Blätter und Blüten und erfreute mich an ihrem Anblick. Ich weiß nicht, wie lange ich in diesem Garten war, doch ich weiß, dass ich nur an eine Person gedacht hatte. Und es brach mir das Herz. Ich war nicht geschaffen worden, um zu lieben und zu leben. Ich war geschaffen worden, um die Erde zu beschützen. Und dieses Schicksal hatte ich angenommen.
Noch am selben Tag kamen wir abends in Civita an und berichteten dem König, was vorgefallen war und dass Yeseda besiegt worden war. Er war uns allen und besonders mir unendlich dankbar und ernannte mich zu einer offiziellen Rittersfrau des Königreiches. Ich war dankbar und freute mich, dass ich nun, wie Mari zur Garde gehörte, doch meine Freude verging schnell.
Fünf ganze Tage lang herrschte Chaos im Schloss. Alle bereiteten sich auf die Hochzeit von Rhaka und Finnian vor und Rhaka zog Mari, Cali und mich regelmäßig zu Rate – egal worum es ging. Hochzeitskleid. Schuhe. Schmuck. Frisur. Sie wollte unsere Meinung hören und wir berieten sie gerne.
Marigold und Calima waren sich nähergekommen und ich konnte sehen, wie sehr sie sich mochten. Ich war mehr als glücklich, dass sich die beiden gefunden hatten. Ich war sogar neidisch auf die beiden, aber ich ließ mir nichts anmerken. Krampfhaft hatte ich versucht die letzten Tage jedes Gefühl, das ich hatte, zu unterdrücken und einfach freundlich und nett zu wirken – glücklich zu wirken -, um meinen Abschied von den anderen und meine dazugehörige Traurigkeit zu verbergen und die Vorfreude auf die Hochzeit nicht zu gefährden.
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Natures Heritage
FantasyGwen führt ein einfaches Leben im Königreich Emberess. Sie hat ein Haus für sich allein, Freunde fürs Leben und verkauft voller Stolz die wunderschönen Töpferwaren der Gräfin von Meran, doch ist das wirklich alles was sie ist? Diese Frage muss sie s...