Kapitel 1

920 53 31
                                    


„Vor Ihnen liegt eine Kopie des Kaufvertrags, die ich jetzt verlesen werde. Sollten Sie noch irgendwelche Fragen oder Anmerkungen dazu haben, so heben Sie einfach die Hand." Ich nickte und schaute kurz zu meinem Dad, der mich als seelische Unterstützung begleitet hatte, und mir kurz zu zwinkerte. Ja, er hatte mit so etwas ja schon mehr Erfahrung. Ich hörte den Worten des Notars genau zu. Nachdem er die fünfzehn Seiten vorgelesen hatte, wandte er sich wieder uns zu. „So, da es von Ihnen keinerlei Einwände gab, können dann beide Parteien hier nacheinander unterschreiben. Herr Pflüger als Verkäufer bitte zu erst. Dankeschön. Und jetzt Herr Goretzka als Käufer. Ich griff mir den Stift, den mir der Notar reichte. Meine Hand zitterte leicht als ich meinen Namen unter den notariellen Kaufvertrag setzte. Aber das war ja auch kein Wunder. Hallo, ich war gerade einmal zwanzig. Und wie viele Zwanzigjährige kauften sich wohl ihre erste Wohnung? Also wirklich kaufen, so von wegen Eigentumswohnung und nicht von wegen mieten, wie Mietwohnung! Ein ziemlicher Stolz überkam mich. Ja, ich hatte das ganz genau berechnet. Mit dem Geld aus dem Sparfond, den Papa und Mama für mich zur Geburt angelegt hatten und der jetzt mein 30 prozentiges Eigenkapital darstellte, war es gar nicht so schwierig noch die Restfinanzierungslücke durch eine Grundschuld zu schließen. Der Zinssatz für den Kredit war so gering, dass ich am Ende weniger für die Abzahlungen zahlte, als für die Hälfte der Miete.  Natürlich war alles durch eine Risikolebensversicherung abgesichert, die den offenen Finanzierungsbetrag deckte, wenn mir etwas zustieß. Ich wollte ja schließlich niemandem Schulden hinterlassen. „Herzlichen Glückwunsch zu ihrer neuen Wohnung, mein Junge." Herr Pflüger klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. „Sie haben mich wirklich mit Ihrem Enthusiasmus überzeugt Ihnen die Wohnung zu verkaufen. Eigentlich wollte ich sie ja nur vermieten." Ja, das hatte er mir auch ziemlich genau klar gemacht, als ich ihn das erste Mal kontaktiert hatte, nachdem mir Max seine Daten gegeben hatte. Mir war aber zu dem Zeitpunkt schon klar gewesen, dass Mieten die wirtschaftlich gesehen schlechteste Variante war. Da zahlte man immer nur, ohne wirklichen Besitz zu erlangen. Das war ja wie das Geld in einen Gulli zu werfen. Nee, ich hatte in meinen Vorlesungen gut aufgepasst. Wohneigentum war immer eine der Säulen zur Sicherung des persönlichen Wohlstands. Und auch wenn mir der finanzielle Rahmen fehlte, um auch die anderen Säulen in Angriff zu nehmen, war mir doch gleich klar, dass ich zumindest diese Säule schon angehen konnte. Er schüttelte grinsend seinen Kopf. „Ich war damals auch nicht viel älter als ich meine erste Eigentumswohnung erworben habe. Das war zur Hochzeit mit meiner Frau. Wir haben es nie bereut, auch wenn wir nicht lange darin gewohnt haben, weil unsere Kinder geboren wurden und wir in ein Haus umgezogen sind. Trotzdem ist sie mir immer noch fest im Gedächtnis und ich besitze sie auch immer noch." Herr Pflügers Blick schweifte kurz in die Ferne. „Ja, sie ist sozusagen das Fundament der anderen Wohnungen, die ich besitze und vermiete." Er schaute zu meinem Dad. „Herr Goretzka, Sie können stolz sein auf Ihren Sohn. Er kann ziemlich überzeugend sein. Aus ihm wird mal ein richtig erfolgreicher Geschäftsmann. Das habe ich im Gefühl." Dad grinste breit und klopfte mir auch auf die Schulter. „Ja, da bin ich mir auch sicher." Ich spürte, ein warmes Gefühl in der Brust. Das nannte man wohl Stolz. Dad war sich also auch sicher, dass ich ein guter Geschäftsmann würde. Ein Gefühl der Zufriedenheit durchströmte mich. Ja, ich würde erfolgreich werden und meine Eltern stolz machen. Nicht umsonst hängte ich mich so in mein Wirtschaftsstudium hinein. Ich wollte in nicht all zu langer Zeit an der Spitze einer großen Firma stehen. Naja, und dann gab es da natürlich auch noch einen anderen Grund, warum ich unbedingt erfolgreich sein wollte, und der hieß Maja. Meine Freundin, mit der ich schon seit vier Jahren zusammen war. Ja, seit vier Jahren. Das war in meinem Alter vielleicht eine ziemlich lange Zeit, aber ich gehörte nicht zu den Leuten meiner Generation, die ihre Zeit damit verplemperten sich durch die Gegend zu vögeln und Erfahrungen zu sammeln, wie sie es dann nannten. Wozu auch? Jeder Mensch in der Wirtschaft wusste doch, dass nur langfristige Anlagen wirkliche Rendite brachten. Maja würde bestimmt vor Freude durch die Decke gehen, wenn sie erfuhr, dass ich ihre Wunschwohnung für uns gekauft hatte. Das sollte aber eine Überraschung werden. Ich hatte ihr erst einmal nur vage Hoffnung gemacht, dass wir uns vielleicht doch die Wohnung in dem Haus, wo ihr Bruder Max mit seiner Frau Leo wohnt, leisten könnten, wenn wir uns einen Job suchten. Alleine bei der vagen Aussage hatten ihre Augen schon glücklich zu glitzern begonnen. Und ich liebte dieses Glitzer in ihren grünbraunen Augen mehr als das Glitzern eines Bergsees. Und das wollte für mich als naturverbundenen Bayern schon was bedeuten. Glücklicherweise hatte ich mir auch gleich einen Werkstudentenjob bei einer in Dortmund ansässigen Unternehmensberatung an Land gezogen. Ja, das minimierte sowohl die Fahrtkosten als auch den Zeitaufwand, wenn wir dann in Dortmund und nicht mehr in Bochum wohnten. Man durfte ja nie vergessen, Zeit war auch Geld. Anstatt dumm im Stau auf der A40 zu stehen, konnte ich in der Zeit andere monetär messbare Tätigkeiten ausführen. Glücklicherweise brachte mein Job so viel Geld ein, dass wir darauf verzichten konnten, dass Maja auch einen Job annehmen musste. So wie es momentan aussah, war sie nach einigen Anlaufschwierigkeiten mehr als nur ein bisschen mit ihrem Studium beschäftigt. Aber okay, Informatik hatte ja auch nicht gerade den Ruf, einfach zu sein. Ich war schon mächtig stolz, dass sie sich da so durch biss. Mit ihrem Abschluss würde sie dann aber schon zu einem guten Lebensstandard beitragen können. Ja, ich hatte da schon einen genauen Plan aufgestellt. Wir brauchten beide noch vier Jahre bis wir unser Studium mit Master abgeschlossen hatten. Okay, wenn wir uns richtig reinhängten vielleicht auch ein Semester weniger. Dann würden wir uns im Anschluss einen gut bezahlten Job suchen und erst einmal die nächsten sechs Jahre die Karriereleiter erklimmen. Und dann in zehn Jahren lief unsere Zinsfestschreibung für die Wohnungsfinanzierung aus, so dass wir den geringfügigen Restbetrag durch das in der Zwischenzeit erarbeitete und gewinnbringend angelegte Geld tilgen konnten. Mit der Immobilie im Rücken, die uns dann vollumfänglich gehörte, konnten wir uns ein Haus finanzieren, heiraten und für Nachwuchs sorgen. Ja, mein Plan war total perfekt. Da konnte gar nichts schief gehen.

Schuss und Treffer- Spielplanänderung - Teil 10  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt