Kapitel 137

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„Luca, alles okay bei dir?" Mom strich mir sanft über die Schulter und schaute mich besorgt an, während sie mir eine Semmel auf meinen Teller legte. „Geht es dir wieder schlechter? Sollen wir noch einmal wieder zum Doktor?" „Ach Prinzessin. Das ist doch Quatsch. Er ist vielleicht ein bisschen ausgelaugt vom Nachholbedarf", grinste Dad und zwinkerte mir und Leonie zu. „Dat kennst du nur nich mehr." Mom hob ihren Blick und funkelte ihn an. „Kannst du eigentlich auch mal ernst sein?" Er nickte grinsend. „Dat bin ich." Ja, immer wenn Leonie in der Nähe war, verstärkte sich sein Pott Dialekt. „Und wenn du keinen Ohrenarzttermin brauchst, dann wüsstest du dat auch." Er kratzte sich kurz am Hinterkopf. „Oder du bist schon so alt, dat du dich nicht mehr daran erinnern kannst." Ich schaute zu Leonie, die damit kämpfte nicht loszuprusten. Im Gegensatz zu Mom, die Dad immer noch mit ihrem Blick fixiert hatte. „Na das ist ja dann wohl nicht meine Schuld, wenn i Spiewedheid osetz." „Wat?" „Spinnenweben ansetze", dolmetschte ich grinsend für die beiden Ruhrpottler. Irgendwie hatte Dad sich immer dagegen gesträubt Bayrisch zu lernen, obwohl er so lange in München gelebt hatte. Okay, sein entrüsteter Blick war zu viel für uns alle und ich fing genau wie die anderen an zu lachen. „So gefällst du mir schon besser." Mom drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich schaute zu Leonie, die mir einen auffordernden Blick zuwarf. Klar, hatte sie mich vorhin erst daran erinnert, dass ich meinen Eltern endlich die Sache mit der Exmatrikulation stecken musste. Sie hatte ja recht, genau wie Maja, die mir auch jeden Tag mindestens eine Nachricht schickte und mich anrief.  Trotzdem fiel es mir schwer, den richtigen Aufmacher zu finden. Wie sagte man seinen Eltern, dass man total versagt hatte und enttäuschte sie? Gab es dafür einen perfekten Zeitpunkt? Irgendwie nicht. Jedenfalls nicht in den letzten drei Tagen. Okay, die hatte ich vielleicht auch gebraucht, um mir selbst noch alles einmal durch den Kopf gehen zu lassen und eine Entscheidung über die Zukunft zu treffen. Gebracht hatte es bis jetzt noch nichts. Ich hatte nur verschiedene Möglichkeiten erarbeitet, die alle nicht wirklich das waren, was ich wollte. Ich wollte Wirtschaft studieren......und nicht eine Ausbildung machen oder afrikanische Kunstgeschichte studieren.....aber, was hatte ich sonst für Möglichkeiten. Leonie zwinkerte mir aufmunternd zu. „Ich muss euch was .....was sagen", nahm ich also meinen ganzen Mut zusammen. Dads Blick wanderte zu Leonie, die zufrieden grinste. „Ich werde Opa. Heiliger Strohsack." „Nein, nicht das ich wüsste. Da musst du schon Lucy fragen", beeilte ich mich, ihn zu korrigieren. „Es....es ist etwas anderes", stotterte ich wieder los. Verflucht, warum fiel mir das so schwer? Meine Eltern würden mir schon nicht den Kopf abreißen. „Ich habe Scheiße gebaut", gab ich mir einen Ruck. „Hast du Mama dein Auto geborgt und bist jetzt den Führerschein los wegen Behinderung des Straßenverkehrs?", lachte Dad und fing sich einen Boxer von Mama gegen den Oberarm ein. „Kannst du auch mal ernst sein, Krapfen? Außerdem besser als ihn wegen Tempoüberschreitung abzugeben, nicht wahr!" Mom schaute zwinkernd zu mir. „Was meinst du, warum dein Vater die nächsten zwei Monate Rad fährt? Nicht wegen des schönen Wetters im November und Dezember oder wegen der Fitness. Und jetzt raus mit der Sprache." Okay, dann war ich wohl wieder an der Reihe. „Ich bin exmatrikuliert worden, weil ich in der Ausarbeitung für das Seminar Sachen kopiert habe." So, jetzt war es raus. Mein Blick wanderte von Mom zu Dad und zurück. Beide schauten neutral und sagten erst einmal gar nichts. „Na die Spanier spinnen doch wohl total", legte Dad auf einmal los. „Bei den Strandverkäufern kriegste auch an jeder Ecke Plagiate und dat stört die nich." Er schüttelte seinen Kopf. „Die sollen sich mal nicht so kleinlich haben. Ich rufe gleich mal André an. Der kennt bestimmt einen guten Rechtsanwalt in Barcelona. Dat bekommen wir schon geregelt, dat du da weiter studieren kannst. Die Spanier machen doch sowieso nur Regeln, damit man sie auch brechen kann. Das ist doch sozusagen ein Nationalsport." Er griff sofort nach seinem Handy, das vor ihm auf dem Tisch lag. „Da ....da ist...." „Krapfen, lass den Jungen doch erst einmal ausreden", stoppte Mom ihn. Ja, da war noch mehr, auch wenn mich seine erste Reaktion ermutigte. „Ich bin auch in einer Prüfung durchgefallen und ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich überhaupt studieren sollte." Okay, jetzt war es wirklich raus. „Prüfungen kann man wiederholen", kam es von Mom. „Das ist nicht das Problem. Ich sehe eher das Problem in etwas anderem. Und da wollten wir eigentlich mit dir schon die ganze Zeit drüber sprechen." Ihr Blick fiel zu Dad, der sich räusperte. „Ja, Luca" Mist, wenn er so förmlich wurde, war das nie gut. „Wir finden, dass du dich auf dein Studium konzentrieren sollst und nicht die ganzen Jobs machst und nur nebenher studierst." Coole Idee, aber dachten sie vielleicht auch mal an meine Verpflichtungen? Die waren durch das blöde Plagiat nicht gerade kleiner geworden. Wahrscheinlich musste ich jetzt sogar das ganze Geld für das Stipendium zurückzahlen. „Das geht nicht, ich muss die Wohnung abzahlen und...." Mom hob ihr Hand, um mich zu stoppen. „Nein, musst du nicht. Das übernehmen wir ab jetzt. Es reicht doch wohl, dass du eine Herzmuskelentzündung hattest. Willst du so enden wie dieser Constantin?" Das war unfair, ihn gegen mich einzusetzen. Gestern erst hatte ich ihr von ihm erzählt. Aber sie hatte ja recht. So wollte ich auf keinen Fall enden, als Pflegefall in einem Pflegeheim. Ich schüttelte also meinen Kopf. „Wir haben lange genug mit angeschaut, wie du dich abgestrampelt hast." „So ein Plagiat und eine durchgefallene Prüfung sind aber ein Zeichen. Ich bin ein Loser." „Du bist kein Loser, du bist ein Goretzka!", polterte Dad sofort los. „Und ja, das sind Zeichen dafür, dass du zu wenig Zeit für dein Studium hattest. Nicht mehr und nicht weniger." „Da hat dein Vater vollkommen recht", stimmte Mom ihm sofort zu. „Seid ihr nicht enttäuscht von mir?" Beide schüttelten den Kopf. „Das wären wir niemals. Du bist doch unser Sohn." Mom war aufgestanden und zog mich in ihren Arm. „Es gibt nichts, womit du uns jemals enttäuschen kannst." Dad räusperte sich. „Das kannst du so nicht sagen, Prinzessin. Wenn er bei den Zecken Fußball spielen würde, das wäre schon eine Todsünde." Ich musste lachen, besonders auch über Leonies empörten Schnauber. „Da besteht absolut keine Gefahr." „Na dann ist doch gut. Dann können wir uns ja jetzt erst einmal etwas zwischen die Magenwände knallen und hinterher gehen wir deine Listen mit deinen Möglichkeiten durch, die du doch garantiert schon angefertigt hast." Ja, Dad kannte mich einfach zu gut. Natürlich gab es diverse Pro und Contra Listen. Mein Blick fiel zu Leonie, die mir stolz zuzwinkerte und den Daumen nach oben zeigte. Das war der Augenblick, in dem ich wusste, wie ich mich zu entscheiden hatte.....

Schuss und Treffer- Spielplanänderung - Teil 10  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt