Kapitel 133

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„Kommt ihr zu Weihnachten auch wieder in den Pott?" Dad schaute mich über seine Kaffeetasse hinweg an. „Also ich will zu Weihnachten schon in Äquatornähe sein", grinste Leonie versonnen. „Noch das Champions League Spiel nächste Woche und ich habe die Kohle beisammen." Ihre Stimme war von Stolz erfüllt. Deshalb bemerkte sie wohl auch nicht den skeptischen Blick meiner Mutter. Ja klar, fragte sie sich, wie ich wohl damit klar kommen würde. Sie hatte ja das Drama nach der Trennung von Maja und mir mitbekommen und wie es mir da gegangen war. Die Trennung von Leonie würde mich noch viel schwerer treffen. Das war mir schon klar, aber es war ja nicht wirklich eine Trennung, wenn sie nach Südamerika ging. Nein, es war nur eine örtliche Trennung auf Zeit, denn sie hatte mir versprochen, dass sie nur ein Vierteljahr dort bleiben würde, weil sie es länger auch nicht ohne mich aushielt. Man, hatte das gut getan. Und ich würde dieses Vierteljahr nutzen, um in Barcelona noch ein paar richtig gute Kurse zu absolvieren und ein paar super Noten hinlegen. Das machte sich dann super im Lebenslauf.....obwohl der mir nicht mehr ganz so wichtig war. Ein super Lebenslauf verschaffte einem zwar Zutritt zu den erfolgreichsten Jobs, aber das bedeutete in der Wirtschaft immer fast die Selbstaufgabe. Und eins hatte ich gelernt. Der Preis war mir zu hoch. Ich wollte einen gesunden Mittelweg mit einer ausgewogenen Work-Life-Balance. „Ich denke, ich bleibe auch in Spanien. Ich habe dann ja nur noch zwei Monate da und es gibt garantiert genug nachzuholen nach meiner Auszeit hier." Mom schaute enttäuscht. „Aber ihr bleibt doch wenigstens noch bis zu deinem Geburtstag?" In ihrer Stimme schwang so viel Hoffnung mit, dass ich die auf keinen Fall enttäuschen konnte und nickte. Okay, das waren dann noch fast vier Wochen. Also zwei Wochen mehr, als die veranschlagten sechs Wochen, die ich mich schonen sollte. Egal, die machten den Kohl auch nicht mehr fett. Und wenn ich Mom damit glücklich machte. Naja, ehrlich gesagt, würde es mir auch besser gefallen als an meinem Geburtstag dann alleine in Barcelona zu sitzen, während Leonie wahrscheinlich schon in die große weite Welt aufgebrochen war. „So, ich muss mich aber jetzt fertig machen, sonst komme ich zu spät zur Maloche." Meine Freundin sprang vom Frühstückstisch auf und ich folgte ihr schnell. So ein paar kurze Minuten noch alleine wären auch mal nicht schlecht. Bestimmt kam sie ja erst abends wieder. Außerdem hatte ich mir ja wohl einen ordentlichen Abschiedskuss verdient. „Und was hast du heute geplant?" Leonie schlüpfte in ihre Schuhe und schaute mich neugierig an. „Ich bin mit Maja verabredet. Sie will für ihren Freund ein Auto kaufen und Maja hat da nur so viel Ahnung von, dass sie den Zündschlüssel drehen kann. Deshalb soll ich sie unterstützen.  Das stört dich doch nicht?" Manno, die Frage hätte ich ja auch mal ein bisschen früher stellen können. Die wenigsten Frauen standen darauf, dass man sich mit seiner Ex traf. „Sollte es mich denn stören?", kam die Gegenfrage von Leonie und ihr Blick lag forschend auf mir. Mist, was sollte ich denn da sagen? Ich zuckte mit den Schultern. Mit zwei Schritten war sie bei mir und schlang ihre Arme um meinen Hals. „Jetzt schau nicht wie ein verängstigtes Karnickel. Ich vertraue dir. Und das Gleiche erwarte ich von dir, wenn ich in Südamerika bin. Und damit Punkt." Erleichtert atmete ich auf. „Fährst du mich dann noch in die Kneipe? Mit den Öffis schaffe ich es nicht mehr pünktlich." Ich schüttelte den Kopf. „Du kannst das Auto nehmen. Maja holt mich nachher ab." Leonie begann zu grinsen. „Perfekt." Sie hatte ja auch sonst immer mein Auto genommen. Während sie in ihre Jacke schlüpfte, begann sie breit zu grinsen und kam auf mich zu. Sie legte ihre Lippen auf meine und begann an meiner Unterlippe zu knabbern, während ich sie fest in meine Arme zog und meine Zunge sich auf Exkursion begab. Genau das war der Abschiedskuss, den ich mir vorhin am Frühstückstisch erhofft hatte. In meinen hintersten Gehirnwindungen begann Winnie Puh zusammen mit Minnie Maus eine heiße Rumba zu tanzen. Manno, noch zwei ganze Wochen Schonung waren angesagt. Das war ehrlich gesagt das ätzendste an der ganzen Sache. Aber da ließ Leonie auch nicht mit sich handeln. Aber eins war klar, wir würde den Tag, nach dem ich für gesund erklärt wurde, garantiert nicht das Bett verlassen. „Ach übrigens noch einmal zu deinen Befürchtungen, ich könnte eifersüchtig sein. Ich bin eine Großkreutz. Und wer mich zur Freundin hat, kann glücklich sein. Und wer es nicht zu schätzen weiß, hat mich auch nicht verdient", zwinkerte mir Leonie zu und ließ meine Zimmertür ins Schloss fallen. Ich musste schmunzeln. Ja, das war diese Selbstsicherheit, die ich an ihr so liebte. Ja, die musste ich auch haben, wenn sie in Südamerika war. Oder anders gesagt in fließend Großkreutzisch -  ich war ein Goretzka und wer das nicht zu schätzen wusste, hatte mich auch nicht verdient. Aber ich vertraute ihr da voll und ganz, so wie ich ihr auch vertraute, dass sie sich in ihrem Job nicht anbaggern ließ. Ja, so eine Beziehung basierte einfach auf gegenseitigem Vertrauen. Ich schaute auf die Uhr. Es war noch etwas Zeit, bis Maja kam. Die konnte ich ja nutzen, um nachzuschauen, ob mein letztes Prüfungsergebnis schon online war. Schnell hakte ich mich mit meiner Matrikelnummer in meinen Account ein. Na da waren doch die Ergebnisse. Nee, das konnte nicht wahr sein. Ich war durchgefallen. Das war mir noch nie passiert. Okay, ich hatte nicht viel Zeit zum Lernen gehabt. Ich atmete einmal tief durch. Das Ganze war so nicht geplant, aber okay, dann musste ich halt noch einmal ran. Wenn ich mich ab morgen da reinklemmte, war das überhaupt kein Problem. Ich hatte ja im Moment sowieso nicht viel zu tun, wenn Leonie arbeiten war. Dann hatte ich wenigstens eine sinnvolle Aufgabe, mit der ich mich beschäftigen konnte. Und wenn ich zurück in Barcelona war, bügelte ich das Ganze einfach wieder aus. Bei der Lernzeit, die mir jetzt zur Verfügung stand, sollte ich garantiert die volle Punktzahl erreichen. Beruhigt schlüpfte ich in meine Sneaker, als es unten klingelte. Mit einem Griff schnappte ich mir noch mein Handy und lief die Treppe hinunter. „Ähm, hallo Maja" Die Verwunderung meiner Mom war nicht zu überhören. „Hatten wir einen Termin, den ich vergessen habe?" „Nein, habt ihr nicht. Maja holt mich ab." Ich umarmte meine Ex und sie drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Na, dann lass uns los." Ich schnappte mir meine Jacke vom Haken. „Ähm...ja....dann wünsche ich euch viel.....Spaß. Aber denk dran, du sollst..." „Ich passe schon auf, dass er sich nicht überanstrengt", unterbrach Maja meine Mom und zog mich an meinem Arm zu ihrem Auto, das in unserer Einfahrt parkte. Als wir losfuhren stand meine Mom immer noch an der Tür und schaute uns hinterher. Ein Cent für ihre Gedanken. Ich musste schmunzeln. Nee, ich hatte da schon eine Ahnung, was sich da gerade in ihrem Kopf abspielte und war mir sicher, dass da nachher so einige Fragen auf mich warteten, wenn ich wieder nach Hause kam. Da hatte ich zwar nur wenig Lust drauf, aber das war jetzt auch egal. Jetzt genoss ich es erst einmal ein bisschen Zeit außerhalb der Fürsorge meiner Familie. Um das andere konnte ich mir später Gedanken machen.

Schuss und Treffer- Spielplanänderung - Teil 10  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt