Kapitel 120

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„Bist du okay?" Mom drehte sich vom Beifahrersitz zu mir um. So ging das jetzt schon die ganze Zeit, seit wir am Flughafen in Düsseldorf ins Auto gestiegen waren. So langsam nervte es echt. „Ja, ich bin okay. Du musst keine Angst haben, dass ihr meine Schulden erbt", brummte ich mit einem leichten Ansatz von Sarkasmus. „Das ist überhaupt nicht witzig, Luca!" Dad fand es scheinbar schon witzig, denn er gab einen belustigten Schnauber von sich. „Solange er Witze machen kann, geht es ihm gut", nahm er Mom den Wind aus den Segeln, als sie ihn sauer musterte. „Kerle. Halten doch immer zusammen", schnaubte sie und schaute aus der Seitenscheibe. Okay, dann hatte ich jetzt wohl die nächsten fünf Minuten Ruhe, bis wir zu Hause angekommen waren. Ich würde mich einfach in mein Bett verziehen und eine Runde pennen, dann ging es mir garantiert wieder gut. Vielleicht hatte ich in der letzten Zeit wirklich ein bisschen zu viel um die Ohren und zu wenig geschlafen. Dieses ganze Theater um meine Person war jedenfalls total übertrieben. Ich schaute auf mein Handy. Wo Leonie jetzt wohl schon war? Bestimmt schon in der Schweiz. Oder in Frankreich. Sie war ja vor sechs Stunden losgefahren. Scheiße, es gefiel mir überhaupt nicht, dass sie die ganze Tour alleine fahren musste. Was, wenn sie am Lenkrad einschlief? Oder eine Panne hatte? Manno, ich machte mir echt Sorgen um sie. Ich hätte einfach mitfahren sollen. Sollte ich sie anrufen und fragen, ob alles okay war? Lieber nicht. Nicht dass ich sie noch ablenkte und sie einen Unfall baute. Scheiße, ich sollte bei ihr sein. Oder sie bei mir. Wie auch immer. Mein Frühstück hatte sich in einen Backstein verwandelt, seit sie weggefahren war. Manno, sie fehlte mir. „Wenn wir zu Hause sind rufen wir gleich beim Arzt an. Damit Luca da heute noch hin kann." Manno, Mom! „Hast du mal auf die Uhr geschaut? Es ist schon nach 17 Uhr. Der hat garantiert keine Sprechstunde mehr." Jedenfalls hoffte ich das, denn mir fielen schon fast die Augen zu. „Macht nichts, ich habe die Privatnummer." Na Danke, Dad! Wenigstens waren wir endlich zu Hause angekommen. Dad fuhr auf die Garagenauffahrt. „Wer sitzt denn da?" Ich folgte Moms Fingerzeig in Richtung Haustür. Dort saß jemand zusammengesunken und daddelte auf seinem Handy. Diesen Blondschopf erkannte ich sofort. Ich riss meine Tür auf  und sprintete hin. „Was machst du denn hier?", fragte ich, bevor ich meine Lippen auf die weichen Lippen von meiner Freundin drückte. Manno, hatte ich Leonie vermisst. Der Backstein in meinem Magen war verschwunden und durch leichtes Herzrasen ersetzt worden. „Na meinst du, ich fahre alleine nach Barcelona und lasse dich hier?", kam die Antwort auf meine Frage, nachdem wir unsere Lippen wieder voneinander gelöst hatten. „Ich gehe nur auf Toilette und dann können wir losfahren." Ja, ich würde natürlich mit ihr mitfahren. Das war doch gar keine Frage. „Falsch, wir bleiben beide hier." Wie meinte Leonie denn das? „Du musst doch aber in Barcelona zur Arbeit." Sie schüttelte ihren Kopf. „Nö muss ich nicht." Nicht? „Dann hast du Urlaub bekommen?" Wieder schüttelte sie ihren Kopf. „Nö, ich habe gekündigt, weil sie mir nicht freigeben wollten." Wie gekündigt? Aber sie brauchte doch das Geld für..... „Und was ist mit deinem Plan nach Südamerika zu gehen?" Fassungslos schaute ich sie an. Ich wusste doch, wie sehr sie sich darauf freute. „Der liegt erst einmal auf Eis. Südamerika gibt es ja schon ein paar tausend Jahre und das wird es auch noch ein paar tausend Jahre geben. Da bleibt mir noch genug Zeit die Kohle zusammen zu sparen. Das ist ja das schöne an Plänen. Man kann sie ändern. Und du stehst gerade ganz oben auf meinem Plan, Goretzka", zwinkerte sie mir zu. Wow, das war das Geilste, was ich je gehört hatte. Sofort fing mein Herz an zu rasen. Aber diesmal nicht, weil ich wieder umkippte, sondern einfach weil.....weil Leonie. „Wie bist du überhaupt hierher gekommen?" Leonie wusste doch gar nicht, wo meine Eltern wohnten. Sie fing an zu lachen und deutete mit der Hand zur gegenüberliegenden Straßenseite, wo mein Auto geparkt stand. „Ich musste nur in deinem Navi unter Favoriten schauen. Da stand Zuhause. Du bist halt leicht kalkulierbar, Goretzka!" Das nahm ich in dem Fall mal als Kompliment, denn es hatte mein Mädchen zu mir geführt und das fühlte sich gut an. „Wollt ihr nicht langsam mal reinkommen?" Mom stand in der offenen Haustür und schaute uns auffordernd an. „Wenn ich da nicht in Flammen aufgehe, gerne", grinste Leonie in Dads Richtung. „Kein Problem, wir haben eine brandfeste Einrichtung", grinste Dad zurück. Na, das ging ja schon einmal in die richtige Richtung mit den beiden, stellte ich erleichtert fest.
„Das kann doch echt nicht sein." Mom schüttelte sauer den Kopf. „Na ja, Dok Liermann ist halt verreist. Das kommt schon mal vor." Dad zuckte mit den Schultern und ich atmete erleichtert auf. Dann konnte ich mich wenigstens gleich zusammen mit Leonie in mein Bett kuscheln. Sie war von der langen Fahrt bestimmt auch müde. „Und die Vertretung?" Mom gab nicht auf. „Hat frühestens übermorgen etwas frei." Mom schüttelte entschieden den Kopf. „Das ist viel zu spät. Luca muss noch heute untersucht werden. Dann rufe ich halt Max an. Der bekommt das schon hin." Sie griff nach dem Telefon. „Stop. Nicht Max!" Er war Majas Bruder. Klar waren wir befreundet. Jedenfalls früher. Aber er war eben Majas Bruder! „Mensch Luca, hier geht es um deine Gesundheit und nicht um irgendwelchen Kinderkram!" Mom schaute mich sauer an. Ich spürte Leonies Blick auf mir. Bestimmt hielt sie es auch für Kinderkram, dass ich mich nicht von dem Bruder meiner Ex untersuchen lassen wollte. „Max Reus?" Ich nickte. „Der ist doch noch gar nicht mit seinem Studium fertig." Mama schnaubte nur, was zeigte, wie sehr ihr der ganze Vorfall mit meinem Ohnmachtsanfall an die Nerven ging. Verflucht, warum musste das ausgerechnet heute passieren? Morgen in Barcelona hätte doch auch gereicht, damit sie sich nicht völlig unnötig Sorgen machte. Ich hatte doch nur ein bisschen zu viel Stress. Und da wurde jetzt so ein riesiges Theater draus. „Hast du eine bessere Idee?", sprang Dad Mom zur Seite und schaute Leonie provozierend an. Sie nickte sofort. „Klar, Lenny, mein Onkel ist Oberarzt im Krankenhaus. Da geht garantiert was." Ohne auf eine weitere Reaktion zu warten, griff sie zu ihrem Handy und wählte. „Na, Lenny alte Gurke. Hier ist deine Lieblingsnichte. Ich bräuchte dringend einen Termin für einen komplett Check nach Ohnmacht. Geht da noch was? Am besten gestern? Melde dich, aber ràpido!", hörte ich sie sprechen. „Ist wohl doch nichts mit einem Termin?" Mom schaute Leonie enttäuscht an, als deren Handy klingelte. „Jo, Lenny, was geht?" Das hörte sich an wie ein Drogendealer im Verkaufsgespräch. „Klaro, machen uns auf die Reifen." Leonie steckte ihr Handy wieder zurück in ihre Hosentasche. „Ab ins Krankenhaus. Wir sollen sofort kommen." Dad fing an zu grinsen und klopfte Leonie auf die Schulter. „Genau so läuft dat bei uns im Pott. Wir halten zusammen und haben Connections", zwinkerte er in Mamas Richtung. Oh mein Gott, Nicht nur mein Dad, sondern auch meine Freundin gehörte dieser Ruhrpott Mafia an, wo jeder einen kannte, der einen kannte.

Schuss und Treffer- Spielplanänderung - Teil 10  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt