Kapitel 3

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Aus dem Augenwinkel konnte ich beobachten, wie hinter der Bande immer mehr Leute standen und ihre Aufmerksamkeit auf uns gerichtet hatten. Ich trainierte gerade mit Haruki, einem meiner Einzelläufer. Er war einer der besten Schüler, den wir hatten und ich war mir sicher, dass er es mal weit bringen wird.

Ich linste kurz zu den Volleyballspielern, die uns gespannt zusahen. »Was sagst du? Zeigen wir es ihnen?«, säuselte ich. Der Blonde grinste mir böse zu. »Na aber hallo! Zeigen wir ihnen das?«, entgegnete er. Ich wusste sofort, was er meinte. Ich nickte, also fuhren wir ans Ende der Halle, damit wir genug Schwung hatten.

Ich gab ihm ein Zeichen und wir fuhren los, wurden unmittelbar schneller. An einem bestimmen Punkt gab ich ein Kommando und wir drehten uns um, sodass wir nun rückwärtsfuhren. Ich nahm meinen rechten Arm nach hinten, während Haruki beide nach hinter schwang. Mein rechtes Bein und der linke Arm hob ich so, dass sie kurz eine waagerechte Linie bildeten. Dabei begann ich mich wieder vorwärts zu drehen und zog Arme und Bein wieder an meinem Körper, sodass ich die nötige Drehung in meinen Körper bekam. Und dann sprang ich ab.

Nach drei schnellen Umdrehungen landete ich auf meinem rechten Bein und glitt in dieser Position noch einige Meter. Haruki hatte währenddessen einen Rückwärtssalto gemacht und landete zeitgleich mit mir auf dem Eis.

Nachdem wir wieder angehalten hatten, klatschten wir uns einmal breit grinsend ab. Wir drehten uns zu den Schaulustigen, die überrascht aus der Wäsche schauten und dann heftig applaudierten. Mein Bruder, der vor ihnen an der Bande stand, lächelte nur stolz in meine Richtung.

»Das war ja der Wahnsinn!«, rief Hinata begeistert. Ich deutete eine Verbeugung an. »Und jetzt verschwindet! Umziehen und Aufwärmen, als nächstes seid ihr dran!«, rief ich zu ihnen, wobei sich ihre Gesichter schmerzvoll verzogen, letztendlich gingen sie aber doch. Lachend sah ich ihnen hinterher. Natürlich lernten sie heute keinen 3-fach Lutz, sondern lediglich eine halbe Drehung, ohne dabei abzuspringen.

»Chiro!«, ertönte die Stimme meines Bruders. »Mein nächster Schüler hat sich krankgemeldet. Ich kann dir also einen Teil der Gruppe abnehmen, wenn du willst«, sagte er, nachdem er bei mir ankam.

»Das passt ganz gut. Ich wollte heute mit dem Rückwärtsfahren anfangen, da kannst du mit anpacken. Suga übernimmt sowieso wieder eine Hälfte des Teams, da sind es dann nicht ganz so viele.« Während ich das sagte, schlitterte ich auf dem Eis zurück zu Haruki.

»Machen wir für heute Schluss? Wenn du morgen früh kommst, fangen wir mit deiner Choreo an, okay?«, fragte ich an meinen Schüler gewandt. Haruki nickte und machte sich daran, sich einige Runden auszulaufen, um runterzufahren.

Gemeinsam mit meinem Bruder fuhr ich ebenfalls eine Weile auf dem Eis rum und wartete darauf, dass das Volleyballteam zu uns stoßen würde. Seelenruhig lief ich rückwärts neben Toshiro und schaute stolz um mich. Es war nicht selbstverständlich, dass wir mit unseren 25 Jahren eine eigene Eislaufschule führten. Der Anfang war zwar sehr holperig, aber mittlerweile könnte es nicht besser laufen. Ich meine, selbst die Nationalmannschaft im Volleyball hatte bei uns angefragt!

»Kageyama! Wer als letztes am Eis ist, gibt dem anderen Essen aus!«, hörte ich plötzlich Hinata rufen. Im nächsten Moment stürmten er und der Schwarzhaarige die Treppenstufen hinunter. Sie war so schnell, dass ich mich echt wunderte, dass sie sich nicht langgelegt hatten.

»Erster!«, schrie der Kleinere auf. »Vergiss es, ich war schneller!«, gab der andere zurück. Sie stritten sich lautstark darüber, wer nun dem anderen ein Essen schuldete, bis Hinatas Blick auf mich sprang.

»Eiichiro! Wer von uns war schneller?«, bat er nun mich um Rat. Hilflos sah ich zu meinem Zwilling, doch der zuckte nur vielsagend mit den Schultern. »Ich würde sagen, ihr wart gleich schnell«, überlegte ich laut, dann kam mir eine kleine Idee. »Wenn ihr euch heute besonders anstrengend, gebe ich euch beiden nachher was aus. Was sagt ihr dazu?«

»Au Ja!«, rief der Orangehaarige begeistert. Auch Kageyama machte große Augen und nickte zustimmend. »Aber glaubt nicht, dass ich euch verhätscheln werde!«, setzte ich noch böse lächelnd dazu und schlitterte wieder von ihnen weg.

Nach und nach kamen auch die Restlichen der Gruppe an. »Ihr habt in den letzten Tagen große Fortschritte gemacht, deswegen fangen wir heute mit dem Rückwärtsfahren an und verbinden das gleich mit der Umdrehung«, erklärte ich den heutigen Plan. Im Gegensatz zu der anderen Gruppe war diese hier übermotiviert. Die Gruppe, die aktuell bei Koshi war, absolvierte zwar fleißig die Aufgaben, doch man merkte ihnen an, dass das hier eben nicht ihr Sport war. Verübeln konnte ich es ihnen nicht, denn mir würde es wahrscheinlich nicht anders ergehen, wenn mich jemand auf ein Volleyballfeld stellte.

Die jungen Männer sahen mich nun also abwartend an, damit ich ihnen die nötigen Grundlagen erklärte. »Hinata, erweist du mir wieder die Ehre?«, fragte ich den Orangehaarigen. Dieser kam direkt lächelnd auf mich zu.

»Alles klar. Für das Rückwärtsfahren müsst ihr eure Körpermitte etwas weiter nach vorne lehnen, so verliert ihr auch nicht so schnell euer Gleichgewicht. Im Grunde macht ihr alles so, wie beim Vorwärtsfahren auch: ihr steht auf beiden Beinen und fahrt kleine Halbkreise, nur eben dieses Mal nach hinten.« Während meiner Erklärung zeigte ich ihnen, wie es meinte. Hinata zog direkt hinterher und machte es tatsächlich schon sehr gut.

»Wichtig ist hierbei aber, dass ihr immer nach hinten schaut, um in niemanden reinzufahren«, sagte ich noch, bevor sie mit der Übung anfingen. Sie machten sich alle schon recht gut, auch wenn bei allen noch sehr unsicher gewackelt wurde. Naja, fast alle. Bokuto bemühte sich sichtlich, kam aber einfach nicht von der Stelle. Ich fuhr direkt auf ihn zu und legte vorsichtig eine Hand auf seinen Rücken.

»Keine Sorge. Als ich das erste Mal rückwärtsfahren sollte, kam ich auch nicht voran«, munterte ich ihn auf, da ich an seinem Blick direkt sehen konnte, dass er an sich zweifelte. Nach meinen Worten hellte sich sein Gesicht wieder auf und er sah mich mit großen Augen an. »Ehrlich? Wie lange hast du denn gebraucht?«, fragte er hoffnungsvoll.

Ich überlegte kurz, da es schon gute 20 Jahre her war, und musste bei der Erinnerung lachen. »Bestimmt eine halbe Stunde. Sobald ich irgendwie rückwärtslief, bin ich direkt wieder umgefallen«, erzählte ich lachend. »Und das ist nicht übertrieben!«, ertönte die Stimme meines Bruders hinter uns. »Ich dagegen habe es direkt gescheit hinbekommen.« »Tja, dafür bin ich jetzt der bessere von uns beiden«, stichelte ich zurück.

»Ich mach das hier, geh du zu dem Mittelscheitel da drüben. Erzähl ihm am besten auch die Geschichte, der scheint dasselbe Problem zu haben«, wies Toshiro mich an und zeigte dabei auf Kageyama, der in diesem Moment unsanft auf seinem Hinterteil landete. Ich verzog schmerzhaft das Gesicht und fuhr augenblicklich auf ihn zu.

Unmittelbar vor ihm kam ich an und hielt ihm eine Hand entgegen, damit ich ihm beim Aufstehen helfen konnte. »Danke«, brummte er verlegen. »Mach dir nichts draus. Ich habe Bokuto eben auch schon erzählt, dass es mir früher genauso erging«, fing ich an und erzählte dieselbe Geschichte erneut. Kageyama sah mich überrascht an. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du mal nicht so grazile über das Eis gelaufen bist«, erwiderte er. Ich lachte. »Jeder fängt mal klein an, Kageyama. Nur war ich zu dem Zeitpunkt vier oder fünf und nicht 24.«

Er sah mir schmollend entgegen. »Hilfst du mir? Ich wollte doch das versprochene Essen«, murmelte er. »Ach darum geht's dir also! Dann hättest du auch deinen Freund fragen können«, erwiderte ich und zeigte dabei auf Hinata, der mittlerweile leitfüßig über das Eis glitt und es dabei allen anderen unter die Nase rieb. Angeekelt sah Kageyama zu ihm rüber. »Ich passe. Lieber würde ich es von dir lernen«, gab er zurück.

Ich richtete mich neben ihm auf und legte meine Hände auf seinen Rücken und Oberarm. »Das wollte ich hören«, flüsterte ich in sein Ohr. Ich spürte ganz genau, wie er unter meiner Berührung eine Gänsehaut bekam, weshalb sich ein Lächeln auf meinen Lippen bildete.

Déjà Vu - Kageyama x male OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt