Kapitel 4

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Ich war gerade damit fertig, die Eisfläche mit der Maschine zu glätten, da hörte ich, wie sich die Eingangstür öffnete. Verwundert sah ich zur Uhr und dann zu dem Neuankömmling. Am Geländer stand Haruki, der mich lächelnd begrüßte. »Was machst du denn schon hier? Es ist Samstag! Da solltest du nicht schon sechs Uhr am Morgen in der Eishalle sein!«, tadelte ich ihn, auch wenn mir vollkommen bewusst war, dass ich selbst bereits seit über einer Stunde hier war.

»Ich konnte nicht mehr schlafen, also dachte ich, ich könnte auch schon herkommen«, erklärte der Blonde. »Fein. Dann können wir wenigstens die leere Halle nutzen, bevor nachher der öffentliche Eintritt anfängt.« Innerhalb der Woche waren zwar nur Trainingsstunden, dafür war aber über das Wochenende freies Eislaufen möglich und da ließ es sich nicht so toll trainieren.

»Lass uns erstmal umziehen und dehnen, dann überlegen wir, wie deine Choreo aussehen soll«, gab ich an und lief die Treppen hoch in Richtung der Umkleiden. Ich zog ein enges schwarzes Shirt an und darüber schmiss ich einen Hoodie. Wenn ich noch nicht warmgelaufen war, war es ziemlich kalt in der Halle, aus diesem Grund zog ich anfangs immer etwas Langes drüber.

Wir saßen uns nun gegenüber aus den Matten und dehnten unsere Muskeln, um eine Verletzung vorzubeugen. »Hast du dir schon überlegt, was du aufführen möchtest? Ein bestimmtes Lied oder bestimmte Figuren, die du einbauen willst?«, fragte ich, während ich meinen Oberkörper über meine Beine lehnte.

»Ehrlich gesagt ja«, gab Haruki zögernd zurück. »Ich weiß, das könnte riskant sein und wenn du das nicht willst, verstehe ich das vollkommen. Aber ich würde gerne deine Choreo laufen, nur mit vereinzelten Änderungen.« Ich richtete mich überrascht auf. »Das würde mich freuen!«, rief ich aus. Auf seinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. »Ja?!« Ich nickte begeistert.

»Ich würde vorschlagen, dass ich die Kür laufe und du dir währenddessen Notizen machst, was du wo ändern willst, okay?«, fragte ich ihn. Er nickte zustimmend, also liefen wir zur Eisfläche. Ich band meine Schlittschuhe fest und holte dann mein Handy aus meiner Hosentasche. Ich verband mich mit dem Lautsprecher und suchte das richtige Lied raus. »Wenn ich so weit bin, drück einfach auf den Button.«

Ich schlitterte in die Mitte der Halle und stellte mich in Position. Mit einem Kopfnicken gab ich Haruki ein Zeichen und die Musik dröhnte aus der Box.

Mit einer Drehung um meine eigene Axe begann ich die Choreo, die ich Anfang des Jahres so oft gefahren bin, dass sie sich in mein Gehirn gebrannt hatte. Ich fuhr rückwärts einige Meter und bewegte dabei meinen Oberkörper passend zu der Musik. Der Anfang war recht simpel gehalten, sodass ich nur mit der Melodie tanzte. Eine kleine Drehung hier, einen "Flieger" da. Ich fuhr gerade quer durch die Halle, da drehte ich mich um, sodass ich nun kurz rückwärtsfuhr, und setzte im nächsten Moment zum 4-fach Lutz an. Perfekt kam ich auf meinem rechten Bein an und schlitterte in dieser Position in eine Rechtskurve.

Nicht lange danach, sprang ich direkt in einen 4-fach Flip, mit anschießendem 3-fach Toeloop. Ich drehte mich immer wieder auf die andere Seite, damit ich mal auf der rechten Außenkufe fuhr, mal auf der linken. Nach weiteren Sekunden, in denen ich zur Musik "tanzte" und ich einen 4-fach Salchow gesprungen war, drehte ich mehrere Figuren in einer Pirouette.

Ich liebte es, auf dem Eis zu tanzen. Man konnte dort all seine Gefühle reinstecken. Genauso, wie in diesem Moment. Die Klänge der Melodie erklangen und ich schwang meine Arme und Beine mit ihnen, drehte mich um mich selbst einige Male, während ich trotzdem immer weiter vorwärtsfuhr.

Nachdem ich zwei weitere 4-fach und einen 3-fach Sprung gemeistert hatte, ging ich zum Abschluss über. Die Musik nahm an Geschwindigkeit zu und somit auch meine Bewegungen. Sie wurden härter, kräftiger. Ich steckte all meine Gefühle in sie und bewegte mich, als hinge mein Leben davon ab. Meiner Meinung nach war der Abschluss das Beste in der gut vierminütigen Kür. Ich beendete sie, indem ich aus einer letzten Pirouette in die Luft sprang und dann meine Arme zum letzten Klang des Liedes auseinanderbreitete.

Mein Atem ging heftig und ich musste erstmal meine Augen schließen, um mich wieder runterzufahren. Es war schon eine Weile her, dass ich diese Choreo gefahren bin. Erst, nachdem ich Applaus hörte, öffnete ich sie wieder, allerdings war ich etwas verwirrt, denn man hörte deutlich mehr als eine Person. Mein Blick suchte direkt die Neuzugänge. Auf den obersten Rängen saßen mein Hinata und Kageyama, neben ihnen stand mein Bruder, welcher mit verschränkten Armen zu mir herunter lächelte. Nur leicht, aber es war deutlich zu sehen.

»Wer hat euch unerwünschte Zuschauer denn rein gelassen?«, rief ich zu ihnen. Toshiro hielt klimpernd einen Schlüssel in die Höhe. »Falls du es vergessen hast, die Halle gehört mir auch!«, gab er lachende zurück. »Und diese zwei hab ich vor der Halle aufgesammelt.«

Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe. »Heute ist doch gar kein Training«, sagte ich zu den beiden Volleyballspielern gewandt. »Wir hatten trotzdem gehofft, dass du uns etwas helfen könntest«, antwortete Kageyama. Das brachte mich zum Schmunzeln. Wer hätte das gedacht? Sie waren tatsächlich an ihrem freien Tag trotzdem her gekommen, um mehr zu üben.

»Euch beiden kann ich natürlich keinen Wunsch abschlagen, aber zuerst muss ich mich noch weiter um meinen kleinen Haruki kümmern.» »Können wir zusehen?«, fragte da Hinata. Ich sah zu dem Blonden rüber, der mir zustimmend zunickte. Also war es nun beschlossene Sache.

Zu viert gingen wir in einer der Besprechungsräume. Mein Zwilling hätte sich sicherlich auch mit hier eingenistet, allerdings kam gleich seine Schülerin. Haruki hatte während meines Laufes alles mitgefilmt und dieses Video schmiss er nun an die Leinwand. Er stellte das Video noch auf Slow Motion, bevor er es startete.

»Also den Anfang würde ich erstmal so stehen lassen«, begann er. Nach dem ersten 4-fach Lutz begann er einzelne Kleinigkeiten zu ändern. »Statt dem 4-fach Salchow würde ich lieber einen 3-fach Axel einbauen und nach der Pirouette nach rechts, statt nach links fahren und ab da quasi alles Spiegelverkehrt machen.« Ich schrieb währenddessen all seine Ideen auf.

Mit einem Blick zu unseren Zuschauern sah ich, dass ihre Gesichter einzige Fragezeichen waren. Kein Wunder, Haruki schmiss hier mit Fachbegriffen um sich und die beiden verstanden natürlich kein Wort. Doch es ihnen jetzt zu erklären, würde auch nichts bringen, also beließ ich es einfach dabei.

»Wie könnt ihr die Sprünge auseinanderhalten? Für mich sehen alle gleich aus«, sprach nun Kageyama. »Da hängen sehr viele Faktoren dran. Mit welchem Bein wird abgesprungen, mit welchem wird aufgekommen? Wird vorwärts oder rückwärts angefahren? Wie wird Anschwung genommen? Zum Beispiel der Axel: er ist der einzige Sprung, der in der Vorwärtsbewegung gesprungen wird. Da man aber in der Rückwärtsbewegung landet, muss man quasi eine halbe Umdrehung zusätzlich absolvieren«, versuchte ich es ihnen trotzdem zu erklären.

»Und das könnt ihr einfach so sehen? Dabei geht das doch alles so schnell!«, rief Hinata verzweifelt aus. »Bei einigen Sprüngen können nicht mal wir Profis das so genau erkennen«, beruhigte ich ihn und wandte mich wieder meinem Schüler zu.

»Eiichiro?«, zog Kageyama meine Aufmerksamkeit nach einer Weile auf sich. »Hm?« »Du hast doch gestern gesagt, dass du uns etwas ausgibst, nicht wahr?«, fragte er vorsichtig. »Ihr seid ganz schön gierig, wisst ihr das eigentlich?«, gab ich laut lachend zurück.

Déjà Vu - Kageyama x male OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt