Spezialkapitel - Hinatas POV

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Lächelnd schritt ich durch die Glastür. »Hey!«, rief ich zu der Frau hinter dem Empfangstresen. Sie grinste zurück und wank mich direkt durch. Seit einem Monat war ich nun regelmäßig hier und so kannten mich auch die Mitarbeiter der Eishalle. Heute war zwar Samstag, aber ich wollte trotzdem herkommen. Sonst war Kags immer mit dabei, aber der konnte heute nicht, also bin ich alleine gekommen.

Ich lief zu den Umkleiden und zog mich um. Um mir vor dem Spiel nächste Woche keine Verletzung zuzuziehen, wärmte ich mich noch gründlich auf, bevor ich aufs Eis ging. Am Wochenende war immer öffentliches Eislaufen, dementsprechend voll war es auch. Überall auf dem Eis tummelten sich Gruppen, vereinzelt liefen auch Einzelne durch die Gegend.

Ich nahm die Schützer von den Kufen der Schlittschuhe und begab mich ebenfalls auf die Fläche. Schon als ich noch jünger war, war ich öfter mit meiner kleinen Schwester Eislaufen gegangen. Wenn sie mich jetzt sehen könnte, hätte sie gestaunt! Zwar fuhr ich noch nicht ganz so filigran wie Eiichiro oder Toshiro, aber ich war der Meinung, dass ich schon echt gut war. Ohne zu straucheln konnte ich über das rutschige Eis fahren und mich gelegentlich um mich selbst drehen.

Da ich Kopfhörer in den Ohren hatte, hörte ich meine Umgebung nicht. Somit auch nicht, als jemand Begriff war in mich reinzufahren. »Tut mir leid! Alles in Ordnung? - Hinata?«, dröhnte die Stimme durch meine Musik. Ich hob meinen Kopf und sah direkt in die hellblauen Augen von Toshiro. Sofort zog ich die Kopfhörer aus meinen Ohren. »Toshiro! Hey!«, grinste ich breit.

»Was machst du denn so alleine hier? Wo ist denn Kageyama?«, fragte er verwundert. »Ach, seine Schwester ist zu Besuch, deswegen wollte er nicht mitkommen«, erklärte ich. Mir war vollkommen bewusst, dass es nicht erklärte, warum ich trotzdem hier war, aber er schien nicht weiter nachhaken zu wollen, denn er nickte nur. »Aber schön, dass du hier bist. Chiro hat mich einfach alleine hiergelassen«, beschwerte er sich und fuhr langsam davon. Lachend folgte ich ihm.

Schweigend liefen wir nebeneinanderher, doch langsam wurde es unangenehm. Verzweifelt suchte ich nach einem Gesprächsthema. »Warum bist du hier, Hinata? Ich glaube kaum, dass du deine Freizeit lieber dem Eislaufen widmest als dem Volleyball«, durchbrach der Schwarzhaarige die Stille, bevor ich dazu kam. Ich blieb still, suchte nach einer geeigneten Ausrede. Ich blieb stehen und richtete meinen Blick auf den Boden. Toshiro schien es zu merken, denn kurz darauf erschienen seine Schnittschuhe in meinem Blickfeld.

»Ich wollte dich sehen«, flüsterte ich, ging aber davon aus, dass er es durch die Lautstärke hier nicht verstanden hatte. Er kam näher auf mich zu. »Wie war das?«, hauchte er in mein Ohr, woraufhin ich minimal meinen Kopf schüttelte. Ich wusste ja selbst nicht, was in mich gefahren war. Rund um die Uhr hatte ich das Bedürfnis ihn sehen zu müssen und das war mir verdammt unangenehm. »Ich hab dich schon verstanden, ich will es nur nochmal bestätigt haben«, fügte er hinzu.

Ich hob meinen Kopf und sah ihm direkt in die Augen. Sie schienen förmlich vor Hoffnung zu glitzern. »Ich musste dich sehen«, sagte ich dieses Mal mit mehr Nachdruck. Seine Augen weiteten sich kaum merklich und sein Lächeln wurde eine Spur breiter. Sein Gesicht war meinem verdammt nahe, also wollte ich mich etwas zurückziehen, doch da spürte ich plötzlich einen Arm um meine Taille.

»Vergiss es, Shoyo.« Toshiro zog mich mit einem Ruck zu sich, sodass unsere Körper aneinandergepresst waren. Sein Blick rutschte auf meine Lippen, die leicht geöffnet waren. Quälend langsam kam sein Gesicht meinem immer näher. So langsam, dass ich es kaum aushielt. Also ergriff ich selbst die Initiative und überbrückte die letzten Zentimeter. Dieses Gefühl, seiner warmen, weichen Lippen auf meinen, war einfach unbeschreiblich.

Nur widerwillig löste ich mich von ihm und lehnte mit geschlossenen Augen meine Stirn an seine Brust. Hätte Toshiro seine Arme nicht um mich geschlungen, hätten meine Beine wahrscheinlich nachgegeben. Es war sowieso ein Wunder, dass ich mit diesen wackeligen Beinen noch auf den Kufen stehen konnte. Schleichend realisierte ich, was gerade passiert war. Wir hatten uns geküsst, wir hatten uns tatsächlich geküsst!

»Shoyo«, flüsterte er. »Hmm?« »Lass uns raus gehen. Hier sind ziemlich viele Leute und die meisten starren uns gerade an«, gluckste er. Ich löste mich von ihm und sah um mich. Er übertrieb, aber ein paar sahen tatsächlich zu uns. Toshiro nahm meine Hand in seine und zog mich zum Ausgang der Plattform. Hand in Hand bahnten wir uns einen Weg durch die Leute.

Wir brachten meine Schlittschuhe weg, holten unsere Taschen und gingen dann raus aus der Eishalle. Die frische Luft zog ich willkommen in meine Lunge. »Du übertreibst maßlos. Tu doch nicht so, als würdest du aus der Hölle kommen«, lachte der Größere und schlang seinen rechten Arm um mich.

Gemeinsam liefen wir durch einen Park in der Nähe der Halle. Die Vögel zwitscherten fröhlich und einige Kinder spielten lachend auf dem Spielplatz neben uns. »Hast du Lust eine kleine Pyjamaparty zu machen? Also nur wir zwei?«, fragte Toshiro nach einer Weile. »Was ist mit deinem Bruder?«, fragte ich verwirrt nach. »Der ist dieses Wochenende mit Haruki in Nagano.«

»Haruki?« Jetzt war ich noch verwirrter. »Sein Schüler. Der eine Morgen, wo ihr so extrem früh da wart, erinnerst du dich? Das war Haruki. Er hat dieses und gegebenenfalls nächstes Wochenende seinen Wettbewerb und Chiro wollte mitfahren«, erklärte er. »Und deshalb haben wir das Apartment für uns allein. Er dürfte erst morgen im Laufe des Tages kommen.

Schlussendlich willigte ich ein und wir liefen zusammen zu seiner Wohnung. Sie war nicht besonders weit weg, daher waren wir bereit nach 15 Minuten Fußweg da. Da ich ja schonmal hier gewesen war, steuerte ich direkt die Couch an und legte mich auf sie. »Mach mal Platz«, wies mich der Ältere an. Ich wich aber keinen Zentimeter und breitete stattdessen meine Arme aus. Er verstand den Wink und legte sich zu mir.

Nach einer Weile drehte Toshiro uns so, dass er hinter mir lag und schaltete den Fernseher an. Schweigend skippte er über die Filme und Serien. Es dauerte etwas, aber dann schien er das Richtige gefunden zu haben. Er ließ die neusten Folgen von My Hero Akademia abspielen. Gespannt starrte ich auf den Bildschirm und verfolgte den Kampf. Nur nebenbei bemerkte ich, wie Toshiro sich immer näher an mich kuschelte. Sein Atem kitzelte in meinem Nacken und sein Arm drückte mich fest an sich.

Als die Folge zu Ende war, drückte ich auf Pause und drehte mich so, dass ich dem anderen in die Augen blicken konnte. Die Stille breitete sich über uns aus, doch dieses Mal war sie nicht unangenehm. Die unausgesprochenen Gefühle lagen zwischen uns, und doch schien keiner von uns beiden das Thema zuerst anschneiden zu wollen.

Plötzlich schloss Toshiro seine Augen und atmete schwer aus. »Hinata«, begann er. Waren wir nicht vorhin schon bei Shoyo? »Ich habe dich wirklich verdammt gern. Ich weiß, wir kennen uns noch nicht besonders lange, aber ich habe das Gefühl, mit dir vollkommen zu sein. Ich habe das Gefühl, mit dir an meiner Seite könnte ich alles schaffen. Du bringst, wie eine kleine persönliche Sonne, Licht in mein Leben. Deine Aktion mit dem Kuss vorhin hat mir die Hoffnung gegeben, dass es dir ähnlich geht. Deshalb... wie wäre es, wenn wir das... wiederholen? Und das in Zukunft immer wieder?«

Seine Augen waren die ganze Zeit geschlossen, daher konnte er auch nicht sehen, wie glücklich mich seine Worte machten. Ohne lange zu zögern, drückte ich meine Lippen auf seine. Ein erleichtertes Seufzen entfloh ihm und er schlang fordernd seine Arme um meinen Körper. Lass mich deine Sonne sein, Toshiro.

Déjà Vu - Kageyama x male OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt