Kapitel 12

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BRUNO

Ich folgte Lia ins Geheimzimmer und zog den roten Sessel an den kleinen Spalt in der Wand, von dem aus man in die Küche sehen konnte. Ich ließ Lia darauf Platz nehmen und schnappte mir den Holzstuhl, um mich neben sie zu setzen. Ich nahm ihre Hand und drückte sie, worauf sie mich anlächelte und den Druck um meine Hand erwiderte. Sie war wirklich hübsch mit offenen Haaren, so gefiel sie mir wesentlich besser. Und ihr Lächeln schien noch schöner zu sein als sonst. Mein Herz schlug augenblicklich höher, was mich irgendwie stutzig machte. Was war dieses seltsame Gefühl? War ich etwa... verliebt? Nein, das konnte nicht sein. Lia war meine beste Freundin, ich konnte mich nicht in sie verlieben! Und sie fühlte bestimmt auch nicht so für mich, also konnte ich mir das gleich wieder abschminken. Sie war schließlich wesentlich beliebter als ich und ihre Eltern würden es auch nie akzeptieren, wenn wir entgegen aller Erwartungen trotzdem zusammenkommen würden. Ich schüttelte diesen seltsamen Gedanken ab und konzentrierte mich auf das Geschehen vor mir in der Küche. Lias Eltern saßen nebeneinander am Esstisch, während Mamá ihnen gegenübersaß. Ines hatte den Kopf gesenkt und hielt sich die Hand auf den Arm. Wieso nur? Als sie die Hand kurz wegnahm, konnte ich einen großen blauen Fleck sehen. Der war gestern noch nicht da gewesen. Hatte Esteban sie etwa auch geschlagen? Das konnte doch nicht sein! Ich sah Lia an, die den blauen Fleck ihrer Mutter auch bemerkt zu haben schien, denn sie sah erschrocken aus. Ich drückte ihre Hand, sie reagierte nicht darauf.
"Alma, ich denke nicht, dass das hier nötig ist. Ines und ich haben gestern Abend noch einmal über alles gesprochen und sind zu einer Einigung gekommen", sagte Esteban bestimmt und sah seine Frau ernst an. "Nicht wahr, Ines?"
"Ja", stimmte Ines schnell zu und lächelte Mamá an, aber es wirkte total unsicher. Da stimmte etwas ganz und gar nicht.
"Und was für eine Einigung wäre das?", fragte Mamá skeptisch nach.
"Lia wird heute wieder nach Hause kommen und sich mit Cristiano treffen. In einer Woche werden die beiden heiraten, das ist das Beste für alle", antwortete Esteban, worauf Lia leise knurrte.
"Ja, das ist es", stimmte Ines ihrem Mann zu. Bitte was?! Seit wann war sie für diese Hochzeit? Seit wann wollte sie denn, dass ihre Tochter unglücklich wurde? Ich sah Lia erschrocken an, die genauso fassungslos schien. Ihre Hand glitt aus meiner und sie sank erschöpft in den Sessel. Ich setzte mich zu ihr und nahm sie in den Arm.
"Ist gut, Lia, wir kriegen das hin. Da ist etwas im Busch und das weißt du auch. Deine Mutter würde das nie freiwillig sagen", versuchte ich sie zu beruhigen, aber ich war mir nicht sicher, ob es klappte. Sie lehnte ihren Kopf an meine Brust und hielt mich fest. Ich drückte sie fest an mich und strich ihr beruhigend über die Haare.
"Das ist nicht euer Ernst, oder?", fragte Mamá geschockt nach. "Ihr wollt Lia zu einer Hochzeit zwingen mit einem Mann, den sie nicht einmal mag? Wie soll das das Beste für alle sein?"
"Sie bekommt einen Mann, der sich um sie und ihre zukünftigen Kinder kümmern wird und das Dorf hätte Zuwachs", erklärte Esteban. "Und sie wird Cristiano schon noch lieben lernen, da bin ich mir sicher."
"Das kann nicht euer Ernst sein! Ihr werdet Lia todunglücklich machen!", wandte Mamá aufgebracht ein. "Interssiert euch das denn gar nicht?"
"Sie wird schon glücklich werden. Zumindest glücklicher als mit deinem Sohn. Und jetzt nehmen wir unsere Tochter wieder mit nach Hause. Würdest du sie bitte holen, Alma?", erwiderte Esteban. Ich sah Lia an, die sich in meinen Poncho gekrallt hatte und ihren Kopf in meine Brust drückte. Sie war wirklich absolut verzweifelt. Ich drückte sie fest an mich.
"Keine Sorge, Mamá wird dich nicht holen. Wir bleiben hier hinten", beruhigte ich sie schnell. Sie nickte stumm und hielt mich einfach nur verzweifelt fest. "Sie können dich nicht zwingen. Und wir haben einen Plan, schon vergessen? Egal wie, aber wir werden diese Ehe verhindern. Du wirst Cristiano nicht heiraten müssen, das verspreche ich dir." Sie nickte und lächelte mich unter wässrigen Augen an.
"Danke, Brunito. Du rettest mir wirklich das Leben", murmelte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
"Natürlich mache ich das. Du bist die wichtigste Person in meinem Leben und ich will dich nicht an einen Idioten verlieren", erwiderte ich, worauf sie mich anlächelte.
"Ich will dich auch nicht verlieren", stimmte sie zu und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. "Und wir werden uns nicht verlieren, das verspreche ich dir. Ich finde immer wieder einen Weg zurück zu dir."
"Und ich zu dir", erwiderte ich und lächelte sie an. Sie war mir unglaublich nah und plötzlich hatte ich das Gefühl, als würde es im Raum um Millionen Grad heißer werden. Von Lia schien eine unglaubliche Hitze auszugehen und ihre Augen zogen mich in einen noch nie dagewesenen Bann. Was machte dieses Mädchen nur mit mir? Bevor ich wusste, was wirklich los war, zog Lia mich an sich und küsste mich.

Im ersten Moment war ich etwas überfordert und wusste nicht so wirklich, wie ich reagieren sollte, aber mein Gehirn schien schneller zu arbeiten als ich. Ich erwiderte Lias Kuss und drückte sie an mich, bis sie sich langsam von mir löste, um Luft zu holen. Sie lächelte und lehnte ihre Stirn an meine, doch wurde dann ernst.
"Tut mir leid, das...", begann sie, doch ich schüttelte den Kopf.
"Nein, dir muss es nicht leidtun. Es ist alles in Ordnung, Lia", unterbrach ich sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Ich mag dich und ich werde dich nie wieder loslassen, versprochen. Du wirst Cristiano nicht heiraten müssen, niemals. Ich werde das verhindern."
"Danke", sagte sie lächelnd und sah mich an. "Glaubst du, dass es etwas bringen würde, wenn wir den anderen sagen, dass wir zusammen sind? Glaubst du, dass das die Hochzeit verhindern würde?", fragte sie nach, worauf ich mir unsicher auf die Lippe biss. Ich war mir sicher, dass ihre Eltern nicht begeistert sein würden, aber sehr wahrscheinlich mussten sie die Hochzeit dann absagen. Sie konnten ja niemanden verheiraten, der schon in einer Beziehung war! Also nickte ich.
"Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert", stimmte ich zu. "Ich meine, man kann nicht heiraten, wenn man schon in einer anderen Beziehung ist, oder?" Sie nickte.
"Das stimmt. Sollen wir dann trotzdem rausgehen und es den anderen sagen? Es hinter uns bringen?", hakte sie nach, ich seufzte und nickte. Irgendwann würden wir es machen müssen, wenn wir diese Hochzeit so verhindern wollten.
"Ja, lass uns das machen. Wir versuchen es einfach", stimmte ich zu und stand auf. Sie nahm meine Hand und drückte sie, während wir zusammen zurück zur Galerie gingen. Ich hatte eine Freundin. Meine erste Freundin. Und ich würde sie niemals freiwillig gehen lassen, so viel war sicher.

Ich brauche dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt