Das verstehst du nicht

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Mit gesenktem Kopf tritt Alec an meine Türschwelle. Er holt tief Luft, so als würde er etwas sagen wollen, aber schluckt seine Worte wieder runter. Ich will nicht dass er mich so sieht, so verletzt, so zerbrechlich. Ich weiß, dass er meinen Schmerz mitfühlt. Das kann er als Einziger.
"Izzy bitte sag was. Deine leeren Blicke machen mir Angst."
Das sollten sie aber nicht. Alles hätte gut gehen sollen, es hätte funktionieren sollen, ich hätte sie jetzt wieder. So wie ich jetzt bin bin ich nutzlos, ein Wrack, sowie damals. Es ist fast so als würde mich alles einholen, dieses traumatische Ereignis und alle anderen vor ihnen. So weit hätte es nie kommen sollen.
Wie erstarrt sieht er nun auf meine tränenden Augen, umgeben von verschmierter Mascara.
"Du sitzt jetzt schon seit Stunden hier."
Ich würde es ja damit abtun, nur Zeit zu brauchen, aber das wird sehr viel.

Rückblick

Angespannt und bereits aufgestellt nehmen sie alle ihre Hände. Simon, Luke, Jace und die Elbenkönigin. Noch ein letztes Mal sieht Magnus zu Clary herüber.
"Bist du soweit?"
"Lasst uns das durchziehen."
Erst in diesem Moment habe ich begriffen wie stark und laut doch die Stille sein kann. Es war fast so, als würde sie mir die Ohren regelrecht zudrücken. Ich glaubte wirklich daran dass alles funktionieren würde, an uns.

Ab diesem Moment ging alles so schnell. Ich erinnere mich an den Zauberspruch, an das Blut das zu Clary in die Mitte floss, an einfach alles. Wie sie praktisch hochgeschleudert und ihr Geist herausgezogen und ins Schwert geflohen ist. Es war ein strahlendes Licht, und alles war wie geplant. Ich war sogar kurz davor alle Skepsis abzulegen, bis es passierte.
Auf einmal begann alles im Institut zu flackern, wie ein Widerstand. Dann wurde alles schwarz. Nein, wortwörtlich. Wir sind alle ohnmächtig umgefallen, und wäre Magnus Bane nicht gewesen, wahrscheinlich nie wieder zurückgekommen. Wir alle verdanken ihm unser Leben, ich hoffe er weiß das. Jace war am Boden zerstört, als er aufwachte und Clary nicht mehr da war. Er bat sogar mehrere Hexenmeister ihn in das Schwert zu bringen, aber alle haben abgelehnt. Es wäre einfach zu riskant, war die Antwort. Nichtmal Dott wollte es tun.

Ich glaube ich habe geschrien als ich es rausgefunden habe. Alec wollte mich in den Arm nehmen und beruhigen, aber das hat nicht funktioniert. Der Schmerz war überall, ich konnte ihn nicht besiegen. Deshalb bin ich gerannt, weiter und weiter, bis ich schließlich in meinem Zimmer angekommen bin. Mit Tränen im Gesicht habe ich die Tür abgeschlossen und mich an sie gelehnt, bis ich langsam an ihr heruntergerutscht bin. Erst jetzt habe ich mich getraut sie wieder aufzuschließen.

"Ich weiß wie du dich fühlst, aber-"
"Das verstehst du nicht!"
Wutentbrannt habe ich Alec angesehen und ihn angeschrien. Eigentlich wollte ich das gar nicht, aber in diesem Fall ist das unwichtig. Natürlich weiß er wie sich sowas anfühlt, er hat Jace schon mehrere Male verloren. Aber das mit Clary, das ist was ganz Anderes. Ich wollte nichtmal einen Parabatei, bis ich sie gefunden habe. All meine Ansichten wurden durch sie verworfen. Und als ich sie endlich hatte, wurde sie mir nur Tage vorher entrissen. Clary einmal zu verlieren war schlimm genug, aber das... Das ist noch eine ganz andere Liga. Niemand von uns weiß wie es ihr geht, keiner kann mit ihr kommunizieren. Vielleicht kommt sie nie wieder raus. Wenn ihr etwas passieren wurde weil ich zu schüchtern war mein schlechtes Gefühl auszusprechen, das würde ich mir nie verzeihen.

Alec hingegen scheint das zu verstehen. Langsam geht er ein paar Schritte auf mich zu, bis zu meinem Bett.
Schluchzend sehe ich zu ihm hoch, auch wenn ich nicht viel erkennen kann.
"Sie ist weg Alec."
Mitfühlend nimmt er mich in den Arm und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Früher hat das immer alle meine Sorgen beseitigt, aber nicht jetzt. Ich brauche sie zurück, und ich weiß an wen ich mich da wenden kann.
"Wo ist Jace? Ich muss zu Jace."
Sobald ich versuche mein Zimmer zu verlassen, packt Alec mich am Arm.
"Was hast du vor?"
"Ich hole mir Clary zurück."
Mir egal was die Engel wollen, ich werde meine beste Freundin nicht im Stich lassen. Nicht, bevor sie mein Parabatei ist und auch niemals sonst. Wenn sie auf etwas zählen kann, dann auf uns.

Noch im Laufen wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich will nicht mehr traurig sein, sondern erfolgreich. So leicht wird Clary uns nicht los.
"Bist du bereit?"
Verwirrt schaut er mich an. So wie es aussieht bin ich nicht die Einzige die um sie getrauert hat.
"Wozu bereit?"
"Wir stellen uns mal wieder den Monstern."
"Dämonen?"
"Wer hat denn was von Dämonen gesagt?"

Zugegeben ist die Idee etwas unrealistisch, aber ich werde nichts unversucht lassen da lasse ich mich nichts sagen. Manche Dinge muss man einfach selbst in die Hand nehmen. Nennt mich verrückt, aber ich habe vor unseren guten Raziel zu uns zu rufen. Oder zumindest jemanden der ihn überreden kann.
"Ich brauche Clary's Blut, da es mit Jocelyn's verbunden ist. Wir alle wissen sie hat Verbindungen bis nach ganz oben. Und was wären wir für Freunde wenn wir die nicht nutzen würden?"
Nach allem was wir durchgemacht haben, glaube ich dass nichts und niemand uns aufhalten kann. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass wir das Unmögliche wahr machen. Mir egal was ich dafür tun muss, aber ich habe es satt dass immer nur Andere sagen wollen wo's langgeht.

"Du willst doch jetzt nicht ernsthaft Raziel auf die Erde holen oder? Den Raziel?"
"Du hast es erfasst. Das ist es genau was ich vorhabe. Und ich weiß auch schon genau wie."
Wenn ich so drüber nachdenke, haben wir doch wirklich praktische Kontakte. Der Ort an dem wir anfangen werden ist die Zitadelle der eisernen Schwestern. Wenn jemand Ahnung von sowas hat, dann ja wohl sie.
"Ihr könnt schonmal packen."

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