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"Wir sehen uns."

Panisch laufe ich den Gang herunter, Namjoon ist vollkommen verwirrt aber das interessiert mich nicht. Am liebsten würde ich von diesem Ort fliehen, aber das geht nicht, da ich gleich noch Stunden habe.

Ich biege um eine Ecke, und lehne mich im gerade betretenen Gang mit dem Rücken an die Wand. Hier geht aktuell nie jemand lang, da hinter den zwei Lagerräumen die Kunsträume sind und gerade renoviert werden, der Rest des Gangs ist gesperrt.

Namjoon kommt schwer atmend ebenfalls hier an, aber ich bemerke ihn gar nicht richtig, denn mit den Händen auf meiner Lunge versuche ich irgendwie die Panik runterzuschlucken. Aber es geht einfach nicht, die ganzen Bilder kommen wieder hoch und überwältigen mich. Es ist wie das letzte mal, wenn Namjoon mich nicht ohrfeigt, komme ich aus dieser Abwärtsspirale nicht mehr heraus. Die ganzen Bilder erscheinen vor meinen Augen, ich höre seine Stimme in meinen Ohren und spüre den Schmerz. Ich habe das Gefühl ich sterbe und das wäre sogar gut so. Ich denke ich sollte es doch endlich beenden, ich würde mir selbst einen Gefallen tun.

"Yoongi, du machst mir Angst!" Dieser Satz holt mich endlich aus meinen Gedanken und ich schaue direkt in Namjoons Augen als ich in die Realität zurück finde. Vollkommen verängstigt und besorgt schaut er mich an. Das wollte ich nicht.

"Was ist denn nur los mit dir, das ist jetzt schon öfter passiert. Was ist dir nur passiert, dass du solche Panikattacken bekommst?" Ich schaffe es einfach nicht ihm zu antworten, sondern schaue einfach nur betreten auf den Boden. Ich kann das nicht, ich kann diese Worte nicht aussprechen, verdammt.

"Ich weiß, dass das schwer ist, aber irgendwann erzählst du es mir, wenn du bereit bist. Okay?" Ich blicke ihn zutiefst dankbar an und er nimmt mich in den Arm, wie lange weiß ich nicht. Einfach so lange, bis sich mein Atem wieder beruhigt hat. Immerhin bin ich dieses Mal nicht ohnmächtig geworden. Doch plötzlich erinnere ich mich, wo ich mich befinde und blicke hektisch auf meine Uhr, wir müssen schon viel zu spät sein.

"Beruhig dich, wir haben gerade eine Freistunde. Steht doch auf dem Plan, oder nicht?" Ich öffne die Datei und tatsächlich, in dieser Stunde steht hier nichts. Gott sei dank....

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Doch später in der Nacht wache ich, schon wieder schweißgebadet, von einem dieser Alpträume auf. Aber dieses mal war es schlimmer als sonst. Erstens hat es sich deutlich... realer angefühlt und zweitens waren es dieses mal nicht die Erinnerungen an das letzte Mal, sondern es war das... zweite Mal. Und erst jetzt wird mir bewusst, dass das heute in der Schule möglicherweise eine Drohung gewesen sein könnte. Noch ein mal stehe ich das nicht durch.

Zitternd mache ich mich auf ins Bad, durch die Tränen vor meinen Augen ist alles so verschwommen, dass ich mit der Schulter mit Wucht vor den Türrahmen laufe, aber das stört mich nicht weiter. Das, was ist jetzt machen werde tut ohnehin mehr weh. Dort angekommen lasse ich mich, im Dunkeln, auf den Boden fallen und krame die Klinge aus der Schublade, die Tür schließe ich ab. Ich will diesen Schnitt jetzt nicht sehen, da schneide ich lieber im Dunkeln drauf los. Einige Sekunden zögere ich, doch dann streife ich mir das Shirt über den Kopf und entferne den dünnen Verband, welcher um meine Taille gebunden ist. An sich ist der nicht unbedingt nötig, aber falls beim Sport oder ähnlichem mal ein Schnitt aufreißt, kann es nicht schaden.

Und schon schneide ich los, ohne sonderlich auf die genauen Stellen zu achten. Ich spüre das warme Blut, dass an meiner Seite herunterläuft und meine Hose durchweicht und es ist befreiend. So wie jedes mal reguliert es die Panik immens, sodass ich ruhiger werde. Ich weiß nicht wie lange ich so dasitze, ohne mich zu bewegen, mein Oberkörper weiter blutend.

Langsam kommt in mir der Wunsch auf zu sterben. Lieber jetzt als nachdem er es das zweite Mal getan hat. Ich weiß selbst, dass ich mich nicht wehren kann, denn ich bin viel zu schwächlich im Gegensatz zu einem erwachsenen Mann.

Es ist besser so.

Apathisch suche ich in der Schublade nach meinen Schlaftabletten, ich brauche sie um nach den Alpträumen wieder einzuschlafen, doch heute haben sie einen anderen Zweck. Ich schütte mir den Inhalt der Packung in die Hand, es sind nur noch drei. Das wird bestimmt nicht reichen um mich umzubringen. Aber versuchen muss ich es dennoch. Ich gieße mir Wasser in meinen Zahnbürstenbecher und schlucke alle Tabletten, eine nach der anderen herunter.

Auch wenn er jetzt bekommt, was er will, ich halte es einfach nicht mehr aus. Die Alpträume, die konstante Paranoia, der Ekel vor mir selbst, da er meine Haut berührt hat. Allein diese Narben an meinen Oberkörper, ich werde sie ja nie wieder los. Niemals. Ich muss den Rest meines Lebens mit diesen Malen leben, die mich immer und immer wieder aufs neue an all das erinnern. Ich bin doch gar nicht mehr lebensfähig und das hat er aus mir gemacht. Vielleicht fühlt er sich ja wenigstens ein wenig schuldig, wenn er morgen erfährt dass ich mich umgebracht habe...

Noch einige Minuten sitze ich regungslos da, mit dem nackten Rücken an die kalte Fliesenwand angelehnt, auf den Tod wartend. Und irgendwann schlafe ich ein. Ob die Tabletten wohl gereicht haben, um mich umzubringen? Ich hoffe es. Oder falls ich überlebe, hoffe ich zumindest, dass Namjoon nichts davon herausfindet...

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The incident° ~ Yoongi FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt